Queen Elizabeth II. verbringt ihren Sommerurlaub stets auf Schloss Balmoral in Schottland. Man kann sie gut verstehen. Die Grafschaft Aberdeenshire ist wirklich wunderschön. Und die Männer, breit wieKleiderschränke, tragen karierte Röcke.

Freizeit & Unterhaltung: Anja Wasserbäch (nja)

Aberdeen - Eine verregnete Woche an der Westküste Schottlands und eine tödliche Fischgräte sind daran schuld, dass das Landgut Balmoral in königlichen Besitz kam. Der einstige Besitzer erstickte beim Fischessen, Königin Victoria wollte keinen Regen mehr im Westen, sondern lieber im Osten Schottlands urlauben. Also mietete sie 1848 das Schloss. Und Victoria und Prinz Albert verliebten sich in das Anwesen am Fluss Dee und auch in die Region Aberdeenshire. „Jedes Jahr fühle ich mich tiefer verbunden mit diesem geliebten Paradies“, notierte Königin Victoria. Recht hatte sie: Es ist ein Paradies mit seinen Nadel- und Mammutbäumen, den Geranien und Funkien im Gewächshaus, den Douglasien und roten Eichhörnchen, die in Schottland selten geworden sind. Das Balmoral Castle, zumindest ein Raum und das gesamte Anwesen, kann von Touristen besucht werden, bevor die Queen im Sommer anreist. Und auch wenn das Gärtnern hier schwierig ist, weil nur der Monat Juli als garantiert frostfrei gilt, wird alles so angebaut, dass es in der ersten Woche im August reif zur Ernte ist.

 

Alles für die Queen: die Sommerblumen für die zwei großen Sträuße neben dem Kamin und die schwarzen Radieschen, der Ingwer und das Zitronengras, die Karotten und Kartoffeln. Der Garten liegt 300 Meter über dem Meeresspiegel, in den Sommermonaten geht die Sonne erst nach 23 Uhr unter. Gerne sei sie hier, ist immer wieder zu lesen. Und man kann es verstehen. Schön ist es am Fluss Dee. Hier wird gejagt, gefischt, auf Ponys geritten. Auf dem Tierfriedhof sind Elizabeths geliebte Corgis begraben.

Die Schotten mögen die Queen. Sie schätzen ihre Traditionen, sind aber keine zukunftsscheuen Wesen. Sie mögen auch die Europäische Union und wollen am liebsten drinbleiben. Brexit? Pah! Stinksauer sind sie wegen des geplanten Ausstiegs.

Die Grafschaft Aberdeenshire hat alles: Highlands, Küste, Städtchen, Schlösser, Whisky und Craft Beer

George Stewart (59) trägt natürlich Kilt, den berühmten karierten Schottenrock. Er ist Guide und Fahrer von den Rabbie’s, einer Organisation, mit der man Schottland bestens erkunden kann. Mit ihm kommt man gut rum in Aberdeenshire, besucht die „Silver City“ Aberdeen, die so heißt, weil viele Gebäude aus Granit gebaut sind. Mal leuchtet es silbern, mal sieht es sehr trist aus. Je nach Wetter, das sich in Schottland bekanntermaßen sehr schnell ändern kann. Schon aus dem Flugzeug im Landeanflug auf Aberdeen sind viel Grün, viel Wiese, ein paar Steinhäuser und Pferde zu sehen. Die Grafschaft Aberdeenshire hat alles: Highlands, Küste, Städtchen, Schlösser, Whisky und Craft Beer.

Aberdeenshire ist eine reiche Gegend. Bis ins 6. Jahrhundert geht die Geschichte von Aberdeen zurück, früher machte man in Textilien, heute immer noch in Öl, was auch die Tanker vor der Küste erklärt. Die Innenstadt von Aberdeen mit ihren zwei Universitäten und Parks ist hübsch und übersichtlich. 230 000 Menschen leben hier, viele davon sind Studenten. Heute feiern sie ihren Abschluss in den schönen schwarzen Roben und werfen ihre Hüte in die Luft. In Aberdeen geht nichts ohne Traditionen. Und wenn eben nichts mehr geht, wie etwa in den Kirchen in der Belmont Street, werden sie zu Discotheken umfunktioniert.

Wer durch Aberdeenshire fährt, sieht nicht nur immer wieder Einhörner, das Wappentier Schottlands, sondern vor allem viele Schlösser. Keine Gegend im Vereinigten Königreich hat mehr Schlösser zu bieten als diese Grafschaft. Und zwar sehr unterschiedliche. Da gibt es etwa Dunnator Castle, eine Burgruine, die dramatisch auf einer Klippe im Meer thront. Oder zum Beispiel das Fyvie Castle, in dem man sogar übernachten kann. Die Räume werden vom National Trust via Airbnb vermietet. Andrew Collins führt seit zehn Jahren Besucher durch das Fyvie Castle, weiß mehr über die ehemalige Eigentümerfamilie als über seine eigene. Er kennt jeden Winkel der 110 Räume, die früher je nach Tageszeit, also Sonnenstand von den reichen Menschen gewechselt wurden. Collins aber kennt auch gruselige Geschichten von Flüchen. 600 Jahre lang wurde Fyvie Castle immer dem ältesten Sohn vererbt, aber sie starben immer alle vor dem Vater.

Attraktion sind die Männer, groß und breit wie Kleiderschränke

Die Schlösser liegen alle in dieser schönen Landschaft, bei der man auf einmal merkt, wie viel unterschiedliche Grüntöne die Natur zu bieten hat – sattes Grasgrün, Moosgrün, Tannengrün, helles Weizengrün. Es hört gar nicht mehr auf. Und je weiter man von der Ostküste ins Land hineinfährt, sieht man noch mehr Farben: gelb leuchten die Ginsterbüsche, lila die Heide.

Kilt, den berühmten karierten Männerrock, tragen sie gerne hier, zu besonderen Anlässen wie Hochzeiten oder Fußballspielen. Oder eben zu den Highland Games, eine Mischung aus Bundesjugendspielen und Schützenfest. Natürlich wird Dudelsack gespielt, getrunken wird Whisky. Seit 40 Jahren gibt es etwa die Drumtochty Highland Games. Rob Aitken, 82 Jahre alt, hat sie hierher gebracht. Das war 1977. Prinzessin Anne hat die Spiele damals eröffnet. Heute kommen jedes Jahr immer noch 5000 Menschen, sitzen auf Strohballen, haben Picknickdecken dabei. „Man muss die Tradition am Leben erhalten“, sagt Aitken heute. Seine Enkelin Rachel (23) tanzt und springt auf der Bühne. Natürlich im karierten Rock zu Dudelsackmusik. So viel Tradition muss sein. Attraktion aber sind die Männer, groß und breit wie Kleiderschränke. Die „Heavies“ werden sie genannt. Und sie werfen Baumstämme durch die Luft. Kyle Randalls, einer dieser Schränke, nennt die Highland Games sein „Vollzeithobby“ und tritt in den Sommermonaten irgendwo anders in Schottland an. Der Abschluss der jährlichen Highland Games findet dann am ersten September-Wochenende in Braemar statt. Schirmherrin ist Königin Elisabeth II. Wenn es in ihren Zeitplan passt, ist sie vor Ort. Und zu ihrem Sommerschloss Balmoral ist es ja nicht weit.

Anreise, Unterkünfte, Sehenswertes

Anreise Verschiedene Airlines fliegen über London, Paris oder Amsterdam nach Aberdeen. Direktflüge gibt es ab Frankfurt. In Schottland ist Linksverkehr. Wer sich die Tour mit einem Mietwagen nicht zutraut, kann sich einer Gruppe der Rabbie’s anschließen oder einen privaten Guide buchen. Sie sind echte Experten und man fährt in kleinen Bussen mit 16 Sitzplätzen. www.rabbies.com

Unterkunft Macdonald Pittodrie House Hotel in der Nähe von Aberdeen ist ein historisches Gebäude, in dem man sich wie in der Serie „Downton Abbey“ fühlt. Übernachtung mit Frühstück und Abendessen ab etwa 120 Euro die Nacht. Ebenfalls unweit von Aberdeen: Mercure Aberdeen House Hotel in einem Gebäude aus dem 19. Jahrhundert, schöner Garten und gute Zimmer ab 69 Euro die Nacht.

Anschauen Balmoral: 80 Hektar großes Landgut, das vom 1. April bis 31. Juli für Touristen geöffnet ist. Audioguide zum Leihen oder per App erkundbar. Eintritt für Erwachsene 11,50 Pfund. Es gibt auch Cottages zum Mieten. Die Lochnagar Distillery unweit vom Schloss Balmoral. Hier kann man Führungen und Verkostungen buchen. Aber verschwiegen sind die Mitarbeiter: Ein Fass von Prinz Charles lagert zwar hier, welchen Whisky die Mitglieder der königlichen Familie am liebsten trinken, bleibt bestgehütetes Geheimnis. Dunnottar Castle ist eine Burgruine, die dramatisch auf den Klippen steht. Fyvie Castle ist ein eindrucksvolles Schloss mit vielen Kunstwerken und Antiquitäten. Man kann hier sogar übernachten. Die Räume werden vom National Trust via Airbnb vermietet.

Essen und Trinken Tolle Fish & Chips im The Bay Fish & Chips in Stonehaven.

Allgemeine Informationen www.visitscotland.com www.visitbritain.de