Eine völlig entfesselt spielende DFB-Auswahl schreibt beim 7:1 gegen Brasilien Geschichte. Sie düpiert den WM-Gastgeber und zieht ins Finale der Fußball-WM ein. Marko Schumacher berichtet aus Belo Horizonte von einem ganz besonderen Spiel.

Belo Horizonte - Neuer, Lahm, Boateng, Hummels, Höwedes, Khedira, Schweinsteiger, Kroos, Müller, Klose, Özil. Diese Startaufstellung werden viele Deutsche vermutlich noch Jahrzehnte später aufsagen können. So wie die Namen der deutschen Weltmeister von 1954, 1974 und 1990. Den vierten Titel hat die DFB-Auswahl zwar noch nicht gewonnen, doch die Spieler der Generation 2014 haben Denkwürdiges vollbracht. Sie besiegten im Halbfinale den Rekordweltmeister, Gastgeber und Titelfavoriten Brasilien mit einem unglaublichen 7:1. „Spiele können sich verrückt entwickeln, wir haben die Räume grandios genutzt“, sagte Thomas Müller.

 

Dieser 8. Juli 2014 wird fortan einen festen Platz in der Fußballhistorie beider Länder haben – als Wunderwerk beziehungsweise Debakel von Belo Horizonte. Damit wollen sich Joachim Löw und seine Spieler aber noch lange nicht zufrieden geben. Das Finale am Sonntag in Rio de Janeiro gegen den Sieger der heutigen Partie zwischen den Niederlanden und Argentinien soll die ultimative Krönung dieser sich ständig steigernden und besonderen deutschen Mannschaft werden.

Erst zum zweiten Mal in der WM-Geschichte begegneten sich die Fußball-Großmächte Deutschland und Brasilien. 2002 siegten die Brasilianer im WM-Finale von Yokohama 2:0. Damals vermissten die Deutschen ihren wichtigsten Spieler. Michel Ballack fehlte gelbgesperrt. Diesmal mussten die Brasilianer auf den Mann verzichten, der sie zuvor durchs Turnier getragen hatte. Für den schwer verletzten Neymar stand der 21 Jahre alte Bernard von Schachtjor Donezk in der brasilianischen Startformation. Der Kapitän Thiago Silva (Gelbsperre) wurde vom Bayern-Abwehrchef Dante ersetzt.

Hoffnung brutal zerstört

Die DFB-Auswahl begann wie beim Viertelfinalsieg gegen Frankreich – also mit Philipp Lahm auf der rechten Außenverteidigerposition und mit Miroslav Klose im Angriff. Der Stürmer von Lazio Rom war bereits 2002 mit von der Partie, ebenso wie Brasiliens Trainer Felipe Scolari. Der hatte darauf gebaut, dass das Fehlen von Neymar eine Trotzreaktion in seinem Team hervorrufen und Kräfte freisetzen würde.

Diese brasilianische Hoffnung wurde von einer grandiosen deutschen Nationalelf ebenso früh wie brutal zerstört. Nach nicht einmal einer halben Stunde führte eine taktisch, körperlich und spielerisch herausragend auftretende deutsche Mannschaft mit sage und schreibe 5:0 gegen völlig konsternierte Brasilianer. Den Anfang machte Thomas Müller, der nach einer Ecke den Ball völlig ungestört volley zu seinem fünften Turniertreffer ins Netz befördern durfte.

Historisches Schützenfest

Dies war der Startschuss für ein historisches Schützenfest. Miroslav Klose traf zum 2:0 und durfte sich zugleich auch noch als alleiniger WM-Rekordtorschütze feiern lassen. Es war der 16. WM-Treffer des unverwüstlichen Stürmers. Toni Kroos gelangen die Treffer zum 3:0 und 4:0, ehe Sami Khedira das 5:0 draufsetzte. Die deutsche Mannschaft berauschte sich an sich selbst und spielte sich wie im Training durch eine völlig überforderte brasilianische Hintermannschaft.

Bei den zu Beginn noch so euphorischen Fans des Gastgebers herrschte in der Pause das blanke Entsetzen. Das Stadion von Belo Horizonte wirkte wie ein einziger großer ratlos geschüttelter Kopf. Und es flossen Tränen, viele Tränen, sehr viele Tränen der brasilianischen Enttäuschung.

Die Deutschen durften in der zweiten Hälfte weiter jubeln: über herausragende Paraden von Manuel Neuer und über das 6:0 und 7:0 des eingewechselten André Schürrle. Und nach Oscars Treffer zum 1:7 (90.) war er perfekt, der höchste WM-Halbfinalsieg einer deutschen Fußballnationalmannschaft. Zuvor stach ein 6:1 gegen Österreich aus dem Jahr 1954 als Rekordergebnis hervor. Am Sonntag soll nun der nächste Eintrag ins deutsche Fußball-Geschichtsbuch folgen.