Rechte Kapitalismuskritik hat in Deutschland keine Tradition; genauer gesagt: sie ist verschüttet. Das Bild vom Nationalsozialismus ist geprägt von Hitlers Gewaltherrschaft, nicht von der Ideologie. In der Frühphase der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) gab es jedoch eine starke linke Strömung, die es anders als Hitler, der die Nähe zum Kapital suchte (und fand), ernst meinte mit den traditionell linken Vokabeln Sozialismus und Arbeiterpartei. Das schlug sich im wirtschaftspolitischen Teil des Parteiprogramms von 1925 nieder. Die Forderungen reichten von der „Brechung der Zinsknechtschaft“ über die Einziehung der Kriegsgewinne und die Verstaatlichung der Trusts bis zur Kommunalisierung von Großwarenhäusern mit anschließender Vermietung an kleine Gewerbetreibende. Weitere Programmpunkte waren die Gewinnbeteiligung an Großbetrieben, eine Bodenreform mit der Möglichkeit einer entschädigungslosen Enteignung und die Todesstrafe für „Wucherer und Schieber“.

 

Die Parole von der „Brechung der Zinsknechtschaft“ ging auf den Nazi-Wirtschaftstheoretiker Gottfried Feder zurück, der damit 1919 die Verstaatlichung der Banken und die Abschaffung des Zinses gefordert hatte. Er traf auch die Unterscheidung zwischen einem schaffenden Kapital (Industrie und Handwerk) und einem raffenden Kapital (Handel und Banken). Nach seinem Verständnis bedeutete schaffendes Kapital Arbeit und diente dem Volk, wohingegen raffendes Kapital – eng verknüpft mit den Juden – arbeitsloses Einkommen bedeutete, von dem Einzelne profitierten. Die Frontstellung bestand also nicht wie bei Marx zwischen Kapital und Arbeit, sondern zwischen deutschen Arbeitern und Unternehmern auf der einen und ausländischen (im Zweifel jüdischen) Akteuren, die ein arbeitsloses Einkommen beziehen konnten, auf der anderen Seite.

Die Kapitalismuskritiker verlieren an Einfluss

Gleich nach seiner Entlassung aus der Haft in Landsberg Ende 1924 begann Hitler den Einfluss der Kapitalismuskritiker, zu deren Wortführern die Brüder Otto und Gregor Strasser gehörten, stärker zurückzudrängen, so dass das Parteiprogramm zwar 1925 beschlossen wurde, aber ohne Bedeutung blieb. 1930 trat eine ganze Gruppe mit Otto Strasser an der Spitze aus der Partei aus; Gregor Strasser blieb in der NSDAP. Unter der Überschrift „Die Sozialisten verlassen die NSDAP“ gab die Gruppe dann eine Erklärung zu ihrem Selbstverständnis ab, wonach der Nationalsozialismus „jenes System der Herrschaft des Geldes über die Arbeit bricht“. Gregor Strasser und seine Gefolgsleute distanzierten sich vom bürgerlichen Kapitalismus ebenso wie vom marxistischen Sozialismus; im Kapitalismus fehlte ihnen das Gemeinwohlinteresse, im Sozialismus der Bezug zur Nation.

Hitler näherte sich in der Folgezeit der Wirtschaft immer weiter an, weil er sie für die Aufrüstung in der Vorbereitung des Kriegs brauchte. Antikapitalismus war fortan nur noch gefragt, wenn er sich gegen jüdische Unternehmer richten ließ. Die Kapitalismuskritiker verloren zunehmend an Einfluss, bis Hitler schließlich seine innerparteilichen Widersacher mit Gewalt ganz ausschaltete. Noch verbliebene führende Repräsentanten wie Gregor Strasser und SA-Führer Ernst Röhm wurden Mitte 1934 umgebracht.

Schon lange versuchen Vertreter des rechtsradikalen Spektrums – allen voran die NPD – an die gedanklichen Vorläufer anzuknüpfen. Ziel ist der Schulterschluss mit den Linken, die Bildung einer sogenannten Querfront, die von den Umworbenen freilich abgelehnt wird und nur bei Einzelnen auf Interesse stößt. Schon für den 1. Mai 2004 hat zum Beispiel die NPD mit dem damaligen Parteivorsitzenden Udo Voigt zusammen mit sogenannten freien Nationalisten in Berlin zu einem Marsch der nationalen Einheit aufgerufen. Das Motto: „Volksgemeinschaft statt Globalisierungswahn! Arbeit für Millionen statt Profite für Millionäre!“ Die (damalige) Gegenwart beschrieben die Organisatoren unter anderem mit Globalisierung, Massenarbeitslosigkeit und spätkapitalistischem Zerfall der Sozialsysteme – sowie „Verausländerung“. Zur Wehr hätte sich aus Sicht von NPD & Co. eine Gruppe setzen sollen, in der „sozialrevolutionäre, wertkonservative und volkstreue Deutsche allesamt ihren Platz haben“. Die Rechten sind freilich unter sich geblieben.

Kapitalismuskritik bei den Rechtsradikalen

Rechte Kapitalismuskritik hat in Deutschland keine Tradition; genauer gesagt: sie ist verschüttet. Das Bild vom Nationalsozialismus ist geprägt von Hitlers Gewaltherrschaft, nicht von der Ideologie. In der Frühphase der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) gab es jedoch eine starke linke Strömung, die es anders als Hitler, der die Nähe zum Kapital suchte (und fand), ernst meinte mit den traditionell linken Vokabeln Sozialismus und Arbeiterpartei. Das schlug sich im wirtschaftspolitischen Teil des Parteiprogramms von 1925 nieder. Die Forderungen reichten von der „Brechung der Zinsknechtschaft“ über die Einziehung der Kriegsgewinne und die Verstaatlichung der Trusts bis zur Kommunalisierung von Großwarenhäusern mit anschließender Vermietung an kleine Gewerbetreibende. Weitere Programmpunkte waren die Gewinnbeteiligung an Großbetrieben, eine Bodenreform mit der Möglichkeit einer entschädigungslosen Enteignung und die Todesstrafe für „Wucherer und Schieber“.

Die Parole von der „Brechung der Zinsknechtschaft“ ging auf den Nazi-Wirtschaftstheoretiker Gottfried Feder zurück, der damit 1919 die Verstaatlichung der Banken und die Abschaffung des Zinses gefordert hatte. Er traf auch die Unterscheidung zwischen einem schaffenden Kapital (Industrie und Handwerk) und einem raffenden Kapital (Handel und Banken). Nach seinem Verständnis bedeutete schaffendes Kapital Arbeit und diente dem Volk, wohingegen raffendes Kapital – eng verknüpft mit den Juden – arbeitsloses Einkommen bedeutete, von dem Einzelne profitierten. Die Frontstellung bestand also nicht wie bei Marx zwischen Kapital und Arbeit, sondern zwischen deutschen Arbeitern und Unternehmern auf der einen und ausländischen (im Zweifel jüdischen) Akteuren, die ein arbeitsloses Einkommen beziehen konnten, auf der anderen Seite.

Die Kapitalismuskritiker verlieren an Einfluss

Gleich nach seiner Entlassung aus der Haft in Landsberg Ende 1924 begann Hitler den Einfluss der Kapitalismuskritiker, zu deren Wortführern die Brüder Otto und Gregor Strasser gehörten, stärker zurückzudrängen, so dass das Parteiprogramm zwar 1925 beschlossen wurde, aber ohne Bedeutung blieb. 1930 trat eine ganze Gruppe mit Otto Strasser an der Spitze aus der Partei aus; Gregor Strasser blieb in der NSDAP. Unter der Überschrift „Die Sozialisten verlassen die NSDAP“ gab die Gruppe dann eine Erklärung zu ihrem Selbstverständnis ab, wonach der Nationalsozialismus „jenes System der Herrschaft des Geldes über die Arbeit bricht“. Gregor Strasser und seine Gefolgsleute distanzierten sich vom bürgerlichen Kapitalismus ebenso wie vom marxistischen Sozialismus; im Kapitalismus fehlte ihnen das Gemeinwohlinteresse, im Sozialismus der Bezug zur Nation.

Hitler näherte sich in der Folgezeit der Wirtschaft immer weiter an, weil er sie für die Aufrüstung in der Vorbereitung des Kriegs brauchte. Antikapitalismus war fortan nur noch gefragt, wenn er sich gegen jüdische Unternehmer richten ließ. Die Kapitalismuskritiker verloren zunehmend an Einfluss, bis Hitler schließlich seine innerparteilichen Widersacher mit Gewalt ganz ausschaltete. Noch verbliebene führende Repräsentanten wie Gregor Strasser und SA-Führer Ernst Röhm wurden Mitte 1934 umgebracht.

Schon lange versuchen Vertreter des rechtsradikalen Spektrums – allen voran die NPD – an die gedanklichen Vorläufer anzuknüpfen. Ziel ist der Schulterschluss mit den Linken, die Bildung einer sogenannten Querfront, die von den Umworbenen freilich abgelehnt wird und nur bei Einzelnen auf Interesse stößt. Schon für den 1. Mai 2004 hat zum Beispiel die NPD mit dem damaligen Parteivorsitzenden Udo Voigt zusammen mit sogenannten freien Nationalisten in Berlin zu einem Marsch der nationalen Einheit aufgerufen. Das Motto: „Volksgemeinschaft statt Globalisierungswahn! Arbeit für Millionen statt Profite für Millionäre!“ Die (damalige) Gegenwart beschrieben die Organisatoren unter anderem mit Globalisierung, Massenarbeitslosigkeit und spätkapitalistischem Zerfall der Sozialsysteme – sowie „Verausländerung“. Zur Wehr hätte sich aus Sicht von NPD & Co. eine Gruppe setzen sollen, in der „sozialrevolutionäre, wertkonservative und volkstreue Deutsche allesamt ihren Platz haben“. Die Rechten sind freilich unter sich geblieben.

Die Verlierer der Globalisierung

Nicht viel anders klingt es heute, wenn es in einem Aufruf heißt: „Antifa, Pegida, Mahnwache, Linke, Rechte, marschiert zusammen. [. . .] Ihr habt jetzt nur eine Bürgerpflicht: Denen da oben eine Grenze aufzuzeigen. Die brauchen einen Dämpfer und müssen mal wieder spüren, dass es Grenzen gibt.“ Jupp Legrand, Geschäftsführer der gewerkschaftlichen Otto-Brenner-Stiftung, hat das im Vorwort zu der Studie „Querfront“ als den Versuch beschrieben, mit einfach gestrickten Positionen ganz klare Fronten zu markieren, um zu einer Rechts-Links-Allianz zu kommen: das Volk gegen die Eliten, die Wahrheit gegen die Lügenpresse, für die Nation und gegen die EU, gegen die USA und für Putins Russland.

Den politischen Schulterschluss zwischen Rechts und Links gibt es zwar nicht, aber viele Menschen erweisen sich als keineswegs immun. So hat die AfD bei den Landtagswahlen 2016 in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern in den Gruppen der Arbeiter und der Arbeitslosen, die früher als sichere Bank für die SPD und die Linkspartei galten, die Mehrheit geholt – bei Bürgern, die sich nicht nur als Verlierer der Globalisierung fühlen, sondern es zumindest teilweise tatsächlich sind.

Von Klassenfragen abgewandt

Der häufig sehr schlecht gemanagte Prozess der Globalisierung lässt viele auf Distanz gehen, überall auf der Welt werden die nationalistischen Töne lauter. Bedroht wird dadurch auch der Nutzen, den die Globalisierung abseits von wirtschaftlichen Erwägungen stiftet. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat die Vorzüge der Globalisierung einmal so beschrieben: „Sie bewertet Menschen nicht nach Hautfarbe, Religion oder Nation. Sie baut keine Mauern und Eisernen Vorhänge. Sie öffnet Grenzen … und erweitert die Freizügigkeit und das Wissen der Menschheit.“

Dass es gegenwärtig aber trotzdem wieder stärker um diese Merkmale geht, ist nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Claus Leggewie auch durch ein Versäumnis in der gesellschaftlichen Debatte zu begründen, die sich von Klassenfragen abgewandt und Fragen der kulturellen Identität zugewandt habe – Fragen der Hautfarbe, des Geschlechts, der sexuellen Orientierung und des Glaubens. Leggewie, Leiter des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen, hat in einem Interview daran erinnert, dass in den USA schon in den 90er Jahren vor einem „Identitätszirkus“ im akademisch-amerikanischen Milieu und der damit verbundenen politischen Korrektheit gewarnt wurde. „Das fällt uns jetzt auf die Füße.“ Leggewies Empfehlung lautet deshalb: „Ein bisschen mehr Klassenkampf wäre jetzt gut.“