Die Abfüllmenge bei Ensinger hat sich seit den 1990er Jahren fast verdreifacht. Foto: Ensinger
Während das Bier weiter in die Krise rutscht, bleiben die Mineralbrunnen stabil. Wie Ensinger und Alwa gegen die Globalisierung und Trends wie Infused Water und Energy ankommen.
Früher gab es im Supermarkt die Auswahl zwischen Cola, Fanta und Schorle. Heute ist der Getränkemarkt bunter und vielfältiger denn je: Unzählige Eistees, Energy-Drinks, Functional Drinks und aromatisierte Mineralwässer buhlen um die Aufmerksamkeit der Verbraucher.
Deutsche Start-ups bringen immer wieder kreative Innovationen auf den Markt, gleichzeitig erobern Trendgetränke aus Fernost oder den USA die Regale. Trotz dieser wachsenden Konkurrenz stehen die traditionsreichen Hersteller aus der Region – Alwa aus Sersheim und Ensinger aus Vaihingen-Ensingen – weiterhin solide da. Eine Erklärung in vier Punkten.
1. Dem Bier den Rang abgelaufen
Wer den Erfolg der Mineralbrunnen verstehen will, muss beim Bier anfangen. Über Jahrzehnte galt Deutschland als Bierland, mit einem Konsumrekord von 151 Litern pro Kopf im Jahr Mitte der 1970er-Jahre. Seitdem sinkt der Bierverbrauch jedoch stetig – während Mineralwasser im gleichen Zeitraum einen Siegeszug antrat. Heute trinken die Deutschen im Schnitt 126 Liter Mineralwasser, aber nur noch 88 Liter Bier. Konkret bedeutet das am Beispiel Ensinger: Der Absatz in abgefüllten Litern hat sich seit Anfang der 1990er-Jahre fast verdreifacht.
Der Trend markiert nicht nur eine Verschiebung in den Konsumgewohnheiten, sondern steht für einen gesellschaftlichen Wandel, von dem Mineralwassermarken wie Alwa und Ensinger profitieren.
„Das Streben nach einem gesunden, aktiven Lifestyle und einer bewussten Ernährung sind anhaltende Trends bei jüngeren, aber auch älteren Konsumenten“, sagt Maik Hünefeld vom Verband Deutscher Mineralbrunnen. Und daran wird sich aus Sicht des Branchenverbands so schnell nichts ändern: „Mineralwasser ist fester Bestandteil der deutschen Trinkkultur und kein kurzfristiger Trend.“
2. Neue Player auf dem Markt – kein Problem
Wer durch die Supermarktregale geht, sieht eine bunte Flut neuer Getränke: Rapper-Eistees, Energy-Drinks, Infused Water. Angesichts dieser Vielfalt überrascht es, dass die Verantwortlichen von Ensinger und Alwa gelassen auf die Frage nach dem gestiegenen Konkurrenzdruck reagieren. Offensichtlich sehen sie darin keine große Gefahr.
Die Getränketrends würden das Geschäft von Ensinger kaum tangieren, sagt Johannes Fritz, Vertriebsleiter von Ensinger: „Aktuell lässt es der Wohlstand zu, dass es viele kleine Märkte mit verschiedenen Marketingmöglichkeiten gibt.“ Die Präsenz solcher Produkte sei häufig digital und laut – die Absatzmengen aber überschaubar.
Johannes Fritz ist Nachfahre des Ensinger-Gründers Wilhelm Fritz. Foto: Ensinger Mineral-Heilquellen
Die Botschaft: Gerade die vielbeworbenen funktionalen Gesundheitsdrinks verändern an der Position von Mineralwasser wenig. „Mineralwasser war schon immer funktional“, so Fritz. Ensinger werde jedenfalls nicht jedem Trend hinterherrennen – „wir wissen, was wir können“.
Auch Alwa sieht in der wachsenden Produktvielfalt keine Gefahr, sondern eine Chance. Neue Getränkeideen kämen oft von reinen Marketingfirmen, die die Herstellung an große Mineralbrunnen vergeben, erklärt Alwas geschäftsführende Gesellschafterin Denise Kaufmann. Konkret heißt das: Alwa füllt unter anderem für fritz kola und Thomas Henry ab und verdient am audifferenzierten Getränkemarkt sogar mit.
Denise Kaufmann leitet Alwa in Sersheim. Foto: Alwa Mineralbrunnen
3. Mineralbrunnen sind innovativ
Zwar reagieren die Mineralbrunnen nicht auf jeden neuen, teils kurzlebigen Trend – doch Stillstand herrscht deswegen nicht. In der Vergangenheit haben die regionalen Hersteller immer wieder Innovationsbereitschaft gezeigt.
Ensinger zählte schon in den 1990er-Jahren zu den ersten, die Apfelschorle in Flaschen abfüllten, später folgten isotonische Getränke und eigene Limonaden. Erst vergangenes Jahr wagte sich das Unternehmen mit einer Traubenschorle in der Dose in ein neues Segment – ein Novum in der Firmengeschichte.
Alwa bedient derweil den Trend zu zuckerfreien Getränken und hat vier Limos als „Zero“-Variante im Angebot. Zudem brachte das Unternehmen aus Sersheim im Mai vier neue Sorten im sogenannten Premium-Limonadenbereich heraus.
4. Regionalität und Mittelstand
Anders als in vielen anderen Ländern, wo wenige Großkonzerne den Markt dominieren, ist die deutsche Getränkelandschaft von rund 200, meist mittelständischen Betrieben geprägt – viele davon in Familienhand. Ihre Stärke liegt im klar abgegrenzten Absatzgebiet, in dem sie hohe Bekanntheit und großes Vertrauen genießen.
So kommt man im Kreis Ludwigsburg oder allgemein in Baden-Württemberg kaum an den Marken Alwa und Ensinger vorbei. Beide setzen gezielt auf regionale Bindung – und das nicht nur über ihre Produkte. Ensinger zeigt Flagge im Sportmarketing: vom Basketball bei den MHP Riesen Ludwigsburg über den Handball in Stuttgart bis hin zum Sponsoring auf Kreisligaplätzen. Alwa wiederum verknüpft die Marke über die „Mission Glückszeit“ emotional mit der Region: Mit jeder verkauften Flasche unterstützt das Unternehmen Projekte aus Sport, Kunst, Kultur und Bildung.
Die enge regionale Verankerung wirkt damit wie ein doppelter Vorteil: Sie sorgt für Markenloyalität und spart gleichzeitig Ressourcen, da sich die Unternehmen nicht mit bundesweiten Marketingkampagnen verzetteln müssen. Gerade in einem Markt, in dem internationale Trendgetränke schnell kommen und gehen, erweist sich diese Fokussierung als stabiler Gegenpol.
Probleme der Branche
Schwierigkeiten Im Jahr 2024 haben die Mineralbrunnen in Deutschland rund 9,9 Milliarden Liter Mineral- und Heilwasser abgesetzt, ein Plus von rund 2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch in diesem Jahr scheint es einen steigenden Absatz zu geben. Dennoch haben auch die Mineralbrunnen die gestiegenen Kosten für Energie, Rohstoffe und Dienstleistungen zu spüren bekommen. Die Lage in Deutschland für mittelständische Unternehmen sei insgesamt herausfordernd, sagt Maik Hünefeld vom Verband Deutscher Mineralbrunnen.
Discounter Nicht jeder Mineralbrunnen steht so solide da wie Alwa und Ensinger. Einige kleinere Anbieter mussten in den vergangenen Jahren aufgeben – vor allem wegen eines Problems. Der Wettbewerbsdruck durch günstige Discount-Mineralwasser oder Eigenmarken von Rewe, Edeka und Co., erhöht den Druck auf die klassischen Mineralbrunnen.