Wirtschaftsminister Altmaier steht unter Druck: Die Unternehmensverbände sind unzufrieden, die Konjunktur schwächt sich deutlich ab. Nun will er teure Pläne der großen Koalition stoppen, die der Wirtschaft schaden können. Damit riskiert er Krach mit der SPD.

Berlin - Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat gewusst, dass er auf die heftigen Angriffe seitens der Wirtschaft angesprochen wird. Also gab er sich bei der Vorstellung der neuen Konjunkturprognose am Mittwoch betont entspannt: Es sei „demokratische Normalität“, wenn über einen Minister eine „kritische öffentliche Debatte“ geführt werde, sagte Altmaier. „Ich fühle mich insgesamt von der Wirtschaft unterstützt.“

 

Die öffentlichen Stellungnahmen von Wirtschaftsverbänden zeichneten zuletzt allerdings ein ganz anderes Bild. Die an den Minister gerichteten Vorwürfe reichten von Konzeptlosigkeit über eine Vernachlässigung des Mittelstands bis hin zur Planwirtschaft in der Industriepolitik. Von manchen wurden die Attacken als Forderung gedeutet, Altmaier durch den in Teilen der CDU als Wirtschaftsexperte hoch verehrten Friedrich Merz zu ersetzen.

Die neue Prognose ist für Altmaier ein „Weckruf“

Die Präsentation der deutlich verschlechterten Frühjahrsprognose ließ erahnen, dass die Botschaft trotz aller zur Schau gestellten Gelassenheit bei Altmaier angekommen ist. „Die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland hat sich seit Mitte des vergangenen Jahres abgekühlt“, berichtete der Minister und sprach von einem „Weckruf“.

Zwar soll es in diesem Jahr noch ein Wachstum von einem halben Prozent geben, dies ist aber nur noch halb so viel wie noch zu Jahresbeginn erwartet und nach den Worten Altmaiers nicht genug für eine „moderne, leistungsfähige“ Volkswirtschaft. „Wir müssen deshalb darüber reden, wie wir dieses Wachstum über das normale Maß hinaus anregen und verstärken können.“

„Moratorium“ für manche Regierungsvorhaben

Klassische Konjunkturprogramme lehnte der Minister ab, diese seien allenfalls „Strohfeuer“. Er präsentierte einen Drei-Punkte-Plan, an dessen erster Stelle ein „Moratorium“ für Regierungsvorhaben steht, die „belastend“ für die Wirtschaft seien. Möglich sei etwa, Beschlüsse zu fassen, aber noch nicht umzusetzen. „Ich glaube, dass es wichtig wäre abzuwarten, bis die Wirtschaft wieder einen klaren Wachstumspfad erreicht hat“, sagte Altmaier.

Der Wirtschaftsminister hat dafür Vorhaben im Blick, über die er nach Ostern mit den betroffenen Kabinettskollegen sprechen will, konkrete Beispiele nannte er noch nicht. Der CDU-Minister kommt damit Forderungen aus der Union nach, angesichts der sich abschwächenden Konjunktur den Koalitionsvertrag einem Check auf Wirtschaftsfreundlichkeit zu unterziehen.

Krach in der Koalition droht

Erfreut wird kein Minister sein, wenn nach Ostern das Telefon klingelt und sich Altmaier meldet. Für heftige Spannungen in der großen Koalition dürfte das Vorhaben aber sorgen, wenn er etwa Projekte aus den SPD-geführten Ressorts für Arbeit und Soziales oder Umwelt stoppen will. Die Wirtschaftsverbände stoßen sich etwa an der geplanten Einschränkung sachgrundloser Befristungen.

Der Minister versprach der Wirtschaft zudem, sich über strukturelle Anreize und Entlastungen „bei Steuern, bei Abgaben und bei Bürokratie“ Gedanken zu machen. Altmaier kündigte einen baldigen Gesetzesentwurf zum Bürokratieabbau an. Dafür hat er den anderen Ministern eine Liste mit 27 Vorschlägen geschickt, die besonders Start-ups, mittelständischen Firmen und zudem deutschen Firmen helfen sollen, die harter Konkurrenz ausgesetzt sind.

„Die Politik darf keine weitere Zeit verlieren“

Altmaier hat sich bei Kritikern den Ruf erworben, von seinen Ankündigungen wenig umzusetzen. „Die Politik darf keine weitere Zeit verlieren“, mahnte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie Joachim Lang am Mittwoch. Er forderte von der Bundesregierung Investitionsanreize für Klimaschutz und eine „echte“ Steuerreform.

Auch Altmaier sieht Handlungsbedarf bei der Unternehmensbesteuerung, vor allem mit Blick auf Steuersenkungen in anderen Staaten wie den USA. Dafür gebe es Spielraum im Bundeshaushalt, sagte der Wirtschaftsminister. Das Bundesfinanzministerium von Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte jedoch umgehend, derzeit „keine generelle Notwendigkeit“ zu einer Unternehmenssteuerreform erkennen zu können.

Die FDP sieht die Koalition vor „schwerer Belastungsprobe“

Eine abnehmende Konjunktur bedeutet auch, dass der Staat weniger Steuergelder zur Verfügung hat. Für die große Koalition ist das nach Jahren der vollen Kassen eine neue Lage. Der Vizechef der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Theurer erwartet, dass damit eine „schwere Belastungsprobe“ auf das Regierungsbündnis zukommt. „Bisher konnten alle Probleme und Differenzen mit dem Geld der Steuerzahler verdeckt werden“, sagte Theurer unserer Zeitung. „Diese Strategie wird zukünftig nicht mehr funktionieren.“