Franz Beckenbauer könnte einmal mehr viel erzählen, doch der 70-Jährige liefert keine Antworten. Der Druck auf ihn wird größer und größer.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Bis vor knapp vier Wochen ist vieles auf dem deutschen Fußballplaneten ganz einfach gewesen. Noch bevor eine Frage gestellt war, wurde sie auch schon beantwortet: von Franz Beckenbauer. Er war auf so ziemlich allen Fernsehkanälen unterwegs, die dem Ball hinterherjagten. Beckenbauer plauderte über die Champions League, er sprach charmant über die Bundesliga, und er redete launig über die Nationalmannschaft. Manchmal warf er in seinen „Bild“-Kolumnen auch alles zusammen, was ihm gerade so einfiel.

 

Doch jetzt ist nichts mehr, wie es war. Seit dem 16. Oktober. Seit dem Tag, an dem das Nachrichtenmagazin „Spiegel“ mit einem Bericht über angeblich gekaufte Wahlstimmen bei der Vergabe der WM 2006 den deutschen Fußball erschütterte. Seit diesem Tag ist Beckenbauers Dauerlächeln von den Bildschirmen verschwunden. Die große Medienfigur ist verstummt.

Die Anwälte ringen um jedes Wort

Mit einer Ausnahme: am 26. Oktober räumt Beckenbauer im WM-Skandal einen „Fehler“ ein. Er sagt es jedoch nicht, nachdem er von den externen DFB-Ermittlern stundenlang verhört wird. Beckenbauer lässt eine Stellungnahme verbreiten. Das damalige WM-Organisationskomitee hätte nicht auf einen Vorschlag der Fifa-Finanzkommission eingehen dürfen, um einen Finanzzuschuss zu erhalten. Es geht um den dubiosen Geldfluss von 6,7 Millionen Euro.

Mehr teilt der ehemalige OK-Chef nicht mit. Doch mittlerweile geht es um mehr, viel mehr. Und man kann sich vorstellen, wie Beckenbauers Anwälte da schon um jedes Wort in dieser Erklärung gerungen haben. Wie sie mit jeder Formulierung versucht haben, einerseits Beckenbauers Aufklärungswillen zu demonstrieren, andererseits ihren Mandanten zu schützen.

Eine Mauer des Schweigens – aus Taktik?

Daran hat sich nichts geändert. Beckenbauer ist umringt von Anwälten und Beratern, und ihn umgibt eine Mauer des Schweigens. So könne er auf alle möglichen Wendungen in dieser undurchsichtigen Geschichte noch am ehesten reagieren – das scheint die Strategie. Und warten.

Doch auch an anderer Stelle warten sie. Beim DFB warten sie auf Antworten. „Wir haben die Bitte, dass er sich intensiver einbringt in die Aufklärung“, sagt der DFB-Vize Rainer Koch, der den Sportfachverband vorübergehend führt. Aber eine juristische Handhabe hat der DFB gegen seinen Ehrenspielführer nicht. Auf Aussagen können nur die Fifa-Ethikkommission oder die Staatsanwaltschaft pochen. Doch in den Ermittlungen wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung spielt Beckenbauer keine Rolle. Ein möglicher Straftatbestand der Korruption wäre verjährt.

„Bild“ geht auf Distanz

Dennoch: auf Springers Boulevard wollen sie nicht mehr warten. „Bild“, das Beckenbauer-Blatt schlechthin, veröffentlicht, dass ein brisanter Vertragsentwurf die Unterschrift Beckenbauers trage. Damit gilt er mit seinem Schattenmann Fedor Radmann als Schlüsselfigur um ein womöglich gekauftes Sommermärchen. Der „Sport Bild“-Chefredakteur Alfred Draxler geht in einem Kommentar jedenfalls umgehend auf Distanz zu seinem Freund. Er entschuldigt sich sogar für seine Attacken auf den „Spiegel“, der die Lawine losgetreten hat. Was in der Szene zu zwei Schlussfolgerungen führt. Erstens: der mächtige Springer Verlag kann seine schützende Hand nicht mehr über Beckenbauer halten. Zweitens: es wird mit weiteren Enthüllungen gerechnet.

Der Druck auf den 70-Jährigen nimmt also immer mehr zu, jetzt, da eine Männerfreundschaft zerbrochen ist und sein langjähriger Wegbegleiter Wolfgang Niersbach nicht mehr DFB-Präsident ist. Das lebende Schutzschild ist weg. Dabei hatte Niersbach bis vor zwei Wochen noch andersherum gehofft, dass Beckenbauer ihm beistehen würde. Stundenlang diskutierten sie über das weitere Vorgehen. Wobei es viel über Beckenbauers Selbstverständnis und sein Verhältnis zum zurückgetretenen DFB-Chef aussagt, dass sie sich in Salzburg trafen. Dort residiert der Fußballkaiser, dort bat er zur Audienz.

Auch um den Kaiser wird es einsam

Heraus kam jedoch nur eine wirre und jetzt schon legendäre Pressekonferenz, die Niersbach mit den Job kostete, denn Beckenbauer hatte den 64-jährigen Ex-Journalisten im schwersten Moment seiner Funktionärskarriere allein gelassen. Keine Widersprüche wurden aufgeklärt. Kein Licht ins Halbdunkel gebracht. Doch nun, da sich alle Augen auf den Mann richten, dem immer alles so leicht von der Hand ging, wird es auch um Beckenbauer einsam.