Die Bürgerinitiative Nürtingen am Neckar lehnt die Wohnbebauung auf dem alten Psychiatriegelände ab. Der Gemeinderat entscheidet am Dienstag.

Nürtingen - In letzter Minute will die Bürgerinitiative Nürtingen am Neckar beim Wohnprojekt „Am Wasen“ die Notbremse ziehen. Auf dem ehemaligen Psychiatriegelände sollen neun Häuser mit 140 Wohnungen und eine Kindertagesstätte entstehen. 23 Wohnungen entlang der Stuttgarter Straße am Nürtinger Neckar sind dem sozialen Wohnungsbau zuzurechnen.

 

78 alte Bäume müssten gefällt werden

Die Bürgerinitiative lehnt die Planung „Am Wasen“ ab. Sie will unter anderem nicht hinnehmen, dass ein alter Baumbestand auf dem 1,45 Hektar großen Gelände in Verlängerung des Alten Friedhofs zu einem Großteil gefällt werden soll. Insgesamt 78 Bäume müssten weichen, damit eine Tiefgarage und eine Hochwasserschutzmauer gebaut werden können. Zwar ist eine Neupflanzung von 60 Bäumen vorgesehen. Doch könnte dies den Verlust der bestehenden Bäume niemals ausgleichen, so die Initiative.

Die Kritiker bemängeln weiter, dass die Bebauung zu massiv ausfalle. Die geplanten Häuser haben vier bis fünf Stockwerke, eines der Gebäude ist sieben Stockwerke hoch. Alle Häuser haben jeweils zusätzlich noch ein zurückversetztes Dachgeschoss. Für die Stadtverwaltung kommt die Kritik indessen überraschend. Denn bei einer Bürgerinformation und bei der öffentlichen Auslegung der Pläne im Sommer waren keine Einwände laut geworden. Die Initiative hält dagegen, dass diese Informationen während der Ferienzeit kaum wahrgenommen worden seien.

Bürgerinitiative kritisiert intransparentes Verfahren

„Das ganze Verfahren ist unter dem Tisch verlaufen. Die Dimension des Projekts war niemandem so richtig bewusst“, sagt Fritz Eisele von der Bürgerinitiative. „Es ist noch nicht zu spät“, appelliert er an die Stadträte, den Satzungsbeschluss am Dienstag nicht zu fassen, eine Denkpause einzulegen und mit den Bürgern nach Alternativen zu suchen. Bei einer eigenen Veranstaltung in der Kreuzkirche am Mittwoch hat die Initiative ihre Sicht der Dinge dargelegt. Nürtingen würde sich „die einmalige Chance vergeben, direkt am Neckar ein eigenes Konzept umzusetzen“. Jetzt, da man die Chance hätte, auf dieser Fläche echten sozialen Wohnungs- bau umzusetzen, werde alles verkauft.

Zudem, so wird von dieser Seite aus argumentiert, würde sich die aktuelle Planung mit der Bewerbung Nürtingens um eine Gartenschau beißen. Laut Fritz Eisele herrschte unter den rund 200 Teilnehmern die „einstimmige Meinung vor, dass dieses Gelände der Stadt gehören muss. Es wäre eine Sünde, wenn diese Fläche in privatwirtschaftliche Hände kommt“.

Verkaufserlös fließt in Neubau der Kreisklinik

Zu dem Abend in der Kreuzkirche ist auch das Rathaus eingeladen gewesen. Vertreter der Verwaltung blieben der Veranstaltung aber fern. „Wir begrüßen das Engagement der Bürgerinitiative und hätten uns auch gerne bei dieser Gelegenheit eingebracht, denn uns ist an einem offenen und fairen Dialog gelegen“, erklärte der Nürtinger Oberbürgermeister Johannes Fridrich. „Wir bedauern allerdings, dass uns dort aus Zeitgründen nicht die Möglichkeit gegeben wird, unsere Sicht der Dinge mit gleichem inhaltlichen und zeitlichen Gewicht wie die Bürgerinitiative darzustellen“, begründete Fridrich die Absage der Stadtverwaltung.

Der Landkreis hat das ehemalige Psychiatriegelände an die BPD Immobilienentwicklung verkauft, und der Erlös wird für die Refinanzierung des Klinikneubaus auf dem Nürtinger Säer verwendet, in den der Landkreis mehr als 100 Millionen Euro gesteckt hat. Nicht wenige Nürtinger Stadträte sehen sich nun in der Pflicht, dem Landkreis keine Steine in den Weg zu legen. Allerdings war der Gemeinderat offenbar bis zuletzt im Glauben, dass der Landkreis fürs Psychiatriegelände einen zweistelligen Millionenbetrag haben wollte. Jedenfalls geisterte diese Zahl durch den Nürtinger Sitzungssaal. Nun ist die Rede von 4,6 Millionen Euro. Für dieses Geld hätte auch die Stadt bei dem Gelände zuschlagen können, meinen manche.

Man werde zum Kaufpreis für das Psychiatriegelände keine Angaben machen, erklärt der Sprecher des Landkreises, Peter Keck. Von einem zweistelligen Betrag habe er noch nie etwas gehört. Nachdem der Bauausschuss vor zwei Wochen grünes Licht gegeben hat, soll der Gemeinderat am Dienstag mit dem Satzungsbeschluss endgültig Baurecht schaffen.

Über den Verkaufspreis herrscht Unklarheit