Die Geschichte der Rückkehr der Wölfe nach Deutschland beginnt auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz, 30 Kilometer nordöstlich von Hermsdorf. Sechs Jahre hatte der Wolf nach der Wende, bis zu der die Wolfsjagd in der DDR erlaubt war, gewartet, ehe er sich auf deutsches Staatsgebiet traute. Und vier weitere Jahre dauerte es, bis sich in der Muskauer Heide das erste Rudel bildete.

 

Eine Wölfin der ersten Stunde war „FT3“, auch Einauge genannt. Sie ist ein Beispiel dafür, wie sich die Raubtiere ihr Revier in Ostdeutschland erkämpfen mussten. Noch bevor sie 2005 ihr eigenes, das Nochtener Rudel bildet, wird mindestens zweimal auf sie geschossen. Sie verliert ein Auge und lahmt danach wegen eines lädierten Beines. Trotzdem zieht sie bis 2011 mit einem Rüden insgesamt 42 Welpen auf, die ihrerseits vier neue Rudel bilden. Dann wird Einauge aus ihrem Revier vertrieben, ihre zweijährige Tochter Lisa übernimmt.

Möglich sind diese Rekonstruktionen durch die Arbeit von Wissenschaftlern, die die Wölfe in der Lausitz auf Schritt und Tritt verfolgen. In Spreewitz, 30 Kilometer nördlich von Hermsdorf, verfolgen zwei Wolfsbeobachter des privaten Institutes Lupus die Spuren der Tiere, sie lesen den Kot, stellen Fotofallen auf und fangen Wölfe, um sie mit Sendern zu versehen.

Der Wolf gehört historisch gesehen in die Wälder Deutschlands

Die Daten werden in Rietschen in der Oberlausitz zu Worten. In einem Holzhaus, eingebettet in ein Museumsdorf am Ortsrand, befindet sich das Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz. Hier wirbt Projektleiterin Vanessa Ludwig für den Wolf. Für sie ist klar: „Der Wolf stellt das natürliche Gleichgewicht im Wald her.“ Er gehöre historisch gesehen in die Wälder Deutschlands, er ist hier heimisch. Im Gegensatz zu den Arten, die er ausrottet. Der Mufflon etwa, das Wildschaf, war früher nur auf Korsika und Sardinien zu Hause.

Noltenius sagt: „Der Wolf ist ein Opportunist, er holt sich die Arten, die er leicht kriegen kann.“ Warum, fragt er sich, schützen wir den Wolf und andere Tiere nicht? Mit geschätzten 25 000 Tieren gilt der Wolf in Nordosteuropa seit 2004 nicht mehr als gefährdet. Das Wildschaf Mufflon hingegen, eine seiner beliebtesten Mahlzeiten, ist in der Gegend praktisch ausgestorben. „Für uns Jäger sind alle Arten gleich“, sagt er, „gegenüber Tieren bin ich kommunistisch.“ Wir haben also die Wahl: Wollen wir in unserem Wald die Gesetze Darwins oder die des Sozialismus?

Der Wolf ist in Deutschland ein Repräsentant der wilden Natur, wie sie sich viele Menschen zurückwünschen. Wolfsbefürworter erachten die geglückte Wiederansiedlung als Erfolg des Umweltschutzes. Anders denken die Menschen vor Ort. „Die Lausitz, das ist keine Wildnis“, sagt Noltenius, „wir Menschen haben sie verändert, teilweise zerstört. Wir können jetzt nicht so tun, als wäre das nicht passiert.“ In anderen Worten: der Mensch ist Teil der Natur, also trägt er auch Verantwortung an der natürlichen Ordnung.

Noltenius und ein Dutzend anderer Jäger aus der Region Bautzen haben eine Aktionsgruppe Wolf gegründet und eine Webseite namens Wolfszone eingerichtet, sie verspricht, „Wolf und Naturschutz aus anderer Sicht“ zu betrachten. Ende Januar übergab die Gruppe dem sächsischen Landtag eine Petition mit insgesamt 10 000 Unterschriften mit der provokanten Überschrift: „Die heimische Tierwelt bittet um ihre Hilfe.“

Noltenius wirkt nicht wie ein martialischer Wolfsmörder

„Wir werden den Wolf jagen müssen“, sagt Noltenius mit großer Bestimmtheit. Er wirkt nicht wie ein martialischer Wolfsmörder oder Tierquäler. Er spricht mit ruhiger Stimme, analysiert, relativiert. Er ist ein Pragmatiker, der es in Ordnung findet, Tiere zu töten. Kollege Jentschel rutscht eher mal ein pfeffriger Spruch über die Lippen. Er gibt auch zu, dass er den Wolf gerne jagen würde, sobald es legal ist. „Denn wir jagen für die Beute.“ Muss man sie deswegen Mörder nennen, sie anfeinden, ihnen die Hochsitze im Wald umsägen?

Jentschel tippt mit dem Finger auf die Statistik zu den Wölfen in der Lausitz. 2000: 1 Rudel. 2007: 3 Rudel. 2010: 6 Rudel. 2014: 15 Rudel. Wissenschaftler haben bundesweit Raum für rund 400 Wolfsfamilien errechnet. Zurzeit sind es mindestens 21 Familien und vier Paare. Es hat also noch Platz. Nur: Was passiert dann? Die meisten Wolfspaare bekommen jährlich Nachwuchs, pro Wurf gibt es im Schnitt vier bis fünf Welpen. Die Jäger rechnen damit, dass pro Jahr 1000 Wölfe „entnommen“ werden müssten, wenn das Maximum erreicht ist.

In der DDR war die Wolfsjagd erlaubt

Die Geschichte der Rückkehr der Wölfe nach Deutschland beginnt auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz, 30 Kilometer nordöstlich von Hermsdorf. Sechs Jahre hatte der Wolf nach der Wende, bis zu der die Wolfsjagd in der DDR erlaubt war, gewartet, ehe er sich auf deutsches Staatsgebiet traute. Und vier weitere Jahre dauerte es, bis sich in der Muskauer Heide das erste Rudel bildete.

Eine Wölfin der ersten Stunde war „FT3“, auch Einauge genannt. Sie ist ein Beispiel dafür, wie sich die Raubtiere ihr Revier in Ostdeutschland erkämpfen mussten. Noch bevor sie 2005 ihr eigenes, das Nochtener Rudel bildet, wird mindestens zweimal auf sie geschossen. Sie verliert ein Auge und lahmt danach wegen eines lädierten Beines. Trotzdem zieht sie bis 2011 mit einem Rüden insgesamt 42 Welpen auf, die ihrerseits vier neue Rudel bilden. Dann wird Einauge aus ihrem Revier vertrieben, ihre zweijährige Tochter Lisa übernimmt.

Möglich sind diese Rekonstruktionen durch die Arbeit von Wissenschaftlern, die die Wölfe in der Lausitz auf Schritt und Tritt verfolgen. In Spreewitz, 30 Kilometer nördlich von Hermsdorf, verfolgen zwei Wolfsbeobachter des privaten Institutes Lupus die Spuren der Tiere, sie lesen den Kot, stellen Fotofallen auf und fangen Wölfe, um sie mit Sendern zu versehen.

Der Wolf gehört historisch gesehen in die Wälder Deutschlands

Die Daten werden in Rietschen in der Oberlausitz zu Worten. In einem Holzhaus, eingebettet in ein Museumsdorf am Ortsrand, befindet sich das Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz. Hier wirbt Projektleiterin Vanessa Ludwig für den Wolf. Für sie ist klar: „Der Wolf stellt das natürliche Gleichgewicht im Wald her.“ Er gehöre historisch gesehen in die Wälder Deutschlands, er ist hier heimisch. Im Gegensatz zu den Arten, die er ausrottet. Der Mufflon etwa, das Wildschaf, war früher nur auf Korsika und Sardinien zu Hause.

Wenn der Wolf tötet, dann schleicht er sich auf geringe Distanz an, packt seine Opfer an Kehle oder Nacken. Größere Tiere werden erst zu Fall gebracht, dann getötet. Im Hochgebirge kann sich ein Mufflon mit einem schnellen Sprint auf Felsen retten. Aber im Flachland wie in der Lausitz hat es gegen den Wolf keine Chance. Eine Rückkehr des Wolfes ist also auch eine Rückkehr zur alten Ordnung. Für Zugewanderte mit fatalen Folgen.

Natürliche Feinde hat der Wolf nicht. Er frisst, wird aber nie gefressen. Gefährlich werden ihm allenfalls seine eigenen Artgenossen. Am 19. März 2013 gerät Einauge, die vertriebene Wolfspionierin, in Mücka, Landkreis Görlitz, 30 Kilometer westlich von Hermsdorf, in Grenzstreitigkeiten mit anderen Wölfen und stirbt. Sie ist zu diesem Zeitpunkt zwölf Jahre alt und damit die älteste Wölfin Deutschlands.

Der Rüde war aus Polen zugewandert

Zur gleichen Zeit bringt ihre Tochter Lisa, die von ihr das Nochtener Rudel übernommen hat, fünf Welpen zur Welt. Acht Monate nach dem Wurf liegt einer von Lisas Welpen mit 31 Schrotkugeln im Bauch auf der Wiese in Hermsdorf. Wer ihn getötet hat, wird wohl nie geklärt werden.

Noch sind die Untersuchungen zum Fall von Hermsdorf nicht abgeschlossen, und schon gibt es nun den nächsten Fall. Bei dem in einem Wald in Weißkessel gefundenen Wolf handelt es sich um den Rüden des Daubitzer Rudels. Es sei ein besonders wertvolles Tier, schreibt das Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz in seiner Pressemitteilung, denn der Rüde war aus Polen zugewandert und brachte frisches Blut in die Wolfspopulation. Anfang Mai wird die Fähe des Rudels Welpen zur Welt bringen. Normalerweise ist es der Vater, der sie danach ernährt. Nun müssen die Jungtiere des Rudels diese Aufgabe übernehmen. Oder aber die Wölfin findet einen neuen Rüden.