Mit dem Zensurstreit hat Horst Brandstätter Wellen geschlagen. Nun erinnert eine Ausstellung im WKV an den streitbaren Stuttgarter – enttäuscht aber auch.
StuttgartManfred Rommel sprach ein Machtwort. Eigentlich hätte in dem Katalog der Städtischen Galerie auch ein Text von Horst Brandstätter erscheinen sollen. Darauf wolle man nun „ganz verzichten“, beschied seinerzeit der Oberbürgermeister Rommel. Also veröffentlichte Horst Brandstätter selbst eine Broschüre, in der denn auch Sätze standen wie „Noch Lothar der Smarte profitiert von Eberhard mit dem Barte“ – in Anspielung auf Lothar Späth. Die Presse wurde zur Buchvorstellung geladen mit der Versprechung: „Wir garantieren, es darf gelacht werden“. Der Streit um Zensur und Meinungsfreiheit schlug damals hohe Wellen in der Stadt.
Horst Brandstätter hat angeeckt und provoziert – und das gern. Er war ein kritischer und politischer Kopf und hat immer wieder für Debatten gesorgt, die der Stadt letztlich guttaten. Eigentlich war er Buchhändler und Antiquar, aber Brandstätter tummelte sich auf vielen Feldern, schrieb für das Feuilleton der Stuttgarter Nachrichten, veröffentlichte Bücher und drehte Fernsehfilme. Eine Weile hat er auch als Dramaturg für den Schauspielintendanten Claus Peymann gearbeitet.
Ein Intellektueller war er nicht, aber ein Querdenker
Im Württembergischen Kunstverein Stuttgart erinnert die Ausstellung „Und die Frage der (Un)Freiheit“ nun an den streitbaren Mann, der 1950 in Stuttgart geboren wurde, den Wehrdienst verweigerte mit Hilfe des späteren RAF-Anwalts Klaus Croissant. Er war kein Intellektueller im klassischen Sinne und hatte nicht studiert – und war doch ein passionierter Querdenker.
In der Ausstellung kann man sein Fernseh-Feature „Winnental – Eine deutsche Heilanstalt“ aus dem Jahr 1988 sehen. Brandstätter interessierte die deutsche Psychiatrie-Geschichte, weshalb er die Heilanstalt in Winnenden exemplarisch für seine Arbeit herausgriff. In seiner persönlich gefärbten Dokumentation arbeitete er die Euthanasiemorde in Grafeneck auf, zeigte aber auch die Zustände in der Anstalt selbst.
Sein Film solle „keine Anklage gegen die Psychiatrie schlechthin sein“, heißt es in dem Film, der doch aufrütteln wollte. Dass es in der Heilanstalt hinten und vorne an Personal fehle, sei „eine Anklage an uns alle“. Mehr noch: Brandstätter appellierte an die Zuschauer, sich „im Patienten wiederzuerkennen“.
Als „starrsinnigen Widerspenstigen“ bezeichnete ihn der Künstler Johannes Grützke, mit dem Brandstätter viel zusammengearbeitet hat und dessen Werke er auch in seiner Kunstgalerie ausstellte, die er 1993 in Öhningen eröffnete.
Auch für die Literatur hat Brandstätter gekämpft. So konnte er die Porsche AG überzeugen, dass sie die rekonstruierte Bibliothek von Franz Kafka kauft und der Kafka-Gesellschaft in Prag schenkt. Dann wieder hat er eine Komödie geschrieben über den Heilbronner Arzt Robert Mayer, der den Ersten Hauptsatz der Thermodynamik formulierte. Die Württembergische Landesbühne führte es 1987 sogar auf.
Die Ausstellung selbst hat ihre Schwächen
So spannend es ist, an diesen Stuttgarter zu erinnern, so wenig überzeugt die Ausstellung im Württembergischen Kunstverein. Die Kuratorin Natalie Reinsch hat zwar mit Unterstützung der Familie Brandstätter und dem Autor und Kabarettisten Peter Grohmann viele interessante Aspekte zusammengetragen und in einer Publikation veröffentlicht, in der Ausstellung selbst aber gelingt es nicht, die Figur Brandstätter plastisch werden zu lassen.
Statt das Publikum zu leiten, werden summarisch einzelne Themen unvermittelt angerissen und eher Fragen aufgeworfen als beantworten. So erfährt man zwar, dass Brandstätter im Privaten schwierig gewesen sei, muss sich aber seinen eigenen Reim auf einen wahrlich gewichtigen Hinweis der Familie machen: Ihnen allen wäre „einiges erspart geblieben“, wenn Brandstätter sich früher „seiner Geschichte gestellt“ hätte.
Ausstellung bis 30. August, geöffnet Dienstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr, Mittwoch bis 20 Uhr