In der deutschen Medienlandschaft herrscht nach dem Sieg gegen Schweden allenthalten Euphorie. Es gibt aber auch warnende Stimmen.

Stuttgart - Die historische Schmach ist vorerst abgewendet, der angeschlagene Titelverteidiger Deutschland hat bei der WM in Russland den vorzeitigen Totalschaden dank Toni Kroos verhindert. Der Champions-League-Sieger von Real Madrid erzielte nach einer nervenaufreibenden Zitterpartie gegen Schweden in Unterzahl den erlösenden Siegtreffer zum schwer erkämpften 2:1 (0:1) in der Nachspielzeit (90.+5). Nach der Schlappe zum Auftakt gegen Mexiko und Tagen der Selbstzweifel kann der Weltmeister das Achtelfinale mit einem Sieg am Mittwoch gegen Südkorea in Kasan aus eigener Kraft erreichen.

 

Allerdings darf sich Deutschland trotz der Kehrtwende nach dem blamablen 0:1 gegen Mexiko zum WM-Auftakt auch nicht zu sicher fühlen - zumal Jerome Boateng fehlen wird. Deshalb mischen sich in die Lobeshymnen auf Toni Kroos in den deutschen Medien auch kritische Stimmen. Wir haben einige gesammelt.

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Spiegel Online: „Alles schaut auf Kroos. Er soll Struktur und Takt in die Mannschaft bringen, und wenn das nicht funktioniert wie gegen Mexiko oder über weite Strecken auch gegen die Schweden, ist er derjenige, der sich die Watschen abholt. Egal, wie lange diese deutsche Mannschaft noch im Turnier stehen und bestehen wird: Mit dem Spiel gegen die Schweden hat Kroos die Führungsrolle in die Hand bekommen.“

Partie gegen Südkorea kein Selbstläufer

Sport1: „Ein Selbstläufer wird die Partie gegen Südkorea keineswegs, zumal Abwehrchef Jerome Boateng nach seiner Gelb-Roten Karte in der Schlussphase (82.) fehlen wird. Auch der gegen Schweden fehlende Mats Hummels ist noch nicht wieder hundertprozentig fit. Zudem steht der Einsatz von Sebastian Rudy, der überraschend in die Startelf rückte, nach einem Nasenbeinbruch auf der Kippe.“

Lesen Sie hier die internationalen Pressestimmen.

Bild.de: „Am Ende musste es eine Standardsituation sein. Toni Kroos, bis dato mit seinem verschuldeten Gegentor eher der Verlierer im deutschen Team, zaubert mit abgelaufener Nachspielzeit einen Freistoß von linksaußen direkt und platziert, wenn auch nicht unhaltbar, sehenswert in den rechten Giebel! Die Mannschaft liegt sich in den Armen und man darf hoffen, dass das vielleicht eine Initialzündung für den weiteren Verlauf dieser WM war! „

Fußball ist der Shakespeare unter den Sportarten

Süddeutsche Zeitung: „Der Fußball, dieser Shakespeare unter den Sportarten, hat es am Samstagabend im Olympiastadion von Sotschi ein bisschen übertrieben. Die Drohkulisse eines deutschen Vorrunden-Scheiterns, der blutende Sebastian Rudy, der Rückstand nach einem Kroos-Fehlpass, die hängenden Köpfe der deutschen Spieler beim Gang in die Halbzeit, die furiose Rückkehr nach der Pause, der Ausgleich durch den in der Vergangenheit stets verletzten Marco Reus, der Platzverweis von Jérôme Boateng, das sekundennahe mögliche WM-Aus und Ende der Ära Joachim Löw - all das löste der Fußball an diesem Tag in einem einzigen rauschenden Schuss von Toni Kroos auf.“

Die Welt: „Kroos’ Traumtor weckt die Gier in der deutschen Elf - Dieses Zauberstück in allerletzter Minute könnte zur Initialzündung für die kommenden Tage und Wochen werden. Es könnte die Gier im Team von Bundestrainer Joachim Löw wecken, denn die schien in den letzten Wochen abhandengekommen zu sein.“

95 Minuten in den Abgrund geblickt

Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Dass der Bundestrainer auch Özil auf der Bank ließ, kam aber doch überraschend. Weil gegen Schweden auch später weder Özil noch Khedira ins Spiel kamen, wirkte Löw entschlossen, diesen Weg auch weiterzugehen. Er hätte am Samstag schon zu Ende sein können – diese Verlängerung wird eine spannende.“

Focus online: „Was für ein Schlusspunkt! Was für eine Dramatik! Die deutsche Mannschaft blickt 95 Minuten lang in den Abgrund und steht vor dem größten WM-Desaster der Geschichte. Dann kommt Toni Kroos, dreht einen Traum-Freistoß zum 2:1 gegen Schweden in den Winkel und rettet so zehn Deutsche in der Nachspielzeit!“