Das Bild des weinenden Cristiano Ronaldo wird von dieser WM bleiben. Es könnte auch den Umbruch in Portugals Nationalteam markieren. Für den Superstar stehen aber erst einmal drängendere Fragen an.

Die Bilder seines tränenreichen WM-Abschieds begleiteten Cristiano Ronaldo so wie die vielen offenen Zukunftsfragen in seine kurze Auszeit mit der Familie in der Sonne. Seinen großen Traum vom Titel hakte der Superstar keine 24 Stunden nach dem Aus mit der portugiesischen Nationalelf im Viertelfinale seiner wohl letzten Fußball-WM in Katar aber schon einmal ab. „Eine Weltmeisterschaft für Portugal zu gewinnen, war der größte und ehrgeizigste Traum meiner Karriere“, schrieb der 37-Jährige nach dem 0:1 gegen Marokko am Sonntag auf Instagram. „Leider ist der Traum gestern zu Ende gegangen.“

 

Es war wohl Ronaldos letzte Chance, seine eindrucksvolle Karriere mit dem WM-Titel zu krönen. An einen weiteren Versuch 2026 im Alter von 41 Jahren glaubt er offenbar nicht mehr. Für seinen Traum vom WM-Titel habe er „hart gekämpft“. Von Ronaldos letztem Auftritt auf der WM-Bühne dürften nun die Bilder bleiben, wie er nach dem 0:1 hemmungslos weinend und schluchzend allein vom Spielfeld des Al-Thumama Stadions verschwand.

Ungewohnte Rolle als Joker

Für die Aussicht auf einen weiteren Anlauf in vier Jahren waren wohl auch die Leistungen des aktuell vereinslosen Superstars in Katar zu enttäuschend. In der K.o.-Phase kam Ronaldo zweimal als Joker in die Partie, konnte aber keinen Einfluss mehr nehmen. Beim komplett enttäuschenden 0:1 gegen Marokko wirkte er wie die gesamte Mannschaft hilflos. In insgesamt 570 Einsatzminuten in K.o.-Spielen der WM bleibt er ohne einen einzigen Treffer.

„Cristiano Ronaldo und ich waren besonders enttäuscht. Das hat uns natürlich sehr getroffen“, sagte Trainer Fernando Santos, dessen Zukunft ebenso in Frage steht wie die von Ronaldo und Altstar Pepe. Der 68-jährige Santos, dessen Vertrag bis 2024 läuft, kündigte ein Gespräch mit dem Verbandschef an: „Wir werden uns mit Ruhe und Gelassenheit mit der Vertragsfrage beschäftigen.“ Der 39-jährige Pepe, der nach dem Aus schimpfte und lamentierte und sich zuvor auch noch den Arm gebrochen hatte, sagte: „Es ist jetzt nicht der Zeitpunkt, um über die Zukunft von Cristiano Ronaldo oder Pepe zu reden.“

Neuer Arbeitgeber gesucht

Doch Ronaldo wird sich spätestens nach der Auszeit mit seiner Familie mit der Frage beschäftigen müssen, wie es für ihn weitergeht. Während seine Teamkollegen nach dem Urlaub am Persischen Golf oder direkt nach dem Rückflug zu ihren Vereinen zurückkehren, muss Ronaldo die Suche nach einem neuen Arbeitgeber angehen. Vielleicht nutzt er gleich die Chance, um in Katars Nachbarland Saudi-Arabien mit Al-Nassr FC zu verhandeln. Der Club hat ihm Berichten zufolge einen lukrativen Vertrag über zweieinhalb Jahre angeboten.

Werbung bei der Suche nach einem Verein, mit dem er weiter auf höchstem Niveau in der Champions League spielen kann, dürfte Ronaldo mit seinen Leistungen in Katar jedenfalls nicht gemacht habe. Zwar ist der Superstar nun der einzige Spieler, der bei fünf verschiedenen Weltmeisterschaften getroffen hat. Und mit seinem 196. Länderspiel stellte er auch noch den Weltrekord von Badr al-Mutawa aus Kuwait ein. Doch viel mehr als diese eindrucksvollen Zahlen und die Bilder des weinenden Ronaldo bleiben nicht.

Junge Generation im Anmarsch

Das ganze Team hatte nach dem 0:1 gegen Marokko, das mit seiner Defensivtaktik als erstes afrikanisches Team in ein WM-Halbfinale einzog, das Gefühl, eine große Chance vergeben zu haben. „Trauriges Ende. Vom Tiefschlaf zur endgültigen Verzweiflung“, titelte „Record“. Der enttäuschte Pepe, der auch den Schiedsrichter kritisierte, sagte: „Wir haben versucht, so gut wie möglich zu spielen. Wir haben nicht erwartet, dass es so ausgeht. Was soll man machen? Es hat überhaupt nichts funktioniert, ich bin wirklich wütend, aber wir haben alles gegeben.“

Immerhin hat Portugals junge Generation um João Félix (23), Gonçalo Ramos (21) und Rafael Leão (23) zumindest in einigen Partien wie beim 6:1 im Achtelfinale gegen die Schweiz bewiesen, welches Talent sie hat. Der 28 Jahre alte Bruno Fernandes spielte ebenfalls ein starkes Turnier. Und auch wenn Cristiano Ronaldos Freundin Georgina Rodriguez Trainer Santos vorwarf, die „stärkste Waffe“ auf die Bank gesetzt zu haben, war offensichtlich, dass das portugiesische Team Ronaldo nicht mehr braucht - und ohne ihn sogar besser ist. Die Zeitung „Público“ traute sich bereits zu fragen: „Ist das das Ende einer Ära in der Seleção?“