Halit Kaya hat sich nach einem harten Schlag ins Leben zurückgekämpft. Sein nächster Schritt ist die Rückkehr an einen Arbeitsplatz: Von September an leitet der Heumadener ehrenamtlich das neue Wohncafé an der Plieninger Körschstraße.

Filder - Den Ersten Weihnachtsfeiertag vor vier Jahren wird Halit Kaya nie vergessen. Während die meisten Menschen jenen Tag allenfalls noch als geruhsamen Festtag in Erinnerung haben, markiert der 25. Dezember 2008 für Kaya einen Einschnitt, nach dem für den türkischstämmigen Heumadener nichts mehr so war wie vorher.

 

Die Geschichte seines Kampfes um sein Leben beginnt am frühen Morgen jenes Feiertages. Und zwar mit einem Schock. „Ich bin aufgewacht, hatte unglaubliche Rückenschmerzen und konnte nicht mehr aufstehen“, erzählt der heute 35-Jährige. Noch am Tag zuvor war der junge Mann in ganz Deutschland unterwegs.

Im Auftrag seiner Firma hatte er Telefonzellen sauber gemacht und anschließend ein paar Stunden in seinem Nebenjob als Koch geschuftet. Kayas Leben war in Ordnung – voller Arbeit zwar, um der Frau und dem damals einjährigen Sohn etwas bieten zu können. „Aber ich war immer zufrieden“, erzählt er.

Der Arzt machte ihm wenig Hoffnung auf Besserung

Und dann das. Der Arzt im Marienhospital machte ihm wenig Hoffnung auf Besserung. Ein Rückenmarksinfarkt sei das, was ihm zugestoßen sei. Wie er ausgelöst wurde, „hat mir keiner erklären können“, sagt Kaya. Die Folgen waren drastisch: Der vormals so agile Mann war plötzlich vom Brustbein abwärts gelähmt und an den Rollstuhl gefesselt, konnte den linken Arm nicht bewegen. „Anfangs musste ich mich sogar an den Rollstuhl binden lassen, damit ich nicht nach vorn kippe“, erzählt er.

Wie es weitergehen sollte, war unklar. „Die Ärzte konnten mir nicht sagen, ob ich jemals wieder gehen kann“, sagt Kaya. In die Wohnung in Untertürkheim, wo er zuvor mit Frau und Kind gelebt hatte, konnte er nicht zurück. Also zog der Familienvater ins Pflegezentrum des Generationenhauses in Heslach. „Zwei Jahre und acht Monate lang lebte ich dort“, sagt Kaya.

Schritt für Schritt kämpfte sich der Mann, der seit seinem 15. Lebensjahr allein um die Welt gezogen ist, in ein selbstbestimmtes Leben zurück. Ergo- und Physiotherapie, Bewegungsbäder – Kayas Alltag ist durchgetaktet mit Hilfsangeboten. Die harte Arbeit an sich selbst zeigte schließlich Wirkung: Im August zog Kaya mit seiner Familie in eine eigene Wohnung in Heumaden. „Wie frisch verheiratet“ habe er sich gefühlt, erzählt er – weil er seine Frau, die mit seiner Krankheit noch immer kaum zurechtkommt, ganz neu kennenlernen musste.

Den linken Arm kann er inzwischen wieder benutzen, auch den Oberkörper muss er nicht mehr an den Rollstuhl fixieren. Nur eines blieb Kayas sehnlichster Wunsch. „Ich wollte wieder arbeiten“, sagt der Neu-Heumadener. Nicht, um Geld zu verdienen, wie er sagt, „sondern weil ich Menschen helfen will“.

Ein Wunsch geht in Erfüllung

Dass dieser Wunsch nun in Erfüllung geht, verdankt er Gerda Mahmens. Über einen Pflegekurs im Generationenhaus hat er die Frau kennengelernt, die ihm eine Chance auf eine Stelle bietet. Mahmens arbeitet nicht nur beim Plieninger Pflegedienst „Pour la vie“, sie sitzt auch im Vorstand des neu gegründeten Vereins „Zuhause leben“. Beide Institutionen sind künftig für die Organisation eines Wohncafés verantwortlich, das im September an der Körschstraße 44 eröffnet wird.

Das Wohncafé soll eine Anlaufstelle für die Anwohner im Quartier sein. Wer möchte, kann sich dort zum Plaudern treffen, für knapp vier Euro zu Mittag essen oder Kaffee trinken. „Wir öffnen von Montag bis Samstag, jeweils von 8 bis 16 Uhr“, sagt Mahmens. Halit Kaya wird das Café mit Hilfe von vier weiteren Ehrenamtlern leiten und dort als Koch arbeiten. Unterstützt wird er von seinem Nachbarn Hamza Akkus, der seinen gehbehinderten Freund zum Beispiel zur Arbeit fahren wird.

Noch ist das Wohncafé eine Baustelle, der Umbau der Räume im Untergeschoss einer Wohnanlage ist in vollem Gange. Ein Novum aber gibt es schon jetzt: Es wird das erste Wohncafé im Stadtgebiet sein, das nach den Vorgaben eines Mitarbeiters behindertengerecht gestaltet wird. Denn Halit Kaya hat ein Mitspracherecht, darf seine Ideen schon während der Bauphase einbringen.

Halit Kaya gestaltet das Wohncafé mit

Von diesem Vorrecht macht der Mann mit dem unbeugsamen Lebenswillen reichlich Gebrauch. Mehrmals war er vor Ort, hat sich die Baufortschritte angesehen und ist mit neugierigen Anwohnern ins Gespräch gekommen. Dass er das Pensum von sechs Arbeitstagen pro Woche nicht schaffen könnte, kommt Kaya nicht in den Sinn. „Ich habe früher für 300 Leute gekocht. Für 30 ist das kein Problem“, sagt er.

Gerda Mahmens nennt ihn deshalb „einen Fels in der Brandung“. Die Ziele gehen dem Mann im Rollstuhl ohnehin nicht aus. „Ich will wieder laufen können“, sagt er. Mit seinem Sohn Fußball spielen zu gehen, das ist sein großer Traum, „auch wenn es zehn oder 20 Jahre dauert“. Trotzdem ist für ihn ganz klar, dass dieser Traum in Erfüllung gehen wird. Schließlich steht für Halit Kaya fest: „Im Leben kann man alles schaffen. Man muss nur wollen.“