In den Ballungszentren kann die Zahl der Wohnungen nicht mit dem Andrang mithalten. In Tübingen sollen Eigentümer deshalb sogar zum Bauen verpflichtet werden. Greift das Vorgehen jetzt auch auf die Filder über?

Filder - Das berüchtigte Baugebot hängt wie ein Damoklesschwert über Grundstückseigentümern in Tübingen. Der Paragraf 176 im Baugesetzbuch ermöglicht es einer Kommune grundsätzlich, einen Bauzwang durchzusetzen, wenn die soziale Lage es erfordert. In Tübingen hat die Stadt 550 Baulücken gezählt. In Zeiten großer Wohnungsnot kein akzeptabler Zustand laut OB Boris Palmer.

 

Auch auf den Fildern wird es immer schwerer, eine Wohnung zu finden. In Filderstadt müssen Eigentümer unbebauter Grundstücke aber nicht befürchten, dass es ihnen bald geht wie den Eignern in Tübingen. „Stand heute ist das bei uns keine Option“, sagt der Oberbürgermeister Christoph Traub. Man könne Filderstadt nicht mit Tübingen vergleichen. „Wir setzen auf persönliche Gespräche“, sagt er und schließt aus, mit jenem Paragrafen zu drohen.

Das Potenzial für neuen Wohnraum im Inneren sei hoch, könne aber derzeit nicht genau beziffert werden, sagt Traub. Die Nachfrage übersteige deutlich das Angebot, daran bestehe kein Zweifel. „Wir spüren hier im Stuttgarter Speckgürtel natürlich den Druck. Das Bedürfnis nach bezahlbaren Wohnungen kann kaum noch befriedigt werden.“ Mit einem Handlungsprogramm Wohnen wolle man so gut wie möglich gegensteuern.

Man müsse das juristische Tauziehen bedenken

Ähnliche Botschaften zum Thema Baugebot kommen aus Leinfelden-Echterdingen. „Das kommt für uns zumindest derzeit nicht in Frage“, sagt OB Roland Klenk. Man müsse das juristische Tauziehen bedenken, das auf alle Beteiligten zukäme, wenn man diesen Schritt gehen würde. Außerdem müsse man erst einmal abwarten, wie erfolgreich solche Maßnahmen tatsächlich sind. Der Oberbürgermeister hat da große Zweifel. Anreize wie Prämien für Grundstückseigentümer, die bauen, seien auch keine gute Option, da es „Mitnahmeeffekte“ geben könne.

Klenk sieht durchaus Entwicklungspotenzial in und um seine Stadt. Die Größenordnung der unbebauten Grundstücke sei „durchaus nennenswert“. Konkrete Zahlen seien aber nicht verfügbar, da das Baulandkataster derzeit aktualisiert werde. Währenddessen steigt die Zahl der Wohnungssuchenden, die wie auf heißen Kohlen sitzen. In der Notfallkartei seien es aktuell knapp 400 Menschen. Diese haben einen Wohnberechtigungsschein. Darüber hinaus sind aber noch deutlich mehr Menschen auf der Suche. „Der Zuzugsdruck ist enorm“, sagt Klenk. In der Mieten-Bundesliga sei man ganz vorne mit dabei. Das spreche zwar für die Attraktivität der Region, sei aber vor allem Ausdruck einer gehörigen Schieflage. „Wenn sogar schon Facharbeiter sich das Wohnen kaum noch leisten können, läuft etwas falsch.“ Und: „Wir müssen den erhitzten Markt abkühlen.“

Mieterverein befürwortet Baugebote

Derzeit bemühe sich die Stadt um fünf Gebiete im Außenbereich. Sobald man im Besitz der Grundstücke sei, wolle man planen. Das sind unter anderen die Gebiete Goldäcker in Echterdingen, Bergäcker in Oberaichen und Hinterwiesenäcker in Leinfelden. Dort könnten bis zu 30 Prozent Sozialwohnungen entstehen. Ist das denn ausreichend? Nein, sagt OB Klenk, die Marge bei anderen Kommunen liege aber deutlich niedriger. Zehn Prozent sollen unter die Rubrik „bezahlbarer Wohnraum“ und weitere zehn Prozent unter „günstige Eigentumswohnungen“ fallen. Die andere Hälfte wird dem freien Markt überlassen.

Die Quote an Sozialwohnungen auf städtischem Grund könnte höher liegen, meint Rolf Gaßmann. Zumindest sei es aber ein Anfang. Zum Baugebot sagt der Vorsitzende des Stuttgarter Mietervereins, dass dies eine „hervorragende Möglichkeit“ sei, um den „notwendigen Wohnungsbau voranzubringen“. Gaßmann gibt sich keinen Illusionen hin. „Wenn sich jemand renitent wehrt, auf seinem Grund zu bauen, ist das Baugebot die einzige Möglichkeit, Abhilfe zu schaffen.“ Das Baugebot könne Hand in Hand mit einem sozialen Flächenentwicklungsplan eine gute Lösung sein. Der juristische Spießrutenlauf könne zwar schwierig sein, man müsse es aber „zumindest versuchen“.