In Kuba fehlt es wieder am Notwendigsten, Lebensmittel sind knapp. Ein alter Revolutionsheld rät den Menschen, Krokodile und Nagetiere zu essen.

Korrespondenten: Klaus Ehringfeld (ehr)

Havanna - Der Hashtag #LaColaChallenge ist derzeit auf Kuba sehr populär. Die Verbreitung des mobilen Internets auf der Insel macht es möglich, dass die Menschen ihrem Unmut über lange Schlangen und fehlende Lebensmittel über den Kurznachrichtendienst Twitter Luft machen. „Die Herausforderung der Schlange“ heißt dieser Hashtag übersetzt, den der junge Kubaner Norges Rodríguezvor einiger Zeit erfunden hat und über den nun ganz Kuba sehen kann, wie prekär die Versorgungslage auf dem letzten kommunistischen Vorposten der westlichen Welt ist. 

 

 Hähnchenfleisch, Reis, Öl, Eier, Waschmittel und Zahnpasta hat Handelsministerin Betsy Díaz jetzt auf die Liste der rationierten Güter gesetzt. Sie können nur in begrenzten Mengen gekauft oder über die Lebensmittelkarte, „Libreta“ genannt, bezogen werden. Es hat einen Hauch der 1990-er-Jahre, als die Insel nach dem Ende der Sowjetunion in eine tiefe Wirtschaftskrise fiel, die euphemistisch „Spezialperiode“ genannt wurde. Schon seit Wochen stellt die kubanische Führung die Bevölkerung darauf ein, dass wieder harte Zeiten anstehen. Eine neue „Spezialperiode“ stehe bevor. Nun ist sie anscheinend gekommen.

Das Geld für Lebensmittelimporte fehlt

 Schon länger leidet Kuba unter Devisenknappheit, niedrigem Wirtschaftswachstum und der Krise beim engsten Verbündeten Venezuela. Und inzwischen sind einfach die rund 1,6 Milliarden Dollar nicht mehr da, die Kuba jedes Jahr braucht, um die notwendigen Lebensmittel zu importieren. Bis zu 80 Prozent der Nahrungsmittel und Dinge des täglichen Bedarfs muss die Regierung im Ausland für harte Devisen einkaufen.  Präsident Miguel Díaz-Canel macht das US-Embargo und die neuen Strafmaßnahmen der Regierung von US-Präsident Donald Trump gegen sein Land für die Verschärfung der Krise verantwortlich. „Wir wissen, dass es schwere Zeiten sind“, sagte der Staatschef bei einem Auftritt in der Provinz Granma im Osten Kubas in der vergangenen Woche. „Wir haben Versorgungs-, Finanzierungs- und andere Probleme, die von den neuen Embargo-Maßnahmen der USA herrühren.“  

Es ist ein alter Reflex auf der Insel, die Blockadepolitik des Nachbarn für alle wirtschaftlichen Probleme verantwortlich zu machen, der ja auch seinen wahren Kern hat. Mitte April hatte Washington Reisen von US-Bürgern nach Kuba wieder auf Verwandtenbesuche beschränkt. Für Geldtransfers sind künftig pro Person und Jahr nur noch 4000 Dollar erlaubt. Damit sind so gut wie alle Lockerungen aus der Zeit von Präsident Barack Obama wieder zurückgenommen. Allerdings wiegen die eigene kubanische Misswirtschaft und die Krise beim großen Bruder Venezuela genauso schwer.  

Aus venezuela kommt kaum mehr Hilfe

Das einstmals riesige Handelsvolumen zwischen Kuba und Venezuela beläuft sich mittlerweile auf nur noch zwei Milliarden Dollar und macht lediglich noch zwölf Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Insel aus. Jahrelang schickte der Verbündete bis zu 115 000 Fass Öl pro Tag zum Vorzugspreis. Das nutzte die Führung in Havanna für Benzin- und Energieproduktion, und der Überschuss wurde teuer auf dem Weltmarkt weiterverkauft. Das venezolanische Öl war der Treibstoff, der die stets klamme kubanische Wirtschaft so gerade am Laufen hielt. Aber nun sendet Caracas kaum noch 50 000 Fass Rohöl, und Kuba kann davon nichts mehr weiterverkaufen. Die Kassen bleiben somit weitgehend leer.

 „Wenn die Regierung nicht schnell was unternimmt, wir die Situation noch komplizierter“, sagt Norges Rodríguez, der die Idee zu #LaColaChallenge hatte. „Auch wenn es der Regierung nicht gefällt, wir werden weiter in den Netzwerken über die Versorgungskrise berichten“. Dabei informieren sich die Kubaner über #LaColaChallengeauch untereinander darüber, wenn gerade mal irgendwo in Havanna ein knappes Produkt zu haben ist.

 Die alte Garde rät derweil zu ungewöhnlichen Maßnahmen gegen den Hunger: Guillermo García Frías, 91-jähriger Veteran der kubanischen Revolution, rief seine Landsleute dazu auf, doch verstärkt das zu konsumieren, was auf der Insel und rundherum ohnehin gedeiht: „Austern, Krokodile und kleine Nagetiere“. In den sozialen Netzwerken brach daraufhin ein Shitstorm über den Kommandanten der Revolution herein.