Rund ums All-Star-Game in Stuttgart diskutierten die Handballer in Württemberg über die Zukunft ihres Sports – und allen ist klar: Ohne harte Arbeit wird sich nichts bewegen lassen.

Stuttgart - Hassan Moustafa ist ein cleverer Mann, ansonsten wäre er nicht schon seit 19 Jahren Boss des Handball-Weltverbandes (IHF). Mit der WM war der Ägypter (Spitzname: „Pharao“) hochzufrieden, ganz unabhängig vom sportlichen Ausgang. Ihm ging es um den emotionalen Wert. „Für den Handball ist die Begeisterung in Deutschland ungemein wichtig“, sagte Moustafa also, „denn wenn der Handball in Deutschland gesund ist, dann ist er auch weltweit gesund.“

 

Hört sich gut an, der Satz. Und doch ist er zugleich eine Verpflichtung. Weil es nun nicht nur darum geht, die Begeisterung zu bewahren. Sondern die Euphorie in Zahlen umzumünzen. Die deutschen Handballer hoffen auf mehr Talente, mehr Zuschauer, mehr Sponsoren. Und zugleich ist allen bewusst, dass sich von alleine nichts bewegen wird – natürlich auch Axel Kromer.

Das Selbstwertgefühl der Handballer steigt

Am Sonntag ärgerte sich der Sportchef des Deutschen Handballbunds (DHB) im dänischen Herning noch über die verpasste WM-Bronzemedaille, am Montag stand er schon wieder in seinem Wohnart am Fuße der Alb in der Halle. Zur Basisarbeit. Kromer trainiert die D-Jugend der Spvgg Mössingen, und er tut dies nicht nur, weil sein Sohn in dem Team spielt. Sondern auch, weil er wissen will, wie die Spieler, Übungsleiter und Funktionäre in den (kleinen) Vereinen ticken. Was das Selbstwertgefühl der Leute an der Basis angeht, da ist sich Kromer sicher, wird die WM einen großen Effekt haben. „Alle Handelnden im Handball können wieder stolz sein auf das, was sie tun“, sagt er, „durch die WM wird ihre Leidenschaft gebunden.“ Und bei Nicht-Handballern entfacht?

Einen neuen Spieler durfte Kromer im D-Jugend-Training begrüßen, die anderen berichteten, sie seien von Mitschülern immer wieder auf die WM angesprochen worden. „Viele haben erstmals Handball auf diesem hohen Niveau gesehen“, sagt der DHB-Funktionär, „das kann natürlich einen Effekt haben, doch darauf dürfen wir uns nicht verlassen. Verbände und Vereine müssen jetzt aktiv werden, in die Schulen gehen, Interessierte von sich überzeugen.“

Party in der Porsche-Arena

Wie groß die Euphorie aktuell ist, wird sich auch an diesem Freitag (19 Uhr) zeigen. Beim All-Star-Game in der Stuttgarter Porsche-Arena. Das deutsche Nationalteam trifft auf eine Bundesliga-Auswahl, die Halle ist längst ausverkauft. Hinter den Kulissen wird eifrig debattiert, der Ligaverband HBL zum Beispiel spricht mit den Trainern, Sportchefs und Geschäftsführern seiner Erst- und Zweitligisten darüber, wie der WM-Schwung am besten genutzt werden kann. Auf dem Feld soll eine große Handball-Party steigen, an der auch 32 Talente der SG H2Ku Herrenberg beteiligt sind. Als Einlaufkinder.

Organisiert hat den Trip nach Stuttgart Peter Kiener, der frühere Chef des Vereins und heutige Jugendtrainer hatte weit mehr als 50 Anmeldungen. „Ein Effekt der WM ist, dass die Kids, die bereits Handball spielen, nun noch begeisterter sind“, sagt er, „neue Talente zu finden, wird aber nicht einfach. Dafür wäre es wichtig, dass sich auch Eltern und Lehrer begeistern lassen. Das ist nun die Aufgabe der Vereine und Verbände. Sie müssen schaffen, was nach dem WM-Titel 2007 nicht gelungen ist.“

Die Trainer spielen eine wichtige Rolle

In der Verantwortung steht dabei auch Nico Kiener. Der Sohn von Peter Kiener ist Landestrainer in Württemberg, und er hofft, dass sich der WM-Hype auch in seinem Bereich bemerkbar macht. 2018 gab es im Handball-Verband Württemberg rund 100 neue C-Lizenz-Trainer, eine ähnliche Zahl wird für 2019 erwartet. „Während das Interesse in anderen Sportarten zurückgeht, gab es bei uns zuletzt eine Steigerung um 25 Prozent“, sagt Nico Kiener, „nun hoffen wir, dass das Interesse der Trainer, sich aus- und fortbilden zu lassen, durch die WM noch einmal zunimmt. Sie leisten die wichtige Basisarbeit in den Vereinen, die allerdings auch qualitativ gut sein muss. Sonst wird es keine Nachhaltigkeit geben.“

Gefragt sind gleichzeitig aber auch die Topclubs. Bundesligisten wie der TVB Stuttgart. Schon in der Vergangenheit hat Jürgen Schweikardt, der Trainer und Geschäftsführer, seine Profis regelmäßig in Schulen und und zu Trainingseinheiten von Jugend-Teams geschickt. Dieses Konzept will er nun intensivieren. „Einen langfristigen Effekt wird die WM nur dann haben, wenn es uns jetzt gelingt, neue Kinder und Jugendliche in die Vereine zu holen“, sagt Schweikardt – und erhält Unterstützung von Andreas Kroll.

Er ist der Geschäftsführer der Veranstaltungsgesellschaft in.Stuttgart, zu seinen Aufgaben gehört unter anderem die Vermarktung der Porsche-Arena, in welcher der TVB Stuttgart das eine oder andere Heimspiel austrägt. „Der Verein baut auf Spieler aus der Region und auch auf Ex-Nationalspieler“, sagt Kroll, „damit schafft er eine Identität. Das ist wichtig. Jetzt geht es darum, den Rückenwind aus der EM mitzunehmen und das Starpotenzial, das auch in der Bundesliga steckt, weiter auszubauen.“ An fehlender Motivation wird dies nicht scheitern. „Es ist ein guter Moment“, erklärt Jürgen Schweikardt, „um noch mehr zu machen.“

Weil noch selten jemand gesund geblieben ist, der nicht bereit war, für sein Wohlbefinden auch etwas zu tun.