Die Wahl der „Ministerin des Jahres“ wirft heikle Fragen auf. Kann man die Auszeichnung gleichsam kaufen? Theresia Bauer (Grüne) wurde jedenfalls auch gekürt, weil sie einen Milliardensegen für die Hochschulen erkämpfte.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es wird ein erhebender Abend für Theresia Bauer, bei der Gala des Deutschen Hochschulverbandes (DHV) am kommenden Montag in Mainz. Erst wird ein eigens gedrehter Kurzfilm über sie vorgeführt, dann hält der einstige „Zukunftsminister“ Jürgen Rüttgers (CDU) die Laudatio, schließlich wird ihr auf der Bühne die Urkunde als „Wissenschaftsministerin des Jahres 2015“ überreicht. Schon zum zweiten Mal nach 2013 ergattert die Grüne diesen Titel – was sie natürlich „freut und motiviert“.

 

Wie und wofür aber wird man eigentlich Minister des Jahres? Sowohl das Verfahren als auch die Kriterien werfen einige Fragen auf. Abstimmungsberechtigt sind die 28 500 Mitglieder des Hochschulverbandes, Wissenschaftler aus ganz Deutschland. Doch nicht einmal ein Zehntel von ihnen, knapp 2500, nahm an der Online-Umfrage teil. Nach den Grünen-Maßstäben für die Bürgerbeteiligung wäre das viel zu dürftig, um gewertet zu werden.

Ein Quorum gibt es beim DHV indes nur für die Landesminister, die alleine von Mitgliedern aus ihren jeweiligen Ländern benotet werden dürfen. Wer nicht mindestens fünfzig Bewertungen erhält, fliegt aus dem Rennen – in diesem Jahr zum Beispiel die nebenbei auch für Wissenschaft zuständige saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), der der Verband sogar einen falschen Vornamen („Annette“) verpasst.

Bewertung ist fraglich

Schlusslicht wurde Hartmut Möllring (CDU) aus Sachsen-Anhalt, der sich prompt des vergifteten Mitleids der Opposition erwehren musste. „Ich wusste nicht einmal, dass es diesen Titel gibt“, spottete Möllring per Zeitungsinterview; womöglich sei er wegen einer dünnen Datenbasis so wenig wert wie die dubiosen ADAC-Bewertungen. Es zeuge jedenfalls von einem „merkwürdigen Punktesystem“, wenn selbst die Bundesministerin Johanna Wanka (CDU) als Zweitplatzierte nur ein „befriedigend“ erhalte. Sein Fazit: „Dem Ganzen darf man nicht allzu viel Bedeutung beimessen.“

Tatsächlich wird eigentlich nicht der beste, sondern der am wenigsten schlechte Ressortchef gekürt. Selbst die Spitzenreiterin Theresia Bauer kommt nur auf die Note 2,85 („befriedigend plus“), gefolgt von Wanka mit 3,26 und der Mainzerin Doris Ahnen (SPD, 3,43). Möllring kassiert als Letzter eine knappe fünf (4,92). Noch nie seien die Länderminister so schlecht bewertet worden wie diesmal, konstatierten die Experten vom Zentrum für Evaluation und Methoden der Universität Bonn, die das Ranking wissenschaftlich begleiteten.

Unabhängig vom Platz fielen die Kommentare zu allen Ressortchefs „sehr reserviert bis negativ“ aus. Immer wieder werde „die Unkenntnis des Universitätsbetriebs beklagt“, verbunden mit „unvorstellbarem Desinteresse an Themen der Wissenschaft und der Hochschule“. Die DHV-Mitglieder seien eben kritische Geister, versucht ein Verbandssprecher zu relativieren; Lob verteilten sie nur sparsam.

Kretschmann gratuliert

Bei Theresia Bauer aber wurde nicht mit Komplimenten gegeizt. „Engagement, Kompetenz und Durchsetzungsfähigkeit“ attestierten ihr die Wissenschaftler; besonders die höhere Grundausstattung der Universitäten habe sie „im Kabinett erfolgreich vermitteln können“. Gemeint ist der „Hochschulpakt 2020“, der den Unis in den nächsten Jahren zusätzliche 1,7 Milliarden Euro beschert – ein Geldregen, der die Rektoren entzückte. Sie gratulierten der Ministerin denn auch zum Titel und lobten ihr „großes politisches Geschick“. Der Vertrag sei ein schöner Ausweis „ihrer Überzeugungskraft und Durchsetzungsstärke“, befand der als Grünen-nah geltende Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz, der Freiburger Hans-Jochen Schiewer.

Wird also Minister des Jahres, wer am meisten frisches Geld ins System Hochschule pumpt? Kann man sich die Auszeichnung so gleichsam erkaufen? Der Einsatz für eine bessere Finanzausstattung spiele schon eine wichtige Rolle, bestätigt ein DHV-Sprecher. Aber daneben gebe es auch andere Kriterien. Vor zwei Jahren etwa sei Bauer gewählt worden, weil sie stets „ein offenes Ohr für die Belange der Wissenschaft“ gezeigt habe.

Ein gekaufter Titel? „Der Eindruck ist falsch“, widersprach Ministerpräsident Winfried Kretschmann dieser Tage vor Journalisten; angesichts des milliardenschweren Hochschulpakts wäre er auch „etwas teuer“. Ausgezeichnet werde seine Parteifreundin, weil sie „einfach einen guten Job macht“. Wenn Bauer in drei Amtsjahren zweimal den ersten und einmal den zweiten Platz erreiche, hatte Kretschmann schon zuvor gratuliert, dann sei offenkundig „vieles gut gelaufen“.