Wissenschaftler versuchen sich zunehmend an Blogs und geben dort einen Einblick in ihre Arbeit. Doch mancher hat auch Bedenken: zu wenig wissenschaftliche Fakten, zu viel Kritik von Laien. Der Stuttgarter Biologe Florian Kohn hat dennoch Spaß daran gefunden.

Stuttgart - Wenn Florian Kohn der Welt seine Forschung erklärt, ist er schon im Feierabend. Dann schreibt der Biologe von der Universität Hohenheim die Beiträge für seine „Missionstagebücher“ im Internet. „Anfangs war das nur für meine Familie und Kollegen gedacht“, erzählt der 33-jährige Stuttgarter. Als er für ein Raketenprojekt nach China reiste, wollte er die Daheimgebliebenen auf dem Laufenden halten. Dann aber schickten Wissenschaftler anderer Institute den Link an ihre Freunde, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie Nutzer in Raumfahrtforen bekamen Wind davon. Er erhielt Mails von ihm unbekannten Lesern. Das weckte den Ehrgeiz.

 

Bei seinem Projekt zur Signalübertragung in menschlichen Zellen in der Schwerelosigkeit war er vor Kurzem in Bordeaux (Frankreich) zum Parabelflug. In seinem Blog beschreibt er, wie die Zellen präpariert werden und dass für benötigte Chemikalien schon Monate vorher alle Sicherheitsdokumente vorgelegt werden müssen. Aber die Leser erfahren auch Details jenseits der Forschung.

So schreibt Kohn über Probleme bei der Hinfahrt: „Wenn es im Motor verbrannt riecht, erkennen auch wir Biologen, dass was nicht stimmt.“ Kohn und seine Co-Autorin und Kollegin Claudia Ulbrich haben sich vorgenommen, Laien ihre Forschung zu erklären. „Wissenschaftler kriegen eh wissenschaftliche Aufsätze“, sagt Kohn. „Unsere Texte soll jeder verstehen, der keinen wissenschaftlichen Hintergrund hat.“ Allzu sehr gehen die beiden daher nicht ins Detail. „Ich hab aber immer wieder harte Fakten untergeschmuggelt“, sagt Kohn.

„Es gibt heftige Debatten über Wissenschaftlichkeit“

Immer mehr Forscher schreiben im Internet über Wissenschaft – manche über eigene Projekte, andere allgemein. Anfang der 2000er Jahre hätten die ersten mit Blogs angefangen, sagt Beatrice Lugger vom Nationalen Institut für Wissenschaftskommunikation. Sie sieht Wissenschaftler sogar in der Pflicht: „Die haben eine Bringschuld, auf die Gesellschaft zuzugehen. Forschungsgelder sind Steuergelder.“ Ein Vorteil von Blogs sei, dass sich Menschen auf dieser Ebene eher trauten, Wissenschaftlern Fragen zu stellen.

„Es bringt jedem Forscher was, mit Nicht-Fachpublikum über seine Forschung zu sprechen“, sagt Dorothee Menhart von der Organisation Wissenschaft im Dialog. Viele berichteten, dass sie über das Erläutern ihrer Arbeit selbst neue Erkenntnisse gewinnen. Manche wittern laut Ilka Bickmann von der Gesellschaft für Wissenschaftskommunikation aber auch die Gefahr, kopiert zu werden. Vorbehalte gebe es zudem gegen lockere Sprache im Netz und dass schnelle Aktivität gefordert sei.

Aber auch innerhalb der Expertenszene können Wissenschaftsblogs hilfreich sein, sagt Annette Leßmöllmann, die sich an der Hochschule Darmstadt unter anderem mit sozialen Medien in der Wissenschaftskommunikation befasst. „Es gibt heftige Debatten über Wissenschaftlichkeit.“ Dabei werde in Kommentaren durchaus gelegentlich die Relevanz eines Projekts oder Artikels komplett infrage gestellt. Bedenken, dass im Internet Falschmeldungen veröffentlicht werden könnten, hat sie nicht. „Sobald sich die Leute vernetzen, müssen sie sich überlegen, ob sie ihr Gesicht verlieren wollen oder lieber keinen Humbug schreiben“, sagt Leßmöllmann. Tendenziell seien deutsche Wissenschaftler zurückhaltender als etwa Kollegen aus Frankreich. Seriös ermittelte Zahlen gibt es aber nicht. Leßmöllmann empfiehlt Forschern, sich bekannten Portalen wie scilogs.de oder scienceblogs.de anzuschließen, hinter denen namhafte Verlage stecken. Da Blogs in der Regel auf Verständlichkeit aus und auch Experten jenseits ihrer Spezialgebiete Laien seien, könnten den Beiträgen in der Regel auch Nicht-Fachleute folgen.

Einen Brückenschlag versucht die Fraunhofer-Gesellschaft mit forschungs-blog.de und dem sogenannten Dual-Blogging. Dabei steht einem Fachartikel in einer parallelen Spalte eine „blogaffine“ Version gegenüber, die lesernäher sein soll. „Die Fachsprache der Wissenschaft entspricht nicht immer unbedingt dem, was man auf Facebook in der Mittagspause freundlich interessiert durchliked.“

Die Fachleute kritisieren an den mit vielen Fotos gespickten „Missionstagebüchern“ aus Hohenheim, dass typische Blogeigenschaften wie Möglichkeiten zum Kommentieren fehlen. „Wenn man so etwas macht, sollte man auf jeden Fall zum Dialog einladen“, sagt etwa Lugger.

Kohn und Ulbrich wollen nun erst einmal die vorhandenen Texte ins Englische übersetzen, um sie einer größeren Leserschaft zugänglich zu machen. Das DLR wolle das Missionstagebuch zur Chinareise als Buch veröffentlichen, erzählt Kohn. „Das positive Feedback bestärkt uns.“

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