Um wettbewerbsfähig zu bleiben, soll eine Beratungsstelle für Unternehmen eingerichtet werden. Aber auch sonst gibt es Nacholbedarf am wirtschaftsstarken Standort.

Böblimngen - Selbst im wirtschaftsstarken Kreis Böblingen gibt es in puncto Wirtschaftsförderung einen hohen Handlungsbedarf. Darüber sind sich zahlreiche Mitglieder im Kreistag, Firmenchefs, die Industrie- und Handelskammer (IHK) Böblingen und nicht zuletzt Sascha Meßmer einig, der Wirtschaftsförderer des Landkreises. Er ist seit September des vorigen Jahres im Amt und hat die Schwachstellen im Visier. „Aus unserer Stärke ergeben sich zwangsläufig auch Nachteile gegenüber anderen Standorten“, sagt der 37-Jährige.

 

Mangel an geeigneten Gewerbeflächen

Meßmer nennt als Beispiel das Fehlen geeigneter Gewerbeflächen, den enormen Fachkräftemangel sowie die rückläufige Zahl der Firmenneugründungen. Zudem müsse man auf dem Gebiet der Digitalisierung richtig Gas geben, sagt Meßmer. Deshalb ist am Herman-Hollerith-Zentrum (HHZ) in Böblingen ein Zentrum für Digitalisierung geplant. Labore, in denen neue Geschäftsmodelle und digitale Konzepte für Arbeitsabläufe entwickelt werden, gibt es dort schon. Einen großen Bedarf habe etwa der Einzelhandel, der sich teilweise völlig neu aufstellen müsse, so Meßmer.

Der Wirtschaftsförderer nennt ein Beispiel: „Wenn sich jemand einen Kaffeeautomaten kaufen möchte, geht er kaum noch in ein kleines Elektrogeschäft. Er geht meistens in einen großen Elektrofachmarkt oder bestellt das Gerät gleich im Internet.“ Viele Händler müssten sich auf das Online-Geschäft erst noch einstellen und sich neue Verkaufsstrategien überlegen. Die neue Anlauf- und Beratungsstelle am HHZ soll kleinen und mittleren Unternehmen in der Region Stuttgart helfen, in der digitalen Welt zurechtzukommen.

Kreis unterstützt das Zentrum für Digitalisierung

Meßmer bereitet derzeit mit dem HHZ einen Förderantrag für ein Landesprogramm vor, das regionale Digitalisierungszentren unterstützt. Der maximale Zuschuss beträgt 1,1 Millionen Euro. Sollte der Förderrahmen ausgeschöpft werden, müssen die Projektpartner denselben Betrag aufbringen. Der Kreis geht davon aus, dass er anteilige Personalkosten zu tragen hat und plant deshalb im Jahr 2019 und 2020 jeweils 80 000 Euro ein. Laut Meßmer soll es in dem Zentrum einen Geschäftsführer und sechs weitere Mitarbeiter geben. Eine Stelle davon soll das Softwarezentrum bezahlen und eine der Landkreis. Darüber werde aber noch in einer der nächsten Kreistagssitzungen gesprochen.

Flankiert werden soll die neue Einrichtung durch eine flächendeckende Versorgung mit leistungsfähigen Glasfaserkabeln. Dies sei besonders wichtig im Hinblick auf neue Gewerbeflächen, sagt Marion Oker, die Geschäftsführerin der IHK Bezirkskammer Böblingen. Der Kreis möchte den Ausbau im nächsten und übernächsten Jahr mit 1,5 Millionen Euro fördern. Meßmer ist deshalb im Gespräch mit jenen Kommunen, in denen es Nachholbedarf gibt. Um das Vorhaben zu koordinieren, hat der Kreis eine Mitarbeiterin eingestellt.

Schnelles Internet

Schnelle Internetverbindungen sind auch wichtig für Firmenneugründungen. Laut einer Prognos-Studie, wonach der Kreis Böblingen auf Rang vier unter den wirtschaftsstarken Kreisen in Deutschland rangiert, gab es zuletzt binnen drei Jahren 20 Prozent weniger Start-up-Unternehmen im Landkreis. „Bei uns haben viele sichere Arbeitsplätze. Man geht immer weniger gerne das Risiko ein, sich selbstständig zu machen“, erklärt Meßmer. Zudem binden die Firmen angesichts des Fachkräftemangels ihr qualifiziertes Personal durch gut dotierte Verträge an sich. Das Fehlen qualifizierter Arbeitskräfte ist laut der IHK besonders für kleinere und mittlere Firmen zu einem großen Problem geworden.

Ein Hemmschuh für das Wachstum ist überdies das geringe Angebot an freien Gewerbeflächen. Gehe man von einer gleichbleibenden Nachfrage aus, sei das Angebot in der Region in einem Jahr erschöpft – wenn nicht neue Ansiedlungsmöglichkeiten geschaffen werden, sagt Meßmer.

Die Wirtschaftsförderung des Landkreises

Personal:
Neben dem Geschäftsführer Sascha Meßmer, der in Vollzeit tätig ist, gibt es in der Abteilung Wirtschaftsförderung eine Kraft mit einer 25-Prozent-Stelle für die Digitalisierung. Das Sekretariat ist mit einer 30-Prozent-Stelle ausgestattet.

Finanzierung
: Der Kreis, die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart und die Kreissparkasse Böblingen tragen die Kosten zu je einem Drittel. Der Kreis hat zur Finanzierung jährlich 110 000 Euro im Haushalt eingeplant.

Aufgabe
: Die Wirtschaftsförderung soll in enger Abstimmung mit den Kommunen die Firmen bei der Suche nach Gewerbeflächen unterstützen. Sie ist mit der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart vernetzt und organisiert Veranstaltungen wie ein Investorenforum. Zudem gestaltet sie eine Gründer- und eine Berufsorientierungsplattform. Es gibt ein Unternehmerfrühstück, um die Kontakte zu verbessern. Zudem führt Meßmer Start-up-Veranstaltungen durch, nimmt an Messen teil, macht Firmenbesuche und vermittelt im Rahmen der Schulferien-Firmentage Praktika für Schüler.

Anfragen
: In diesem Jahr haben sich elf Firmen an die Wirtschaftsförderung gewandt, die eine Gewerbefläche suchen (2016 waren es acht, 2015 vier). Zudem gab es vier Interessenten für eine Firmengründung. Mit ihnen wurden Coachinggespräche geführt.