Wer heute eine Wohnung sucht, erwartet meist ein gesundes Wohnumfeld, das besonders ist.

Grundlegender Wandel in der Gesellschaft
 
Stuttgart - Wer heute eine Wohnung sucht, erwartet in der Regel ein gesundes Wohnumfeld, das verschiedenste Serviceangebote beinhaltet. Optimalerweise sogar in der Nähe zum Arbeitsplatz liegend oder von dem aus der Arbeitsplatz leicht zu erreichen ist sowie den heutigen Anforderungen von Sicherheit, Klimaschutz und Energieeinsparung entspricht. So weit die Theorie.

In der Praxis sind die Städte und Gemeinden von diesem Ideal noch weit entfernt. Viel zu lange wurde von Stadtplanern und der Immobilienwirtschaft ignoriert, dass sich die Wohnbedürfnisse des Menschen in den letzten Jahren grundlegend gewandelt haben. Mittlerweile hat bei den mit dem Thema befassten Politikern, Architekten, Stadtplanern, den Kommunen und der Wohnungswirtschaft allerdings ein Umdenkungsprozess eingesetzt. Auf der Suche nach Innovationen im Wohnungsbau trafen sich in Stuttgart auf Initiative des baden-württembergischen Wirtschaftsministeriums, der Arbeitsgemeinschaft baden-württembergischer Bausparkassen und der Architektenkammer Baden-Württemberg Experten, um unter anderem auch die Frage "Was ist uns das Wohnen wert?" zu diskutieren. Um es gleich vorwegzunehmen: Die eierlegende Wollmilchsau hat dieser Kongress nicht gefunden. Einig waren sich die Experten aber darin, dass es im Wohnungsbau zukünftig mehr um qualitative als um quantitative Kriterien gehen müsse. Gesucht seien dabei besonders innovative Konzepte für eine bessere Anpassung an die gewandelten Wohnbedürfnisse der Menschen. Dazu will man künftig auch "das Ohr näher an die Wünsche der Bevölkerung legen", so ein Kongressteilnehmer.

Mit dem Wandel der Wohnbedürfnisse habe sich in der Bevölkerung aber auch die Wertschätzung für das Wohnumfeld verändert. Die Fachleute werden zunehmend mit der Entwicklung konfrontriert, dass für den Einzelnen die Qualität der eigenen Wohnung ein wichtiges Kriterium für die Lebensqualität ist. Die Wohnungsnachfrage wird dabei in den kommenden Jahren vor allem durch Bedürfnisse und Wünsche im qualitativen Bereich bestimmt werden, sind sich die Experten einig. Man werde aber künftig auch leicht zugängliche Formen des Wohnens im Alter benötigen. Dies gelte für barrierefreie Wohnungen im Bestand genauso wie für Angebote in gemeinschaftlichen Wohnprojekten und Genossenschaften.

Das öffentliche Förderbudget könnte noch weiter sinken, befürchten Fachleute

Dem gegenüber stünden aber nach wie vor die Kostenfaktoren beim Wohnungsbau auf vielen Ebenen im Vordergrund. Sie bestimmten weiterhin sehr häufig die Wahl von Standort, Qualität und Wohnform, war ein Ergebnis des Kongresses. Eine langfristige Standortsicherung erfordere deshalb auch eine qualitative Aufwertung und den Erhalt preisgünstiger Wohnungsbestände, forderten die Kongressteilnehmer, wohl wissend, dass dies angesichts des Umfangs von Sanierung, Anpassung und Revitalisierung eine gewaltige Herausforderung ist. Den Fachleuten bereitet zunehmend Sorgen, dass das öffentliche Förderbudget noch weiter sinken könnte. Zwar sagte Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Ernst Pfister auf dem Kongress, das Land werde in den nächsten Jahren die Förderung auf eine neue Grundlage stellen müssen, gleichzeitig stellte er aber auch klar, dass die Zeiten einer flächendeckend angelegten Neubauförderung zugunsten großer Teile der Bevölkerung wie in den Nachkriegsjahrzehnten endgültig vorbei sei. Insbesondere die Unterstützungsleistungen seitens der öffentlichen Hand müssten dabei in den nächsten Jahren grundsätzlich überdacht und möglicherweise ganz neu strukturiert werden. Pfister könnte sich hier vorstellen, die unterschiedlichen Fördertöpfe zusammenzulegen. Durch die stärkere Vernetzung der einzelnen Fördermaßnahmen erhofft sich der Minister mehr Synergieeffekte und ein größeres Fördervolumen.

Als kein gutes Zeichen werteten die Kongressteilnehmer, dass die vom Land bereitgestellten Mittel für eine gezielte Förderung innovativen Wohnungsbaus nicht abgerufen wurden. Seit 2008 sieht das Land dafür ein zusätzliches Fördervolumen von zehn Millionen Euro vor. In diesem Rahmen konnten die ansonsten möglichen Darlehenshöchstbeträge der zinsvergünstigten Darlehen um bis zu 25 Prozent erhöht werden, um Mehrkosten von Innovationen abzudecken. Die Gründe vermuten die Kongressteilnehmer zum einen in den Auflagen und Antragsverfahren und zum anderen darin, dass Innovation im Wohnungsbau als Thema noch nicht in den Köpfen angekommen sei. Diese unzureichende Potenzialausschöpfung könne man sich aber in Baden-Württemberg nicht länger leisten. Der Sondertopf von zehn Millionen Euro soll allerdings auch 2010 trotz haushaltsseitiger Restriktionen unangetastet bleiben, versprach der Minister. Die Kongressteilnehmer sehen aber in dem Ausstieg des Bundes aus der Wohnbauförderung ab 2014 auch eine Chance für das Land, stärker auch eigenen Gestaltungswillen zu zeigen. Beim Fördervolumen könne Baden-Württemberg mit Blick auf Bayern ruhig noch etwas zulegen, meinten einige Teilnehmer. Und auch in der Experimentierfreudigkeit zeigten andere Bundesländer durchaus, dass in der Wohnraumförderung mehr gehen kann. "Wir dürfen uns deshalb nicht auf dem erreichten Niveau ausruhen, sondern müssten den Wettbewerb um Innovation und Qualität im Wohnungsbau zukünftig mit erhöhtem Engagement fortsetzen", fasste Dr. Stefan Krämer von der Wüstenrot-Stiftung zusammen und appellierte an die Kongressteilnehmer, mit Selbstbewusstsein erste Schritte einzuleiten. Die Ausgangssituation sei gut, denn Qualität und Qualifikation stimmen durchaus - noch, merkte er etwas kritisch an. Wenn allerdings schon die Höhe des Fördervolumens keine positiven Akzente setzen werde, dann sollte es zumindest eine maßgeschneiderte und zielgerichtete Lösung für die Bündelung der einzelnen Förderungen geben. Innovationen seien dabei sicherlich nicht nur hilfreich, sondern auch notwendig, so Krämer.