Nirgendwo wohnen mehr junge Menschen als auf dem afrikanischen Kontinent. Das galt lange als Problem. Doch nun sehen viele in ihnen die Garanten für das wirtschaftliche Erwachen der einstigen Krisenregion.

Nairobi - Gerade zwölf Jahre ist es her, dass der britische „Economist“ eine Titelgeschichte über Afrika mit „Der hoffnungslose Kontinent“ überschrieb. Der Erdteil zeigte den Reportern sein düsteres Gesicht, die Afrikaner schienen wie seit Jahrzehnten von Kriegen, Krankheiten und Katastrophen gebeutelt, die „afrikanische Renaissance“, von der Südafrikas Präsident Thabo Mbeki schwärmte, löste unter Experten nur Hohngelächter aus. Ein gutes Jahrzehnt hat sich die Lage verändert. Wirtschaftsanalysten melden die höchsten Wachstumsraten der Welt für Afrika, die UN berichtet erstmals vom Rückgang der Armut, Beratungsfirmen wie Ernst & Young wenden sich dem Kontinent zu. „Es ist zu einem Gezeitenwechsel gekommen“, befindet Oxford-Professor Paul Collier.

 

Investoren drängen auf den schwarzen Kontinent

Portfoliomanager können plötzlich gar nicht genug afrikanische Titel in ihr Bouquet aufnehmen: In keinem anderen Teil der Welt, sagen sie, seien bessere Profite zu machen. Privatfirmen haben ihre Investments auf dem Kontinent in den ersten acht Jahren des Jahrtausends von neun Milliarden Dollar auf 62 Milliarden fast versiebenfacht – und Multis, die die Entwicklung wie die US-Verkaufskette Wal-Mart oder der Getränkekonzern Diageo zunächst verschlafen haben, zahlen gesalzene Preise, um sich doch noch in die neuen Märkte einzuklinken – die letzten noch weitgehend unerschlossenen der Welt. Zur rasch wachsenden afrikanischen Mittelschicht sollen bereits mehr als 100 Millionen Menschen mit einer jährlichen Kaufkraft von 400 Milliarden Dollar gehören.

Entfesselung des Potenzials führt zum Erfolg

Dass es an den bisher geleisteten 2,3 Billionen Dollar Entwicklungshilfe liegen könnte, mag niemand glauben. Alleine schon die Möglichkeit, heute in fast allen Staaten Afrikas eine Telefonkarte für weniger als einen Dollar erwerben zu können, habe das Leben der Afrikaner „viel mehr verändert als all die vom Westen gezahlte Entwicklungshilfe“, ist der Chef des kenianischen Mobilfunkanbieters Safaricom, Michael Joseph, überzeugt. Nicht der Tropf, sondern die Entfesselung des Potenzials des afrikanischen Patienten habe zu dessen Genesung geführt.

Wenn Afrika etwas im Überfluss hat, sind sich Experten einig, dann sind das seine Möglichkeiten. Der Kontinent wird von mehr als einer Milliarde Menschen bevölkert, die so jung sind wie nirgendwo anders auf der Welt. Zweidrittel haben nicht einmal das 25. Lebensjahr erreicht. Im Gegensatz zur sogenannten Ersten Welt hat es der Kontinent deshalb nicht mit Demenz und einer auf den Kopf gestellten Alterspyramide zu tun. Jährlich werden zehn Millionen Menschen erwachsen, die – wenn sie nur einigermaßen ausgebildet werden – nicht nur durch ihren Konsum zum Aufschwung beitragen. Afrika ist außerdem mit Millionen von Quadratkilometern an fruchtbarsten, oft untergenutzten Böden gesegnet – und unter diesen ruhen Schätze, die zu den kostbarsten der Welt gehören. Außer 90 Prozent der bekannten Platinvorkommen verfügt Afrika über 40 Prozent aller Gold- und immerhin 15 Prozent der Erdölvorkommen.

China ist heute Afrikas größter Wirtschaftspartner

Sein Rohstoffreichtum ist einer der wichtigsten Gründe für den Gezeitenwechsel in Afrika: In seinem Ressourcenhunger hat sich vor allem China der einstigen Aschenputtel zugewandt. Investitionen aus dem Reich der Mitte haben sich im vergangenen Jahrzehnt mehr als verhundertfacht, mit einem Volumen von jährlich über 160 Milliarden Dollar ist China heute Afrikas größter Handelspartner. „Chinas wachsender Einfluss ist die wichtigste Entwicklung seit dem Ende des Kalten Krieges“, ist der südafrikanische Wirtschaftsmogul Harry Oppenheimer überzeugt.

Nicht alles ist jedoch auf äußere Einflüsse zurückzuführen: Auch die mit der Einführung des Mobilfunks einhergehende Technologierevolution katapultiert den Kontinent nach vorne. Afrika ist der schnellstwachsende Handymarkt der Welt: 400 Millionen Menschen besitzen inzwischen ein mobiles Telefon. Der Zugang zum Internet, der im vergangenen Jahrzehnt um 2000 Prozent wuchs, eröffnet nicht nur fernab von den Märkten lebenden Bauern, Buschklinikdoktoren oder in Slums wohnenden Schulkindern neue Chancen. Nicht zuletzt haben aber auch Afrikas viel gescholtene Regierungen zum Umbruch beigetragen: Die Administrationen halten inzwischen die Inflation im Schach, befreien ihre Entrepreneure von bürokratischem Ballast und stellen sich – zumindest in der Mehrheit – alle vier Jahre zur Wahl. Gab es 1990 noch lediglich drei afrikanische Staaten, die sich Demokratien nennen durften, so sind es heute 25.

Im rasanten Umbruch stecken Gefahren

Dass Afrikas Aufholjagd immer freundlich und friedlich verlaufen wird, ist allerdings unwahrscheinlich: Kenner der Kontinents wie der Chef des südafrikanischen Instituts für Sicherheitsfragen, Jakkie Cilliers, sehen höchst turbulente Zeiten voraus. Auch weisen Experten auf die Gefahren des rasanten Umbruchs hin: Als besonders explosiv könnte sich die zunehmende Kluft zwischen Gewinnern und Verlierern des afrikanischen Aufschwungs erweisen. Dass der Aufschwung tatsächlich stattfindet, daran hegt auch der „Economist“ keinen Zweifel mehr. Er schwärmt: „Über Afrika scheint inzwischen die Sonne.“