Zu jugoslawischen Zeiten genossen Serbiens Forschungsinstitute einen exzellenten Ruf. Nach langer Durststrecke bemüht sich der EU-Anwärter, sein Innovationspotenzial besser zu erschließen.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Vladimir Crnojevic blickt mit zufriedenem Lächeln auf die im Prinzip ziemlich unwirtliche Baustelle in Novi-Sad: In dem mithilfe von EU-Zuschüssen und Krediten der Europäischen Entwicklungsbank (EIB) finanzierten Glaspalast sollen die rund 120 Mitarbeiter des von ihm geleiteten Biosense-Instituts in Zukunft ihre Sensoren und Roboter für die effektivere Nutzung landwirtschaftlicher Flächen entwickeln.

 

Verkauf der Patente

„Wir sind eines der jüngsten, umsatzstärksten und erfolgreichsten Forschungsinstitute in Serbien“, berichtet der Institutsleiter Crnojevic. Ob bei der Entwicklung von Biosensoren für den effektiveren Dünger- und Wassereinsatz oder der Fertigung von Robotern zur Entnahme und Messung von Erdproben, „wir produzieren nichts, sondern entwickeln Technik – und verkaufen dafür die Patente“.

Nicht in allem exzellent

Informations- und Biotechnologie hat Serbiens Regierung zum Schwerpunkt der heimischen Forschungspolitik erklärt. Eine Spezialisierung, die laut Crnojevic durchaus Sinn macht: „Wir sind ein kleines Land – und können nicht in allem exzellent sein. Es ist besser, sich auf bestimmte Bereiche zu konzentrieren.“ Ob bei der Entwicklung von Impfstoffen, Flugsimulatoren, Robotern oder Waffensystemen – zu Zeiten des vor drei Jahrzehnten zerfallenen Jugoslawiens genossen die über 70 Forschungsinstitute in Serbien international einen ausgezeichneten Ruf. Damals seien „sehr viele Mittel“ in die Forschung investiert worden, weil es „als strategisch wichtig galt, technologisch Schritt zu halten“, berichtet Aleksandar Rodic, der Leiter des Zentrums für Robotik am Institut Mihajlo Pupin (IMP).

Zeit im Wandel

Doch die Zeiten haben sich geändert. Heute investiert Serbien mit 0,91 Prozent des Sozialprodukts vergleichsweise wenig in die Forschung (im Vergleich dazu sind es in Deutschland 3,1 Prozent und in Österreich 3,2 Prozent). Mit EU-Hilfen, Förderfonds und der Schaffung von Wissenschaftsparks für innovative Firmengründer müht sich der EU-Anwärter nach langer Durststrecke zwar, das eigene Innovationspotenzial besser zu nutzen, doch leicht ist es nicht, den Anschluss an die Vorreiter zu halten. In Europa dümpelt Serbien auf Rang 32 und weltweit auf Rang 55 des Innovationsindex.

Nach Belgrad abgewandert

Nur noch ein trister Schatten seiner selbst ist beispielsweise das Torlak-Institut für Virologie, das einst zu den führenden Impfstoffexporteuren der Welt zählte. Immerhin: Bei der Digitalisierung der Verwaltung hat das Schwellenland bemerkenswerte Fortschritte erzielt. Und mit der Ansiedlung von mehreren Hunderten, wegen des Ukraine-Kriegs von Moskau nach Belgrad abgewanderten IT-Betrieben mit Zehntausenden von Mitarbeitern hat der IT-Sektor des Balkanstaates eine enorme Blutauffrischung erfahren. Doch während selbst der kleinere EU-Nachbar Kroatien als Land mit dem Elektromotorpionier Rimac und dem IT-Giganten Infobip über zu sogenannten Einhörnern ausgewachsene Start-ups im Milliardenwert verfügt, werden hoffnungsvolle Firmengründungen in Serbien häufig schon in einem frühen Stadium von der Konkurrenz geschluckt.

Wo der Arm nicht hinlangt

Trotz knapper Kassen und des Daueraderlasses junger Fachkräfte ist einigen Forschungsinstituten der Sprung in die neue Zeit indes erstaunlich gut geglückt. Zwölf Kabelstränge lassen den Roboterrüssel im Zentrum für Robotik in alle Richtungen bewegen. „Der Rüssel kommt dort zum Einsatz, wo der Arm nicht hingelangt“, erläutert Zentrumsleiter Rodic den Sinn des mechanischen Helfers. Maßgeschneiderte Lösungen für kleinere und mittlere Betriebe seien eine der Spezialitäten des Instituts, sagt Rodic. Aber oft würden heimische Firmen dann doch lieber auf die Sofortlösung eines Importroboters setzen, als auf die Entwicklung eines genau auf ihre Bedürfnisse abgestimmten Roboters für wesentlich weniger Geld zu warten: „Unsere Firmen“, sagt Rodic, „ haben keine Geduld – und investieren meistens kaum in die Forschung.“

Desinteresse der heimischen Wirtschaft

Tatsächlich macht das Desinteresse der heimischen Wirtschaft Serbiens Forschungsinstituten fast noch mehr zu schaffen als ihre chronische staatliche Unterfinanzierung. Serbiens Forschung wird nur zu 7,5 Prozent von der Wirtschaft finanziert – in Deutschland liegt dieser Wert bei stolzen 69 Prozent. Auslandsinvestoren, die ihre Produkte meist in ihrer Heimat entwickeln lassen, zeigen laut Rodic oft nur am Personal Interesse, kaum aber an den Diensten der heimischen Institute: „Doch wenn hier dauerhaft die besten Nachwuchskräfte abgeworben werden, entsteht ein gefährliches Ungleichgewicht. Und das ist weder für Serbien noch für die EU gut.“

Obwohl sein IMP-Institut mit einem Jahresumsatz von 65 Millionen Euro zu den 100 größten Unternehmen Serbiens zähle, sei es ein „täglicher Kampf, sich am Markt zu behaupten“, sagt Rodic. Bei Großaufträgen im Energiesektor habe das IMP bei Ausschreibungen gegenüber westlichen Konzernen wie Siemens auch wegen der nötigen Bankgarantien oft das Nachsehen.