Im Landkreis Böblingen sind 2024 erneut sehr viele neue Firmen entstanden – das liegt paradoxerweise an der kriselnden Wirtschaft.

Im letzten Jahr ist nach Angaben des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg die Zahl der Existenzgründungen im Landkreis Böblingen weiter gestiegen. Über das gesamte Jahr 2024 wurden 2833 gewerbliche Neugründungen im Landkreis angezeigt, 493 davon „mit wirtschaftlicher Substanz“, also nicht im Nebenerwerb. Das berichtet die IHK-Bezirkskammer Böblingen in einer Pressemitteilung.

 

Nachdem die Zahl der Neugründungen in den Jahren 2022 und 2023 bereits von 2598 auf 2749 angestiegen war, setzte sich dieser Trend auch 2024 weiter fort. Bei den Gründungen mit wirtschaftlicher Substanz stieg die Zahl in diesem Zeitraum ebenfalls von 428 auf 454. Damit erreichen 2024 sowohl die Neugründungen insgesamt als auch die haupterwerblichen Tätigkeiten immer weiter Höchstwerte. Sieht man von dem Ausreißer-Wert aus dem Jahr 2021 mit 2907 Neugründungen ab, ist die Zahl, insbesondere im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 mit 2372 Neugründungen, seitdem steigend.

„Die Gründe dafür lassen sich insbesondere auch in der aktuell kriselnden wirtschaftlichen Lage im Landkreis finden“, schreibt die IHK. Der kürzlich veröffentlichte Konjunkturbericht der Bezirkskammer Böblingen zeige neben der branchenübergreifend pessimistischen Stimmung bei den Unternehmen einen Rückgang der Arbeitsverhältnisse, auch für die Zukunft. Rund 31 Prozent der Böblinger Unternehmen würden aufgrund der schlechten Auftragslage aktuell mit einer eher sinkenden Zahl an Beschäftigten rechnen.

„Krisenjahre waren schon immer Gründungsjahre, das erleben wir hier in Böblingen nicht zum ersten Mal“ sagt Marion Oker, Geschäftsführerin der IHK-Bezirkskammer Böblingen, „wenn Arbeitgeber der Region ins wirtschaftliche Schwanken geraten und viel über Entlassungen und Kurzarbeit gesprochen wird, sehen viele Fachkräfte einen Ausweg in der Selbstständigkeit. Gezahlte Abfindungen erleichtern dabei oftmals diesen Schritt, da weniger Gründungskredite aufgenommen werden müssen.“

Untermauert wird diese Aussage insbesondere durch den Wert der haupterwerblichen Tätigkeiten pro 1000 Einwohner. Mit 1,3 substanziellen Betriebsgründungen pro 1000 Einwohner weist der Landkreis Böblingen den zweithöchsten Wert der Region auf, nur der Stadtkreis Stuttgart ist besser.

Bemerkenswert daran ist, dass dieser Wert in den Jahren davor stets einer der niedrigsten in der gesamten Region Stuttgart war. Durch seine starke Industrie, gerade im Bereich Automotive, der von der schwachen Auftragslage aktuell besonders stark betroffen ist, war der Landkreis Böblingen für Arbeitnehmer immer attraktiv. Dementsprechend weniger interessant erschien bei solchen Bedingungen eine selbstständige Tätigkeit. In der aktuellen Situation hat sich der Wind offenbar gedreht.