Wissenschaftsforschung gibt es tatsächlich: In dieser Disziplin wird erforscht, wie Wissenschaftler forschen. Die Erkenntnisse könnten nützlich sein, um die Wissenschaft besser zu regulieren. Doch das Fach sei in einem desolaten Zustand, sagt ein Gutachten.

Stuttgart - Politik und Wissenschaft haben in den vergangenen Jahren immer wieder Pakte geschlossen. Sie tragen hoffnungsvolle Namen wie Solidar-, Zukunfts- und Qualitätspakt, es gibt auch einen „für Forschung und Innovation“. Wäre es nicht schön, wenn man sich bei solchen Vereinbarungen auf ein fachlich abgesichertes Fundament stützen könnte? Wenn man zum Beispiel nicht darüber spekulieren müsste, ob es sinnvoll ist, in die besten Köpfe zu investieren? Und wenn man wüsste, wie man die Balance zwischen Kooperation und Konkurrenz findet, denn zu beidem drängt man die Wissenschaftler? In der Medizin ist klar, dass Therapien auf ihre Wirksamkeit untersucht werden. Und der Weltklimarat hat soeben die Alternativen im Klimaschutz bewertet. Das Fachgebiet, in dem man untersuchen könnte, wie die Wissenschaft funktioniert und wie sie gesteuert wird, heißt Wissenschaftsforschung. Sollte man von dieser Disziplin nicht mehr einfordern?

 

Die Wissenschaftsforschung könnte tatsächlich die Politik beraten, schreibt der Wissenschaftsrat in einer neuen Stellungnahme, doch sie sei „durch einen anhaltenden und unkoordinierten Rückbau gekennzeichnet“. Geschlossen wurde zum Beispiel das Institut für Wissenschafts- und Technikforschung in Bielefeld, an dem ich von 1999 bis 2002 Stipendiat war. Den Status quo diagnostiziert der Wissenschaftsrat so: „Institutionelle Kerne der Grundlagenforschung existieren nicht.“ Es gebe in Deutschland nur vereinzelt Professoren, die sich für die Wissenschaftsforschung interessieren.

Zwei Institute sollen eine gemeinsame Identität finden

Der Wissenschaftsrat empfiehlt den Universitäten daher, Lehrstühle in diesem Fach einzurichten – etwa mit Geld vom Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft. Und der Politik rät er, dem neu gegründeten Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung die Freiheit zu geben, seine Forschungsagenda selbst zu bestimmen. Da Bund und Länder im Wissenschaftsrat über die Hälfte der Stimmen verfügen, hätte die Politik diese Empfehlung auch verhindern können, wenn sie gewollt hätte.

Das neue Institut wird es aber nicht leicht haben. Es entsteht aus der Fusion von zwei ganz unterschiedlichen Einrichtungen: dem Hochschul-Informations-System (HIS) und dem Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung (IFQ). Das HIS untersucht zum Beispiel, wie gut Studenten an ihren Hochschulen betreut werden, während sich das IFQ etwa fragt, wie gut das Auswahlverfahren für Sonderforschungsbereiche läuft. Die beiden Einrichtungen hatten bisher wenig miteinander zu tun, geben sich nun aber optimistisch: Das bereits existierende Zentrum, das aus dem HIS hervorgegangen ist, sieht sich im Kurs bestätigt, die Hochschul- und Wissenschaftsforschung „produktiv zusammenzuführen“. Und auch das IFQ freut sich, dass „ein wichtiger Grundstein für die stärkere Verzahnung“ der beiden Disziplinen gelegt sei. Allerdings weist man hier vorsorglich darauf hin, dass man nun „mehr noch als bisher auf forschungsstarke Kooperationspartner angewiesen“ sei. Der Wissenschaftsrat wünscht sich indes „eine gemeinsame Identität der beiden Forschungsfelder“.