Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Eine Fabrik an der anderen konnte am südlichen Oberrhein und im Schwarzwald schon aus verkehrstechnischen Gründen nicht stehen: Weder auf der Straße, noch auf der Schiene gibt es südlich von Karlsruhe eine schnelle und belastbare West-Ost-Magistrale, der Weg von Paris nach Budapest führt nicht über Freiburg. Transit verläuft hauptsächlich in Nord-Süd-Richtung und hat erst wieder am Rheinknie bei Basel und am Hochrhein einen industriellen Knoten geschnürt, der sich neuerdings aber lockert, denn die Chemie- und Pharmaindustrie wandert gerade nach Asien aus. Dorthin, wo die Textilindustrie schon längst gelandet ist. Und die Uhrenindustrie, die schon 1857 im badischen Schwarzwald 700 000 und im württembergischen Teil 45 000 Chronometer produziert hat. Immerhin zeigte sich, dass Strukturwandel möglich ist, feinmechanisches Knowhow und fleißiges Facharbeitertum haben in den Tälern „Fabrikle“ für Autoteile, darunter Marktführer, entstehen lassen. Im Südzipfel wieder oft dank starker Schweizer Franken. Geografie ist wichtig, aber nicht alles. Es hätte nach der Gründerzeit im 20. Jahrhundert eigentlich alles schön werden können, die Wettbewerbe genialer Tüftler und Pioniere wie Daimler oder Benz wären vielleicht anders ausgegangen, aber preußisch-imperiale Großmannssucht hat Baden zweimal ausgebremst: Schon der Erste Weltkrieg und vor allem seine Folgen nach dem Friedensvertrag von Versailles 1919 brachten den Oberrhein ins Hintertreffen. Das Elsass wurde wieder französisch und längs der Grenze durfte nichts mehr produziert werden, was militärisch und waffentechnisch verwendbar war. Dies reduzierte den Maschinenbau auf wenige Ausnahmen. Die demilitarisierte Zone bremste Badens industrielle Entwicklung praktisch bis zum erneuten Kriegsausbruch 1939 und mit Fernwirkung bis in die heutige Zeit.

 

Am Ende steht die wirtschaftliche Einheit in großer Vielfalt

Wenn es vor 60 Jahren vielleicht auch keine Liebesheirat war, zu bereuen braucht diese Eheschließung niemand mehr. Denn aus den unterschiedlichen Mitgiften entwickelte sich, im Ergebnis zum gegenseitigen Vorteil, eine von gleichen Traditionen getragene politische und wirtschaftliche Einheit in großer Vielfalt, vorzugsweise mittelständisch geprägt, widerstandsfähig und selbstbewusst. Eine Ehe, in der an Scheidung keiner auch nur denkt.