Viele steuern das Ausflugslokal "Friedrichsruh" in Wangen nur im Sommer an. Dabei ist es im Winter genauso urig.

Lokales: Matthias Ring (mri)
Stuttgart - "Raus aus den Birkenstocks, rein in die Lederjacke!" So lautet das neue Motto eines alten Veteranen der Gastroszene, der unter anderem dreißig Jahre Rogers Kiste auf dem Buckel hat. Zuletzt war Atze Gericke für die Bewirtung im soziokulturellen Zentrum Merlin zuständig, nun hat er nach "sechs Jahren Seiltanz die Notbremse gezogen" und ist in die Friedrichsruh zurückgekehrt - obwohl es dank progressiver Rockkonzerte hier wie wegen alternativ-familiärer Atmosphäre dort auch in Birkenstocks und Lederjacke ginge.

Jedenfalls: trotz 25.000 Besuchern im Merlin pro Jahr lief es im Westen nie so richtig rund mit der Gastronomie. Die Leute kommen und gehen - hauptsächlich zu Veranstaltungen. Zur Friedrichsruh hingegen machen sich die Stammgäste aus dem Osten ziemlich gezielt auf den Weg.

Der Aufstieg auf die Wangener Höhe lohnt sich nicht nur im Sommer wegen des schönen Biergartens, der in unserer Bewertung einen Stern extra beim Ambiente liefert. Auch im Winter kann es zwischen all dem Holz im großen Schankraum zur Linken oder in den kleinen Nischen zur Rechten sehr gemütlich sein.

Nach vielen getrennten Jahren sind "Atze und Hotte" nun wieder gemeinsam zu Gange: der eine als Geschäftsführer, der andere als alter Eigentümer, der nach 19 Jahren keine Lust mehr hatte - aber auch Pech mit dem Pächter, der einige Monate Unruhe in der Friedrichsruh stiftete. Seit November schmeißt das neue alte Dreamteam Gericke und Eipper also den Laden gemeinsam, geändert hat sich noch nicht so viel. Vom "gemäßigten Relaunch" profitieren als Erstes die Toilettenbesucher. Gelegentlich wird es Kultur geben, jetzt schon ist einmal im Monat Kneipenquiz und sonntags Brunch.

Ehrliche Küche zu fairen Preisen


Aus dem Merlin hat Gericke nicht nur die Tische, sondern auch den Koch mitgebracht, der sich zwischen den Biergartenklassikern vorerst auf der wechselnden Wochenkarte austoben kann. Trotz der Höhenlage darf man natürlich weiterhin keine Haute Cuisine erwarten, aber eine ehrliche Küche zu fairen Preisen. Das Rumpsteak (12,40 Euro) ist zart, allerdings ungewollt auch ein bisschen blutig, die Bratkartoffeln und Speckbohnen sind herzhaft.

Das Pangasiusfilet (11,20 Euro) ist kross, das Asiagemüse hat eine angenehm runde Kokos-Curry-Note. Im Gegensatz zum Auftakt mit einem für 2,20 Euro enorm vielseitigen Beilagensalat schwächelt der Abschluss, weil die Apfelküchle (3,50 Euro) arg fettig sind und wir gerne auf den nicht deklarierten Schokoanteil in der Vanillesauce verzichtet hätten. Der probierte Rioja Crianza (4 Euro) ist anständig, das große Evian, das wir für zwei bestellt haben, kommt in einem 0,4-Liter-Glas (2 Euro).

Na ja, so geht's halt zu im Wirtshaus, so der neue Vorname, in dem man sich jetzt schon auf den Sommer freuen kann. Dann gibt es wieder dank des frischen Biers vom Fass Gschichten ausm Paulaner-Garten, wenn es heißt: raus aus dem Kesselmief, rauf auf die Wangener Höhe!

Wirtshaus Friedrichsruh In den Stubenweingärten 1, 70327 Stuttgart, Tel. 0711/464645, geöffnet derzeit täglich außer montags ab 18 Uhr, sonntags ab 10 Uhr. Raucherbereich.

http://www.wirtshaus-friedrichsruh.de »

DIE BEWERTUNG


Küche
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Service
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Ambiente
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* * * * * = herausragend, * * * * = überdurchschnittlich, * * * = gut, * * = Luft nach oben, * = viel zu verbessern

Die Beurteilung berücksichtigt auch das Preis-Leistungs-Verhältnis. Das günstige Lokal um die Ecke wird nach anderen Kriterien bewertet als ein Sternerestaurant. Der Test gibt Aufschluss über die Tagesform der Küche.