Die Bahn will jährlich bis zu 50 Millionen Fahrgäste hinzugewinnen und baut dafür ihre digitalen Angebote aus. Zumindest jetzt ist selbst das Versenden einer E-Mail im Zug noch Glückssache.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Bahn-Chef Rüdiger Grube steht unter Druck. Die preisaggressiven Fernbusse jagen den ICE- und IC-Zügen immer mehr Kunden ab, die Ergebnisse des Staatskonzerns sacken. Nun will Grube mit einer „Kunden- und Angebotsoffensive“ im Fernverkehr zurückschlagen. Bis 2030 sollen zwölf Milliarden Euro investiert werden. Das Ziel: jährlich bis zu 50 Millionen Fahrgäste mehr zu gewinnen. Der DB-Chef verspricht den Fahrgästen „mehr Reisequalität, Komfort und Services als jemals zuvor“. Neue Züge, bessere Anschlüsse, kürzere Reisezeiten, mehr digitaler Service, so soll die neu gekürte Fernverkehrschefin Birgit Bohle die Ziele erreichen. Die Vertriebsexpertin weiß, dass vor allem Preis und Qualität des Kernprodukts stimmen müssen.

 

Daran aber mangelt es häufig. Auch Matthias Gastel hat das schon oft erfahren. Der Bundestagsabgeordnete der Grünen ist ein treuer Bahn-Kunde und führt auf seiner Homepage ein Tagebuch über seine Erlebnisse auf der Schiene. Ein ständiges Ärgernis: das unzuverlässige Wlan in den Zügen. Wie bei der Pünktlichkeit habe die Bahn hier „erheblichen Nachholbedarf“, kritisiert der Schwabe. Während Konzernchef Grube von der digitalen „Bahn 4.0“ der Zukunft schwärmt, leidet Gastel wie viele Stammkunden unter den Mängeln der Gegenwart. Selbst bei langsamer Fahrt, in kaum besetzten Zügen und sogar beim Stehen in Bahnhöfen funktioniere die Verbindung ins Internet „nur höchst unzuverlässig“, klagt der Parlamentarier, der auch im Verkehrsausschuss des Bundestags sitzt.

Bei 69 Fahrten klappt der Empfang nur 26 Mal

Dabei sollte Wlan seit Jahresbeginn wenigstens in der ersten Klasse reibungslos funktionieren. So hat es die Bahn-Spitze versprochen. Doch davon ist man bislang weit entfernt. Das zeigen auch Gastels Erfahrungen. Bei 69 Fahrten klappte der Empfang nur 26-mal durchgehend, 28-mal allenfalls zeitweise und 15-mal überhaupt nicht. So wird selbst der profane Austausch von Mails auf einer Zugreise zur Glückssache. Auf seinen Beschwerdebrief an Grube hat Gastel inzwischen Antwort erhalten. Man nehme das Thema „sehr ernst“, schreibt DB-Managerin Bohle und räumt ein, das das Hotspot-Wlan der Deutschen Telekom in den ICE „keine voll zufriedenstellende Qualität“ habe. Die Bahn will daher über einen neuen Kooperationsvertrag mit den drei deutschen Mobilfunkbetreibern erreichen, dass der Direktempfang von deren Signalen im Zug besser wird.

Bislang klappen nicht mal Telefonate richtig, Sprachverbindungen brechen während der Fahrt häufig ab. Um den direkten Signalempfang im Zug zu verbessern, sollen von 2016 an zusätzliche Verstärker an Bord der ICE- und von Teilen der IC-Flotte eingebaut werden. Die Verhandlungen mit den Providern seien „weit fortgeschritten“, betont Bohle. Der Wlan-Empfang in den Fernzügen soll durch digitale Aufrüstung mit neuer „High-End-Systemtechnologie“ massiv verbessert werden. Die Ausschreibung ist veröffentlicht, der derzeitige Vertrag mit der Telekom läuft Ende 2016 aus.

Das Mobilfunknetz entlang der Strecken bleibt mangelhaft

Also wird bald alles besser für onlineaffine Bahn-Kunden? So einfach ist es nicht. Denn am Grundübel, dem unzureichenden Ausbau des Mobilfunknetzes entlang der Bahnstrecken, wird sich so schnell nichts ändern. Während auf den meisten Autobahnen durch ein dichtes Sendernetz der gute Empfang im Fernbus gesichert ist, fehlt es entlang vieler Schienenabschnitte an hochwertigen Signalen, die Hunderten Zugreisenden gleichzeitig schnelles und stabiles Internet bei Tempo 250 ermöglichen.

Ohne einen „deutlichen Ausbau der Mobilfunknetze“, räumt Bohle ein, werde daher auch künftig der Internetempfang an Bord „nicht gut genug sein“. Das sind keine erfreulichen Perspektiven. Zumal gerade verbesserte digitale Angebote an Bord die Züge attraktiver machen sollen. Bei anhaltendem Wlan-Frust wird das kaum gelingen. Zwischen Wunsch und Wirklichkeit klafft beim Thema Bahn 4.0 noch eine tiefe Kluft.