Der Stuttgarter Taxiunternehmer Talip Özdemir behauptet sich als Einzelkämpfer in einem beinharten Wettbewerb. Oft braucht er sehr viel Geduld beim Warten auf den nächsten Auftrag, weil es zu viele Konkurrenten gibt.  

Stuttgart - Es ist kurz nach zehn Uhr morgens, als Talip Özdemir mit seinem schwarzen Mercedes beim SI-Zentrum in Möhringen einbiegt. Um halb sieben hat der Taxiunternehmer am Cannstatter Bahnhof seinen Arbeitstag begonnen und seither erst zwei Fahrten gemacht: Er brachte eine ältere Dame ins Marienhospital, danach wollte ein Engländer vom Marienplatz nach Sindelfingen ins Kundenzentrum von Mercedes und dort seinen neuen Wagen abholen. Am SI-Zentrum reiht sich Özdemir an diesem regnerischen Tag als fünftes Taxi ein und wartet auf die nächste Fahrt. Über sein Digitalfunkgerät kann er kontrollieren, was an den anderen Plätzen los ist, wie viel Vorbestellungen es gibt und ob es sich vielleicht lohnt, den Standort zu wechseln.

 

„Die nächste Fahrt kann in einer halben Stunde kommen, vielleicht auch erst in einer Stunde. Manchmal wartet man am Flugplatz auch drei Stunden“, beschreibt der Taxiunternehmer die Unwägbarkeiten seines Gewerbes, an die er sich gewöhnt hat. Özdemir bleibt gelassen. „Das Auto ist mein Wohnzimmer“, sagt der Schnauzbartträger schmunzelnd. Im Radio läuft SWR 1, neben dem Fahrersitz stecken die „Hürriyet“ und eine kurdische Zeitung, mit deren Lektüre sich der 52-Jährige die Zeit vertreibt.

Nur noch zwei kurze Fahrten werden bis zum Mittag hinzukommen: Ein etwas verwirrt wirkender Senior, der Özdemirs Hilfe beim Gehen benötigt, wird für 8,10 Euro vom Urologen in Möhringen zum Seniorenheim in Sonnenberg chauffiert, und ein älteres Paar fährt für 9,30 Euro vom Fasanenhof zur Volksbank nach Möhringen. Dann reiht sich Talip Özdemir wieder in die Taxischlange vor dem SI-Zentrum ein. Vier Fahrten an einem Vormittag – dies macht schon klar, dass Stuttgart alles andere als ein goldenes Pflaster für Taxifahrer ist. „Reich wird man damit nicht“, sagt der Einzelkämpfer, der keine weiteren Fahrer beschäftigt.

Das Taxigewerbe ist streng reguliert

Wie schwierig das Geschäft ist, zeigt ein Gutachten des Hamburger Beratungsunternehmens Linne+Krause. Vor zwei Jahren kamen die Experten zu dem Ergebnis, dass es in Stuttgart zu viele Taxis gebe. Die Gutachter empfahlen der Stadt, das Angebot zu drosseln. Die Stadt spielt eine Schlüsselrolle, weil das Taxigewerbe streng reguliert ist. Wer ein Taxiunternehmen gründen will, braucht eine Konzession.

Talip Özdemir, der aus dem Osten der Türkei stammt und einst als Jugendlicher nach Deutschland kam, hat vor zwölf Jahren zunächst den Personen-Beförderungsschein gemacht, der Pflicht ist für Taxifahrer. Er wollte sich zur finanziellen Absicherung seiner Familie als Aushilfsfahrer eine zweite Einkommensquelle erschließen. Für die Prüfung musste er beim Tüv Fragebögen ausfüllen, in denen es um eine Vielzahl auch kleiner Straßen und die besten Routen zu einem Ziel ging. Als sein Arbeitgeber, ein Esslinger Metallbetrieb, dann pleitegegangen sei, habe er 2007 den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt. Von einem Griechen, der in seine Heimat zurückgekehrt sei, habe er für 25 000 Euro eine Konzession mitsamt einem alten Taxi übernommen. Zugleich wurde er Mitglied der Taxizentrale, die ihm die Aufträge vermittelt.

Die Konzession muss regelmäßig verlängert werden, und die Stadt Stuttgart versucht dies zu nutzen, um das Überangebot zu verringern. Auch Talip Özdemir hat vor einigen Monaten gespürt, dass die finanziellen Verhältnisse bei der Verlängerung der Genehmigung jetzt strenger unter die Lupe genommen werden als früher. Verlangt wird eine Vielzahl von Unterlagen, etwa eine Steuerbescheinigung des Finanzamts sowie Jahresabschlüsse der letzten drei Jahre. Özdemir hat diesen Papierkrieg erfolgreich bewältigt und nun eine Verlängerung der Konzession bis 2020 erhalten.

Jeden Tag braucht es 150 bis 180 Euro Umsatz

Der Taxiunternehmer arbeitet fünfeinhalb Tage in der Woche, wie er berichtet. Jeden Tag müsse er im Durchschnitt etwa 150 bis 180 Euro Umsatz machen, um über die Runden zu kommen. Dieses Ziel sei nicht immer leicht zu erreichen. Läuft ein Tag schlecht, muss er am nächsten länger fahren. Zwar sind zum Jahresanfang erstmals seit Langem wieder die Tarife angehoben worden. Doch seither, so der Taxiunternehmer, werde stärker beim Trinkgeld geknausert.

Geschäftsleute seien die wichtigste Kundengruppe, berichtet Özdemir. Und hier habe sich seit der letzten Wirtschafts- und Finanzkrise von 2008/09 einiges zum Schlechteren verändert. Früher hätten beispielsweise mehr Geschäftsleute, die am Flughafen gelandet seien, ein Taxi genommen. In der Krise hätten die Unternehmen strengere Regeln für die Reisekosten vorgegeben und diese offenbar bis heute nicht wieder ganz gelockert. Zudem nähmen mehr Geschäftsleute als früher einen Mietwagen oder ein Carsharing-Auto.

Eine Rabattaktion der Daimler-Tochter Mytaxi macht Ärger

Angesichts dieser Entwicklung überrascht es nicht, dass Özdemir – wie seine Kollegen – verärgert über eine Rabattaktion ist, die jüngst die Daimler-Tochter Mytaxi startete. Mitte Mai lockte Mytaxi mit Rabatten von bis zu 50 Prozent für Fahrten, die über diese App vermittelt wurden. Die Stuttgarter Taxizentrale ging gegen diese Rabattaktion vor Gericht, weil sie darin ein Verstoß gegen den fairen Wettbewerb sah, und erwirkte Mitte Juni ein Verbot. Die Daimler-Tochter hat Berufung gegen dieses Urteil eingelegt. Nun muss sich demnächst das Oberlandesgericht mit dem Streit befassen. „Was Mytaxi macht, gefällt uns gar nicht“, sagt Özdemir. „Wenn Daimler uns weiter Probleme macht, könnte es sein, dass wir unsere Mercedes-Taxis verkaufen und Skoda oder Toyota fahren,“ sagt der Unternehmer und droht mit einem Boykott der Stuttgarter Marke.

Erst vor ein paar Wochen hat Talip Özdemir ein neues Taxi in Empfang genommen. Es ist sein vierter Wagen der Marke mit dem Stern seit dem Sprung in die Selbstständigkeit – und seine erste nagelneue E-Klasse. „Mercedes-Benz gibt gute Rabatte“, so begründet Özdemir die Wahl der Marke. Zudem habe man mit Gebrauchtwagen oft mehr Stress. „Für mich ist wichtig, dass ich keine Probleme mit dem Auto habe“, sagt Özdemir, ,,denn das Taxigeschäft ist schon stressig genug.“

Infobox: Taxis in Stuttgart

Konzessionen
– Seit dem vergangenen Oktober prüft das Amt für öffentliche Ordnung in Stuttgart die Anträge für die Verlängerung der Taxikonzessionen sehr genau, insbesondere diebetriebswirtschaftlichen Angaben. Es gilt als offenes Geheimnis, dass es in der Branche schwarze Schafe gibt, die ihre Kasse aufbessern, indem sie dem Fiskus nicht die gesamten Einnahmen melden. Diese schwarzen Schafe sollen aussortiert werden.

Rückgang –
Die Zahl der Taxikonzessionen in Stuttgart ist durch die strengeren Prüfungen nach Angaben des Amts für öffentliche Ordnung bisher von 703 auf 696 zurückgegangen. Derzeit gibt es auch einige juristische Auseinandersetzungen mit Taxiunternehmern, die ihre Konzession nicht abgeben wollen. Auf den Fildern rund um den Flugplatz gibt es unverändert 81 Taxen. Für diese Konzessionen ist der Landkreis Esslingen zuständig. In einem Gutachten des Hamburger Beratungsunternehmens Linne+Krause war vor zwei Jahren eine Verringerung in Stuttgart, Leinfelden-Echterdingen und Filderstadt auf insgesamt rund 645 Taxis empfohlen worden, um das Überangebot zu drosseln.