Eine Ministerin, die aufrüttelt und begeistert? Baden-Württembergs neuer Wissenschaftsministerin Petra Olschowski ist dies beim „Kulturgespräch“ unserer Zeitung gelungen.

„Ich glaube nicht an die Götterdämmerung“, sagt Petra Olschowski, am Dienstagabend als Gast der Reihe „Kulturgespräch“ unserer Zeitung im Sparda Welt-Eventcenter in Stuttgart. An die Stuttgarter Oper glaubt sie allerdings. Kultur jedoch, dies wird vor 250 Leserinnen und Lesern unserer Zeitung und prominenten Gästen schnell deutlich, ist für Baden-Württembergs Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst nichts Statisches, sondern ein Prozess, der auf vielen Ebenen abläuft, der Innovation benötigt, Investitionen und Aufmerksamkeit.

 

Sportbegeisterte Ministerin

Petra Olschowski, geboren 1965 in Stuttgart, begeisterte sich früh für Handball und Fußball. Den Sport als Bild für Wissenschaft, Forschung und Kultur hält sie dennoch nur für bedingt tauglich – „Solche Themen“, sagt sie, „bekommen wir nur dialogisch hin, da ist es wichtig, eine Gesprächskultur zu entwickeln.“

Klare Vorstellungen: Petra Olschowski Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Einen gewissen sportlichen Ehrgeiz schließt das freilich nicht aus. Baden-Württemberg besitzt die größere Anzahl an Exzellenzuniversitäten – was die Ministerin als einen „Triumph über Bayern“ wertet – und eine einmalige Vernetzung von Wirtschaft und Ausbildung an der Dualen Hochschule. Petra Olschowski sieht aber auch unausweichliche Probleme – ein mangelndes Studieninteresse beispielsweise, gerade in den naturwissenschaftlichen und technischen Fächern. Um dem entgegen zu wirken, möchte sie Initiativen starten, die bereits auf schulischer Ebene ansetzen – ohne in einen Konflikt mit Kultusministerin Theresa Schopper zu geraten: „Wir sollten unsere Ressortgrenzen ernst nehmen, aber intensiver als bisher zusammenarbeiten.“

Veränderungen sind notwendig

Olschowski fordert Bereitschaft zur Veränderung ein. „Ich sehe, dass es an manchen Punkten nicht mehr so geht wie bisher“, sagt sie. „Mir selbst hat es immer Spaß gemacht, Formate zu versuchen, die man so bisher noch nicht gehabt hat. Das ist es, was mich antreibt, und ich hoffe, es gelingt mir damit auch, diejenigen anzutreiben, die mit mir zu tun haben. Ohne Veränderung geht es nicht.“

Im Dialog mit Ministerin Olschowski: Nikolai B. Forstbauer, Autor unserer Zeitung Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Wie aber werden die Leistungen von Forschung und Wissenschaft in die Gesellschaft getragen, wie kommt die Kultur zu ihrem Publikum und, nicht zuletzt, wie werden Gelder zwischen diesen Bereichen verteilt? Auf den Campusmodellen, die in Baden-Württemberg seit mehreren Jahren Synergieeffekte zwischen Wissenschaft und Forschung ermöglichen, spielen nun auch Themen wie Quantentechnologie und Nachhaltigkeit eine Rolle; ein Höchstleistungsrechenzentrum in Stuttgart-Vaihingen kann innovativ von Kultureinrichtungen wie Oper und Ballett genutzt werden. Ist die Rede jedoch von Bau- oder Sanierungskosten im wissenschaftlichen oder kulturellen Bereich, weicht die öffentliche Wahrnehmung beträchtlich ab.

Opernhaus als Zukunftsfrage der Stadtgesellschaft

Das Opernhaus sieht Petra Olschowski als das markanteste Gebäude im Zentrum von Stuttgart. „Wir müssen uns fragen“, sagt sie, „was wir als Stadtgesellschaft mit dem Gebäude verbinden und welche Erwartungshaltungen wir an das haben, was in diesem Gebäude geschieht. Wofür werden wir es in Zukunft brauchen?“

Nicht weiter warten

Um diese Fragen zu beantworten, so die Ministerin, müsse man das Haus auch von innen betrachten, auch um die Bedingungen wissen, unter denen 1400 Menschen in ihm arbeiten. „Es geht um Arbeitsschutz, Brandschutz, Technik. Das ist zwar nicht aufregend, aber es bestimmt, was dort passiert.“ Der finanzielle Aufwand für die Sanierung der Oper, sagt sie, stünde durchaus im Verhältnis zu Investitionen, die für Straßen, Brücken, Schulen getätigt werden: „Das ist ein Kraftakt, aber das bringt uns nicht aus dem Tritt, wenn wir es gut und sauber planen und nicht endlos damit warten.“ Freilich, auch dies weiß Petra Olschowski: Es gibt eine lange Liste weiterer Baumaßnahmen – und, nicht zuletzt, einen gravierenden Mangel an Personal auch im Bauwesen.

Bei ihren Themensetzungen will die Ministerin die jeweils Beteiligten „bewusst mitnehmen“ Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

„Das Land Baden-Württemberg“, sagt sie, „wird diese Sanierung hinbekommen, und die Stadt Stuttgart auch. Wenn sich die Gesellschaft aber gegen die Sanierung entscheidet, dann bedeutet es, dass sie im Zentrum Stuttgarts an dieser Stelle kein Stuttgarter Ballett mehr haben möchte, keine Stuttgarter Oper und am Ende auch kein Schauspielhaus mehr. Wenn das so sein sollte, dann muss man das akzeptieren. Ich kämpfe leidenschaftlich für eine andere Lösung.“

„Wir müssen investieren“

Grundsätzlich, sagt Petra Olschowski, sei das Land mitunter zu spät aktiv geworden. Sie spricht von renommierten Professoren, die nicht nach Baden-Württemberg kamen, weil ein Hochschulgebäude nicht rechtzeitig fertiggestellt wurde, von den sanitären Anlagen der Schulen oder im Staatstheater: „Tänzerinnen und Tänzer haben nur eine kurze Zeit, um ihre berufliche Blüte auszuleben. Da wollen sie sich vielleicht nicht mit 25 anderen in einem kalten Waschbecken im Gang abschminken.“ Hochschulen und Kultureinrichtungen, so die Ministerin, seien für das Land gleichermaßen wichtig: „Wir wollen, dass Baden-Württemberg als Standort in vielen Feldern top ist. Wir wollen, dass Menschen gerne hierherkommen, leben und arbeiten. Wir müssen investieren und wir wollen investieren.“

Vielfalt auch durch Selbstausbeutung

Einen Mindestlohn von 15 Euro, eine Erhöhung des Einstiegstarifs in Theatern von 2000 auf 2500 Euro begrüßt Petra Olschowski deshalb auch ausdrücklich. „Die Frage“, sagt sie, „ist, auf welchem Rücken wir die Kulturlandschaft Deutschland in ihrer Vielfalt aufgebaut haben. Oft ist das über die Selbstausbeutung der Menschen geschehen, die in dieser Landschaft unterwegs waren.“ Dass dies kleinere Theater aktuell vor große Probleme stellt, sieht sie, sichert jedoch Unterstützung zu: „Wir werden Lösungen finden, sobald wir wissen, wofür das Geld benötigt wird.“

„Kulturgespräch“-Szenerie im Sparda Bank-Eventcenter in Stuttgart Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Literaturhäuser jedoch warnen vor einem Kollaps, bei den Kinos, der Popmusik, klassischen Konzerten ist die nächste Krise bereits angekommen. Petra Olschowski sieht Verschiebungen im Publikum, sagt aber auch: „Nach diesem Winter kehrt das Publikum in vielen Bereichen schon deutlich stärker zurück, als wir das noch im November erwartet haben.“ Kürzungsimpulse bei den Haushalten, sagt sie, gebe es kaum – „Aber bei den Kommunen sieht das teilweise anders aus.“ Man spürt: Die Herausforderungen sind enorm – auf allen Ebenen.

Mehr Beachtung für Amateurbereich

Am Ende dieses Abends spricht die Ministerin nicht mehr von den großen Häusern und Institutionen, sondern von einem Bereich, der in der Coronakrise weit mehr Schaden nahm: „Die größeren Themen sehe ich bei den Amateuren“, sagt sie, „bei den Theatern, Chören, Sportvereinen. Wenn in einer Kleinstadt ein Kino schließt, dann gibt es dort vielleicht keinen Kulturort mehr. Wir müssen unsere Bauvorhaben voranbringen, aber wir müssen unbedingt auch in diese kleinen Einrichtungen und Orte hineingehen, genau schauen, was dort passiert, unterstützen und helfen. Soziale Nachhaltigkeit findet auch statt an Orten, an denen das Ehrenamt stark ist und die Menschen sich einbringen.“

Petra Olschowski in Kürze

Ausbildung
Geboren wurde Petra Olschowski am 29. Juni 1965 in Stuttgart. Nach dem Abitur entschied sie sich zunächst für eine Lehre als Einzelhandelskauffrau im Kunsthandel, 1986 schloss sie das Studium der Kunstgeschichte und Germanistik an der Universität Stuttgart an. Schon während der Studienzeit arbeitete sie als freie Journalistin, als freie Lektorin für den Kunstbuchverlag Hatje Cantz und die Bundeskunsthalle in Bonn, als Dozentin für Kostümkunde und Kunstgeschichte sowie als Kuratorin von Ausstellungen im In- und Ausland.

Beruf
Von 1996 bis 2002 war Olschowski nach einem Volontariat als Redakteurin bei der Stuttgarter Zeitung tätig – zunächst im Sportressort, dann in der Innenpolitik und schließlich im Feuilleton. 2002 wechselte sie als Geschäftsführerin an die Kunststiftung Baden-Württemberg GmbH. Von 2010 an leitete sie als erste Rektorin die Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart. Von Mai 2016 bis September 2022 war sie als Staatssekretärin im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst tätig. Seit Ende September 2022 ist Petra Olschowski Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst.