Warum immer in die Ferne schweifen? Im eigenen Land kann man wunderbar seine Ferien verbringen. Wir stellen sehenswerte Regionen zwischen Flensburg und Chiemgau vor, die man nicht unbedingt auf dem Zettel hat.
Die Osterferien stehen vor der Tür. Wer Wert auf Nachhaltigkeit legt und gleichzeitig den Geldbeutel schonen möchte, verbringt seine Auszeit am besten in der Nähe. Viele denken beim Reiseziel Deutschland vor allem an die bayerischen Alpen oder die norddeutschen Küstenregionen. Aber auch abseits bekannter Attraktionen lässt es sich prima Urlaub machen: Wir stellen Geheimtipps für jeden Geschmack vor.
Kreuzfahrtschiffe und Kanäle im Emsland
Im Westen Niedersachsens kann man was erleben: Birkenwälder, Blumenwiesen, wollgrasgesäumte Tümpel und mittendrin ein Kreuzfahrtschiff. In Papenburg im Emsland steht die Meyer Werft. Dort kann man zusehen, wie ein Luxusliner entsteht – nämlich scheibchenweise vertikal, als spielten Riesen mit überdimensionalen Legosteinen. Dass Papenburg überhaupt einen Hafen hat, verdankt die Stadt Dietrich von Velen. Der Gesandte des Hochstifts Münster holte einst Siedler, um das Moor abzubauen, aus dem Brennstoff hergestellt wurde. Holzkähne übernahmen den Abtransport. Bald bauten die Papenburger ihre Schiffe selbst. Um 1850 gab es mehr als 20 Werften, heute ist noch eine übrig. Das hübsche Städtchen erinnert mit seinen Kanälen und Klappbrücken an die Niederlande. Im Stadtpark gibt es eine Windmühle. Erkunden kann man das platte Land auf stolzen 2660 Kilometern mit Radwegen. Tipp: Sehr zeitgeistig und hübsch übernachtet man im nagelneuen Tinyhouse „Kleines Ems-Idyll“. Weitere Infos zum Emsland findet man hier.
Schwebende Züge und fliegende Elefanten in Wuppertal
Weithin sichtbares Wahrzeichen Wuppertals ist natürlich die Schwebebahn. Wie ein riesenhaftes Insekt steht die Eisenkonstruktion über dem Fluss Wupper, an den darunter hängenden Wägen schwebt man vom Stadtteil Vohwinkel bis nach Oberbarmen. Eine Fahrt ist ein Muss! Schließlich sind auch schon Kaiser Wilhelm II. und ein Elefant mitgefahren. 1950 ließ man zu Werbezwecken eine Dickhäuter-Dame namens Tuffi einsteigen. Doch der war das schaukelnde Gefährt nicht geheuer. Sie drückte eine Tür auf, stürzte sich in die Wupper und kam mit einer Schramme am Po davon. Sehenswert in der Hauptstadt des Bergischen Landes: Nordrhein-Westfalens größtes Gründerzeit-Villenviertel am Brill, der Skulpturenpark Waldfrieden, das Projekt Utopiastadt im Kulturbahnhof Mirke und die vielen Treppen im „San Francisco Deutschlands“.
Flensburg punktet mit dänischem Hygge-Gefühl
Beim Stichwort Flensburg denkt man an Beate Uhse, Punkte in der Verkehrssünderkartei und Bier in Bügelflaschen. Doch die Stadt im äußersten Norden hat einiges dafür getan, das biedere Image abzulegen. Heute kombiniert Flensburg maritime Lebensart mit dänischem Hygge-Gefühl. Auch die Sonne scheint hier öfter, als man so denkt. Unsere Tipps für den Städtetrip nach Flensburg: ein Bummel durch die beliebte Norderstraße, Kunst von Erich Heckel und Emil Nolde ansehen, die historischen Kaufmannshöfe besichtigen oder einen Ausflug zu Schloss Glücksburg machen, einem der bedeutendsten Wasserschlösser Nordeuropas.
Rostige Riesen und ein gebogener Fluss im Saarland
Schornsteine recken sich gen Himmel, rostige Rohre verknoten sich zu einem bizarren Labyrinth. Was aussieht wie die Kulisse eines Katastrophenfilms, ist ein stillgelegtes Industriegelände im Saarland. Ab 1873 schufteten hier Arbeiter, um Kohle zu Koks und Erz zu Eisen zu verhütten. 1994 wurde die Völklinger Hütte von der Unesco zum Weltkulturerbe geadelt und ist seither ein spannendes Ausflugsziel. In Ensdorf steht die Halde Duhamel, ein 150 Meter hoher Berg aus Förderabfall. Ein Weg führt hinauf zum Saarpolygon. Das Denkmal aus Stahl symbolisiert den Wandel der Region. Mettlach punktet mit Natur: hier windet sich die Saar um 180 Grad. Und wer Kaiser Wilhelms Nachttopf sehen will, besucht die Firma Villeroy und Boch.
Geschichte und Urwald im Norden Thüringens
Zu DDR-Zeiten lag die thüringische Region Eichsfeld direkt an der Mauer. Gleich zwei Museen erinnern an dieses traurige Kapitel der deutsch-deutschen Geschichte: das Grenzmuseum Schifflersgrund und das Grenzlandmuseum Eichsfeld. Beste Aussichten auf die landschaftlich hübsche Gegend bietet die Ruine der Burg Hanstein. Rennsportfans dürften den Namen kennen: Fritz Huschke von Hanstein fuhr einst für Porsche. Im nahen Mühlhausen findet man ein sehr gut erhaltenes mittelalterliches Stadtensemble. Hier stehen allein zehn gotische Kirchen – in einer davon wirkte Johann Sebastian Bach als Organist. In St. Marien predigte der Reformator Thomas Müntzer. Wem nach so viel Historie der Sinn nach Grün steht, besucht den Nationalpark Hainich. Im Baumkronenpfad kann man dem Unesco-zertifizierten Urwald buchstäblich aufs Dach steigen.
Urviecher und Streuobstwiesen auf der Schwäbischen Alb
Vom Albvorland über den Albtrauf und die Hochfläche bis an die Donau erstreckt sich das Biosphärengebiet Schwäbische Alb. Das rund 850 Quadratkilometer große Unesco-zertifizierte Gebiet umfasst 29 Städte und Gemeinden und glänzt mit Streuobstwiesen, Hang- und Schluchtwäldern. Manufakturen, Museen und Ausstellungen empfangen Besucher. Wanderwege führen durchs Gelände, zu Urviechern, die den alten Steinbruch Gerhausen beweiden, in den Garten von Albschnecken-Retterin Rita Goller und zu Hüteschäferin Johanna von Mackensen, Gründerin der Marke „Albgemacht“.
Seltene Tiere und Pflanzen im Chiemgau
In der Luft liegt der Duft von blühenden Bergwiesen, den Soundtrack liefern Kuhglocken und Murmeltierpfiffe. Der Blick schweift weit über die Chiemgauer Alpen. Der 1808 Meter hohe Geigelstein gilt als „Gipfel der Biodiversität“, denn hier wachsen und gedeihen seltene Tiere und Pflanzen wie Türkenbund und Schnee-Enzian, Steinadler und Bergsalamander. Dem Berg liegen die Dörfer Sachrang und Schleching zu Füßen. Hier kann man „echt“ Urlaub machen: Gastgeber tischen auf, was Bauern, Jäger und Müller von nebenan liefern. In alle Richtungen führen Touren für Senioren und Familien, für Kletterfexe und Genusswanderer. Wasserfälle laden ein zum Abkühlen, Almen zum Einkehren, Kapellen zum Innehalten.
Trottellummen und Quantenmechanik auf Helgoland
Deutschlands einzige Hochseeinsel ist keine klassische Schönheit. Kleine Häuschen mit Blechdächern kuscheln sich aneinander, über die schroffen roten Felsen pfeift der Wind. Viele kommen nur für einen Tagesausflug nach Helgoland, weil man zollfrei Einkaufen kann. Doch die Insel zieht auch Pollenallergiker und Badefans an: die Luft ist wunderbar rein, die Strände auf der kleinen Nebeninsel namens Düne sind fein und weiß. Helgoland steht auch bei Naturfreunden hoch im Kurs, denn hier brüten seltene Meeresvögel wie die Trottellumme. Ihre Kolonien findet man an den steilen Küstenklippen, nur ein paar Meter von Helgolands Wahrzeichen, einem einzelnen Felsen namens „Lange Anna“, entfernt. Auch historisch ist die Insel interessant: hier dichtete Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1841 den Text der deutschen Nationalhymne, der Physiker Werner Heisenberg hatte einen entscheidenden Einfall zur Quantenmechanik und James Krüss schrieb wunderbare Kinderbücher wie „Mein Urgroßvater und ich“.
Bratwurst und britischer Adel in Coburg
Was wäre das britische Königshaus ohne Coburg? Prinz Albert, seines Zeichens Gatte von Königin Victoria, stammt aus dem Geschlecht derer von Sachsen-Coburg-Gotha. Mitten auf dem Coburger Marktplatz steht daher unübersehbar ein Bronze-Denkmal des 1861 verstorbenen Prinzen. Zur feierlichen Enthüllung der Statue erschien die damalige Queen einst persönlich mit ihren neun Kindern. Eine weitere Sehenswürdigkeit in der fränkischen Stadt ist die Veste, eine der größten und besterhaltenen mittelalterlichen Burganlagen Deutschlands. Der Aufstieg wird mit fantastischen Ausblicken über die ganze Region mit ihren Wäldern und Wiesen belohnt. Außerdem muss man natürlich unbedingt eine original Coburger Rostbratwurst essen. Die wird auf einem Rost über dem offenen Feuer von Kiefernzapfen gegrillt und schmeckt daher ganz anderes als andere Rostbratwürste.
Klimahaus und Auswandererhaus in Bremerhaven
Bremerhaven lockt mit gleich zwei außergewöhnlichen Museen: Das 2005 eröffnete Deutsche Auswanderermuseum zeigt, dass Deutschland immer schon von Ein- und Auswanderung geprägt war: Zwischen 1830 und 1974 emigrierten allein über Bremerhaven 7,2 Millionen Menschen. Das Haus war ursprünglich als reines Migrationsmuseum angelegt, 2012 erfolgte der Erweiterungsbau zu 300 Jahren Einwanderungsgeschichte. Ganz unterschiedliche Lebensgeschichten werden da erzählt: Fotos, Filme, Erinnerungsstücke werfen die spannende Frage auf, wo die Unterschiede sind zwischen Flüchtlingen, Auswanderern, Gastarbeitern – und wo ihre Gemeinsamkeiten liegen. Das 2009 eröffnete Klimahaus ist die einzige Wissens- und Erlebniswelt in ganz Europa, die sich dem Thema Klima widmet. Es ist zwar eine Freizeiteinrichtung, andererseits aber möchte es das Bewusstsein schärfen, dass der Klimawandel zu den größten politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen zählt.