In dieser Kolumne berichten StZ-Kollegen außerhalb des Sportressorts, was Ihnen zur WM einfällt. Heute schreibt Ingmar Volkmann über seine Erfahrungen beim Fußballschauen in Las Vegas.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Las Vegas - Kürzlich war ich übers Wochenende in Las Vegas. Diesen Satz wollte ich schon immer mal schreiben, daher gleich noch einmal: Kürzlich war ich übers Wochenende in Las Vegas. Dringende Geschäfte führten mich in dieses Disneyland für Angehörige der Kaste White Trash. Las Vegas ist wie ein niemals enden wollender Junggesellenabschied. Wie eine Theodor-Heuss-Straße mit mehr Blinklichtern. Ich fühle mich dort sehr wohl. Die Stadt versteht es perfekt, alle menschlichen Schwächen zu monetarisieren: Sex (bin ich zu katholisch für), Glücksspiel (bin ich zu doof für) und Alkohol (kenn ich mich aus, Stichwort „breit wie nie“, Sie erinnern sich vielleicht). Meine Schwäche ist Fußball, daher war es für mich von elementarer Bedeutung, sofort nach Ankunft einen stilechten Ort zu finden, an dem das Spiel Deutschland gegen Ghana übertragen wird.

 

Eine Freundin aus Los Angeles (auch das ist übrigens ein Satz, den man immer mal einstreuen kann) empfahl mir das Hofbräuhaus Las Vegas. Wenn schon stilvoll, dann aber richtig. Sie hatte nicht zu viel versprochen. Das Hofbräuhaus Las Vegas liegt völlig zu Recht an der Paradise Road und ist ein Originalnachbau der Heimstätte für bayerische Kunst und Kultur in München. Der Biergarten befindet sich nicht im Freien, sondern ist eingemauert und angemessen düster. Den Torbogen zum Biergarten ziert der weise Spruch „Durst ist schlimmer als Heimweh“, der mich an eine andere Lebensweisheit, „A little drink in the morning time is better als den ganzen Tag gor keinen“ erinnert, gesehen in einer Pinte in Feuerbach. An einer Wand auf dem Weg zu den Toiletten hängen all die Promis, die sich hier – in Vegas, nicht in Feuerbach – schon die Krüge in die Hand gegeben haben: meine Vorbilder Siegfried & Roy, ohne Kätzchen, die Charakterdarstellerin Pamela Anderson und Mr. T, der Boateng des A-Teams.

Spitzenplatz mit Spitzenblick

Der Anpfiff des Spiels sollte um 12 Uhr Ortszeit erfolgen. High Noon im Hofbräuhaus, ohne Gary Cooper, dafür mit Marschall Lahm. Da es draußen 45 Grad hatte, entschieden wir uns, etwas Leichtes zu speisen: Als Entree wählten wir aus der Sektion „Bavarian Snacks“ den Hofbräuhaus Brotzeitteller, eine „Cold Cut Platter“, die aus verschiedenen Wurstsorten bestand. Einmal in Fahrt im Segment Wurst, machten wir mit der Wurstplatte weiter, schließlich fühlten wir uns durch den Zusatz „For Sausage Lovers“ sehr angesprochen. Zu den ausgezeichneten Wurstwaren wurde „imported Sauerkraut“ gereicht. Nach dieser Zwischenmahlzeit waren wir nervlich für die offene Sohle gegen den Ghanaer gewappnet.

Wir hatten einen Spitzenplatz mit einem Spitzenblick auf den Fernseher und ein Spitzenpärchen aus dem Ruhrpott. Bereits nach wenigen Spielminuten fiel mir wieder ein, wieso ich Public Viewing nervlich nicht mehr ertrage: Rudolf Ruhrpott versuchte sich über die gesamte Spielzeit an einer profunden Taktikanalyse, die im Wesentlichen auf den Begriffen „Dat jibt et doch nich“, „Meine Fresse“ und „Scheißkhedira“ beruhte. Im Herzen weinte ich.

Zur Belohnung hatten wir noch eine weitere Atze am Tisch sitzen, einen Pokerprofi, der schon seit Wochen in Vegas weilte und eigenen Angaben zufolge bei dem viel beachteten Überfall auf ein Casino in Berlin vor einiger Zeit zugegen war – nicht als Räuber, sondern als Spieler: „Das waren irgendwelche Ali Babas oder diese Typen, die in Russland mal Geiseln genommen haben, diese, na?“ – „Schoschonen?“, bot ich ihm an, woraufhin für den Rest des Spiels an unserem Tisch Schweigen herrschte.

Nach dem Spiel wurden wir vor der Tür schnell wieder geerdet: 45 Grad fühlen sich in Vegas an, als würde man konstant ein heißes Handtuch ins Gesicht gedrückt bekommen. Die Hitze machte uns hungrig: Wir bekamen Lust auf Gegrilltes.