Die Gästeliste der Wirtschaftsgespräche lesen sich wie ein Who-is-Who der regionalen Prominenz. Der Osiander-Chef Heinrich Riethmüller zeigt bei den Wirtschaftsgesprächen Perspektiven auf.

Rems-Murr: Phillip Weingand (wei)

Backnang - Ein Hauch von Hollywood wehte am Dienstagabend über der Oberen Spinnerei in Backnang: Die Abendsonne spiegelte sich in den Sektgläsern, die High-Heels der Damen klackerten mit Fotokameras um die Wette. Diejenigen, die in der Region Stuttgart wichtig sind oder es werden wollen, stellten sich in die Schlange vor dem Eingang, um eines der Namensschildchen zu erhalten. Der Backnanger Oberbürgermeister Frank Nopper, der Gewerbe- und der Industrieverein für den Raum Backnang hatten gerufen, rund 800 Gäste waren gekommen.

 

In den Helikoptern, die ab und zu über den Köpfen flogen, saßen zwar keine Paparazzi – ganz so mondän ist die Murrmetropole dann doch nicht. Aber die Gästeliste der Wirtschaftsgespräche, die 2003 als Werbeveranstaltung für das Gewerbegebiet Lerchenäcker begannen, las sich wie ein Who-is-Who der regionalen Prominenz. Neben dem Staatssekretär Christian Lange, den Landtagsabgeordneten Gernot Gruber und Willi Halder sowie Bürgermeistern aus den umliegenden Städten und Gemeinden waren unter anderem der Tesat-Spacecom-Vorstandsvorsitzende Andreas Hammer und der Kärcher-Chef Hartmut Jenner gekommen. Aus Aspach kam der Hotelier und Andrea-Berg-Ehemann Uli Ferber, für die Sicherheit sorgte unter anderem der Präsident des Landeskriminalamts, Ralf Michelfelder aus Backnang. Für OB Nopper sind die Wirtschaftsgespräche nicht mehr wegzudenken: „Sie sind ein wichtiges Ereignis für den ganzen Altkreis – die Gäste schätzen sie als politische, geschäftliche und als gesellschaftliche Veranstaltung“, sagte er.

Kompetenz und Aufenthaltsqualität als Chance für Händler

Hauptredner des Abends war Heinrich Riethmüller, Chef von Osiander, der ältesten und größten Buchhandlung Baden-Württembergs. Frank Nopper fand gleich einen örtlichen Bezug: Dass Backnang nicht auch als Buchmetropole firmiere, sei „schier grenzenloser Bescheidenheit“ geschuldet, erklärte der OB. Grund dazu hätte man aber: Immerhin sei die erste Stadtbibliothek in Backnang im Jahr 1908 eröffnet worden – Winnenden folgte 1937, Waiblingen erst im Jahr 1949. „Dies erklärt den immer wieder spürbaren zivilisatorischen Rückstand im Rems-Murr-Kreis gegenüber der Murr-Metropole“, sagte Nopper.

Viele im Publikum lauschten Heinrich Riethmüllers Rede aufmerksam, denn vom digitalen Wandel, den er thematisch beleuchtete, sind so gut wie alle Branchen betroffen. Einer der größten Einschnitte für den Buchhandel war die Gründung des Online-Versands Amazon. „Man braucht als Leser eigentlich nichts anderes als Amazon, um glücklich zu sein“, gab Riethmüller zu. Dennoch sei Osiander entgegen des Markttrends in den vergangenen Jahren gewachsen. Das Geheimnis sieht der Chef unter anderem darin, immer innovativ geblieben zu sein. Sein Vater etwa habe als erster Buchhandlungen mit Selbstbedienung eingeführt.

Klassische Ladengeschäfte müssten das Einkaufen zum Erlebnis machen, Aufenthaltsqualität bieten und Kunden mit Freundlichkeit und Kompetenz überzeugen. Das gelte auch außerhalb der Buchbranche: „Ich verstehe zum Beispiel nicht, warum sich der Schuhhandel nicht gegen Online-Großhändler organisiert“, sagte Riethmüller. „Man könnte doch auch sagen, wenn ein Schuh nicht in der richtigen Größe auf Lager ist, wird er dem Kunden portofrei zugeschickt.“ In der Digitalisierung sieht Riethmüller eben auch eine Chance – zumindest, wenn die Händler die neuen Vertriebswege, die sie biete, auch für sich entdeckten.