Am 20. November startet die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Wegen Kritik an der Ausrichtung in dem Wüstenstaat, aber auch wegen der Jahreszeit wird es ein wohl einzigartiges Turnier. Wie sehen Gastronomen und Public-Viewing-Veranstalter die WM?

Digital Desk: Robert Korell (rko)

Sie gehören zu den größten sportlichen Events überhaupt: Die Fußball-Weltmeisterschaften der Herren begeistern Menschen auf der ganzen Welt. Doch in diesem Jahr steht ein durchwachsener WM-Winter bevor. Auch im Kreis Esslingen ist die Vorfreude bei vielen Veranstaltern und Fans verhalten. Weil das Turnier im Winter ausgetragen wird, gibt es kaum Open-Air-Angebote. Zudem lösten die Arbeitsbedingungen beim Bau der Stadien und die allgemeine Menschenrechtslage im Gastgeberland Katar Kritik und Boykottaufrufe aus, die offenbar auch im Landkreis Wirkung zeigen. Es gibt sogar Gegenveranstaltungen. Ganz verzichten müssen Fans aber doch nicht auf das gemeinsame Fußballerlebnis.

 

Die Städte Esslingen, Nürtingen und Kirchheim haben keinen einzigen Antrag für eine Sondergenehmigung, wie sie für Public Viewing nötig ist, erhalten. In Ostfildern hat das Café Pause eine solche Genehmigung eingeholt. „Wir waren auch im Sommer bei allen Turnieren dabei, seit ich das Café 2014 übernommen habe“, sagt Inhaber Lars Holzwarth. Die Entscheidung für das Public Viewing sei bei ihm schon Anfang dieses Jahres gefallen, mit den Genehmigungen der Stadt und sonstiger Organisation brauche man viel Vorlauf. „Wir werden eine Extraküche im Außenbereich aufbauen und die Spiele in der Halle in Ostfildern zeigen“, sagt Holzwarth. Mit der Miete und anderen Kosten, etwa für die Genehmigung zum Ausschank alkoholischer Getränke, habe er eine sehr hohe Summe investiert. „Jetzt alles abzublasen wäre Wahnsinn“, sagt der Gastronom, ohnehin habe ihn das Ausmaß der Proteste in den vergangenen Wochen überrascht. „Im vergangenen Jahr gab es diese große Kritik an Katar noch nicht, und überhaupt muss man fragen: Wann war der Fußball jemals moralisch einwandfrei?“ Selbstverständlich sei es eine Katastrophe, wenn Menschen auf Baustellen sterben, billige Klamotten und immer neue Smartphones würden jedoch ebenso Leid bei den ausgebeuteten Arbeitern verursachen.

Ausbeutung auch in anderen Bereichen

Daher möchte sich Holzwarth auf die positiven Aspekte konzentrieren. „Natürlich habe ich Bedenken, aber wir ziehen das jetzt durch und hoffen, dass genug Leute kommen werden.“ Um die Besonderheit der Austragung im Winter zu unterstreichen, möchte Holzwarth auch Glühwein ausschenken und das alte Straßenbahndepot etwas weihnachtlich schmücken.

Udo Kälberer vom Gasthof Teckkeller in Kirchheim möchte sich dagegen in diesem Jahr nicht an dem Fußballtrubel beteiligen. „Normalerweise bin ich mit schwarz-rot-gelb gefärbten Haaren unterwegs“, sagt er. „An dieser Geschichte mit dem Lug, Trug, dem Schaden für das Klima, der Korruption und der Menschen- und Arbeitsrechtslage möchte ich mich nicht beteiligen“, sagt Kälberer. Nach dem Motto „Livemusik statt Fußball“ bietet man an den beiden Terminen, an denen die deutsche Mannschaft in der Vorrunde abends spielt, Konzerte mit kostenlosem Eintritt an. „Wir zünden im Biergarten ein paar Feuerschalen an und machen uns mit Würstchen und Musik einen schönen Abend, um dieser WM keine Quote zu geben“, sagt der Wirt. Natürlich werde man damit nichts mehr verändern, aber unterstützen muss man das auch nicht. Geplant sind die Konzerte bislang nur für die Gruppenphase und nur für die Spiele mit deutscher Beteiligung, die abends stattfinden. „Nach der Gruppenphase werden wir dann weitersehen“, sagt Kälberer.

In Deizisau wählt die Rettich-Bar einen Mittelweg, wie Marc Röckle, einer der Inhaber, sagt: „Wir werden die Spiele auf den Bildschirmen im Innenraum zeigen, wenn daran Interesse besteht.“ Gleichzeitig sei die Vorweihnachtszeit mit größeren Veranstaltungen wie Weihnachtsfeiern für Gastronomen enorm wichtig.

In der Rettich-Bar werde man daher keine Veranstaltung wegen eines Fußballspiels absagen, Fans seien aber ebenso willkommen wie Gäste, die etwas essen oder trinken möchten. Zu den politischen Diskussionen möchte Röckle sich nicht äußern: „Die Rettich-Bar ist unpolitisch.“ Die Spiele im Biergarten auf einer Leinwand zu übertragen kommt für Röckle wegen des Wetters nicht infrage. Möglicherweise nötige Heizpilze seien zu teuer und umweltschädlich: „Außerdem hat bislang, wenige Tage vor Turnierstart, noch kein Gast wegen der WM angefragt“, sagt er.

Winterliche Weltmeisterschaft für den harten Kern

Im Pub Storm’s in Kirchheim freut sich der Betreiber Dirk Storm auf die anstehenden Spiele. Im Innenraum im Obergeschoss werde man auf acht Bildschirmen Fußball sehen, sagt er, unten im Pub könnten sich aber auch Gäste zurückziehen, die kein Interesse an den Übertragungen haben. „Ich bin begeisterter Fußballfan und möchte die WM nicht verpassen“, sagt Storm. Vielleicht, so seine Hoffnung, könnten durch das vierwöchige Event ja tatsächlich einige Werte vermittelt werden.

Unter den Gästen rechnet Storm mit mittelmäßiger Begeisterung. Er erwarte eher einen harten Kern an Fußballfans, der den Sport auch unabhängig von den spielenden Teams liebt und verfolgen möchte. Für Gespräche mit Kritikern sei er aber ebenso offen und freut sich auf die Begegnungen – sportlich und menschlich.

Diskussionen über WM in Katar

Gegenveranstaltungen
Als Reaktion auf Kritik wegen Menschenrechtsverstößen und des Umgangs mit Arbeitern aus anderen Ländern rufen mehrere gastronomische Betriebe zum Boykott des Turniers auf. Neben dem Aufruf des Gasthof Teckkeller in Kirchheim startete die Kneipe Zom Täle in Urbach bei Schorndorf die Initiative „Kultur kickt Katar“, und auch in den sozialen Medien gibt es unter verschiedenen Hashtags wie #keinkatarinmeinerkneipe verschiedene alternative Veranstaltungen zu finden.

Weltereignis WM
Die letzte Fußball-Weltmeisterschaft der Herren verfolgten nach offiziellen Angaben des Weltverbandes Fifa 3,572 Milliarden Menschen für mindestens eine Minute über private Fernseheranschlüsse, digitale Portale oder bei Public Viewings oder anderen öffentlichen Veranstaltungen. Allein das Finale wurde von weltweit 1,12 Milliarden Menschen gesehen.