Der Betrieb läuft gut, aber ein Nachfolger ist nicht in Sicht. Das Thema kennen viele Unternehmen im Südwesten. Das Problem dürfte in den nächsten Jahren noch größer werden, sagen Experten.

Wirtschaftsverbände in Baden-Württemberg gehen davon aus, dass sich die Not bei der Suche nach einem Unternehmensnachfolger in den nächsten Jahren weiter verschärfen wird. Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) beobachtet „eine Zuspitzung des Problems Unternehmensnachfolge im Südwesten“, wie ein Sprecher mitteilte. Das Verhältnis von Übergabebereiten zu Übernahmewilligen habe einen historischen Tiefstand erreicht und liege jetzt bei fünf zu eins, teilte BWIHK-Präsident Christian Erbe mit Verweis auf eine Auswertung der Organisation mit. 

 

Der BWIHK bewerte es Erbe zufolge positiv, dass das Thema Unternehmensnachfolge in der Landespolitik vorangetrieben wird. Wichtig sei, dass die Nachfolgekampagne Übergebende und Übernehmende gleichermaßen berücksichtigt und Unternehmerinnen und Unternehmer ermutigt, „die Nachfolge frühzeitig anzugehen und potenziellen Gründerinnen und Gründern die Unternehmensnachfolge als gleichwertige wirtschaftliche Alternative zur Neugründung verdeutlicht“. Zudem wünsche er sich, dass das Förderprogramm „Coaching für kleine und mittlere Betriebe“ nicht nur diskutiert, sondern neu aufgelegt wird. 

„Stehen vor einer großen Herausforderung“

„Wir stehen vor einer großen Herausforderung“, teilte der Baden-Württembergische Handwerkstag (Handwerk BW) mit. Innerhalb der nächsten fünf Jahre suchten nach Schätzungen und Hochrechnungen des Verbands 23 000 Handwerksbetriebe eine geeignete Nachfolge. Dies verdeutliche den akuten Handlungsbedarf, da selbst wirtschaftlich kerngesunde Betriebe ohne klare Nachfolgeperspektive blieben. „Ein Bäcker, Maler oder Elektriker schließt nicht, weil die Kundschaft fehlt, sondern der Übernehmer“, teilte der Verband mit. 

Die Planung einer Unternehmensnachfolge sei ein Prozess, der weit vor der eigentlichen Übergabe beginnen müsse. „Wir halten deshalb ein landesweites Programm für notwendig, welches das Ziel hat, möglichst viele Betriebe erst einmal übergabefähig aufzustellen und beide Parteien – Verkäufer und Käufer – intensiver als bisher zu beraten und zu begleiten“, teilte Handwerk BW mit. 

Marketingkampagne werde nicht reichen

Die Landesregierung habe das Problem zwar erkannt, jedoch fehle es noch an konkreten Maßnahmen und Haushaltsmitteln. „Eine Marketingkampagne wird die Herausforderungen nicht meistern“, so Handwerk BW. 

Ziel der Landesregierung sei es, „dem aktuell großen Delta zwischen übergabereifen Unternehmen und Nachfolgenden entgegenzuwirken und zu vielen erfolgreichen Übergaben zu gelangen“, schrieb Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) in einer Antwort auf eine Anfrage von Grünen-Abgeordneten im Landtag. 

Das Ministerium stützt sich darin auf eine Schätzung des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn, wonach in Baden-Württemberg zwischen 2022 und 2026 rund 27 300 Betriebe zur Übergabe anstehen. Das Delta zwischen übergabereifen Unternehmen und potenziellen Nachfolgerinnen und Nachfolgern könne allerdings nicht genau beziffert werden, teilte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums auf Anfrage mit. Das Land biete nach Ministeriumsangaben neben Beratungsangeboten auch Unterstützung bei der Finanzierung und Bürgschaften. Zurzeit werde außerdem eine Informations-Webseite zur Unternehmensnachfolge aufgebaut.