Die ukrainische Währung befindet sich im Sinkflug, mit jedem Tag geht es ein Stückchen weiter in den Keller. Das ist nicht nur bitter für alle, die das Land für einen Urlaub verlassen. Bitter ist das auch für die Wirtschaft und die Staatskassen.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Stuttgart - Vor sieben Jahren haben die Ukrainer im Januar für einen Griwna mehr als 14 Eurocent bekommen. Am Freitag waren es gerade einmal noch 8,6. Die ukrainische Währung befindet sich im Sinkflug, mit jedem Tag geht es ein Stückchen weiter in den Keller. Das ist nicht nur bitter für alle, die das Land für einen Urlaub verlassen. Bitter ist das auch für die Wirtschaft und die Staatskassen. Die Ukraine muss seit ihrem Bestehen deutlich mehr Waren importieren, als dass sie exportiert. Die meisten dieser Geschäfte werden in Dollar oder Euro gemacht.

 

Deutschland ist der wichtigste europäische Handelspartner Kiews, hauptsächlich Maschinen werden in das größte europäische Flächenland geliefert. Mehr Waren kommen nur aus zwei Ländern: China und vor allem Russland dominieren diesen Bereich. Auch beim ukrainischen Export liegt der Osten vorne. Russland, Weißrussland und Kasachstan sind die wichtigsten Partner.

Die Industrie des Landes ist veraltet

Vor diesem Hintergrund haben Experten noch einmal die Assoziierungsverträge durchleuchtet, die Kiew mit der Europäischen Union ursprünglich schließen wollte, und deren Nichtunterzeichnung im November vergangenen Jahres Auslöser für die ersten Proteste gewesen waren. Dabei mussten sie zugestehen, dass die Unterzeichnung des Abkommens der Ukraine wohl deutlich mehr geschadet als genutzt hätte. Die wenigsten ukrainischen Produkte seien in der EU konkurrenzfähig, heißt es in einer Analyse der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Die im Assoziierungsabkommen vorgesehenen Handelserleichterungen hätten zwar deutschen und europäischen Lieferanten genutzt, kaum aber ukrainischen Exporteuren. Die Industrie des Landes sei „veraltet und kaum wettbewerbsfähig”.

Hinzu kommt eine Korruption, die in Europa einmalig ist. Transparency International stuft das Land von 176 untersuchten Ländern auf Platz 144 ein. Der Reichtum zahlreicher Staatsdiener, der in keinem Verhältnis zu deren offiziellen Einkommen steht, sticht nicht nur in Kiew, sondern auch in der Provinz ins Auge. Beherrscht wird das Land allerdings von einer kleinen Gruppe von Oligarchen. Es gibt verschiedene, große Unternehmensgruppen, die oft auch Medien besitzen. Anders als in Russland sind sie allerdings nicht alle dem Herrscher untergeordnet, sondern führen großteils ein Eigenleben.

An transparenten Regeln sind die Oligarchen nicht interessiert

Die geschäftlichen Verbindungen in den Osten sind dabei schon aus historischen Gründen heraus deutlich intensiver als in die andere Richtung. Und auch wenn einige der Multimilliardäre vorsichtige Sympathie mit der Protestbewegung angedeutet haben – an transparenten Regeln im Wirtschaftsleben, wie sie die EU zur Bedingung machen würde, haben die meisten von ihnen kein Interesse.

Der unvorstellbare Reichtum einiger Oligarchen ist mit ein Grund dafür, dass die Ukraine der Staatspleite entgegentreibt. Der Schokoladenkönig Petro Poroschenko musste zudem erkennen, wie riskant es ist, auf falsche Freunde zu setzen. Seine Firma produziert die Süßwaren, die vom wichtigen Abnehmerland Russland auf eine Embargoliste gesetzt wurden. Poroschenko machte in kürzester Zeit Millionenverluste. Zudem lebt das gesamte Land in ständiger Angst, dass der Hauptlieferant für Wärme und Energie – mal wieder – den Hahn zudreht. Ausgeschlossen ist das nicht: Die Ukraine habe bei Gazprom 2,7 Milliarden Dollar Schulden, gab der russische Gaslieferant am Donnerstag bekannt.