Ruth Glowinka hat vor vier Jahren ihre große Wohnung in Bonlanden gegen eine kleinere in einem Mehrgenerationenhaus in der Nähe der Familie eingetauscht. Bereut hat sie die Entscheidung nie.

Stuttgart - „Mei Wohnüngle“ nennt Ruth Glowinka (93) ihre knapp 70 Quadratmeter große Wohnung im Paritätischen Mehrgenerationenzentrum in Stuttgart-Vaihingen gerne scherzhaft. Seit 2014 lebt die Seniorin dort im ersten Stock mit Blick auf die Seerosenstraße und einen der vielen Innenhöfe des 2014 eröffneten Wohngebäudes. 83 Seniorenwohnungen mit betreutem Wohnen stehen zur Verfügung, allesamt Eigentumswohnungen. Außerdem gibt es 66 Pflegeheimplätze und eine Kindertagesstätte im Erdgeschoss mit 55 Plätzen.

 

Im hohen Alter ist man auf Hilfe angewiesen

Die Aussicht, ihrem Urenkelkind beim Spielen im Kindergarten zusehen zu können und es in der Nähe zu haben, hat die Entscheidung nach 40 Jahren ihre große Penthouse-Wohnung in Filderstadt-Bonlanden zu verlassen, für Ruth Glowinka erleichtert. Und natürlich die Nähe zu ihrer Tochter, die nur ein paar Straßen weiter wohnt und sich täglich um ihre Mutter kümmert . „Wenn man mal so alt ist, ist man auf Hilfe angewiesen, auch wenn es mir oft schwer fällt, das anzunehmen. Aber ich habe eine so liebe Tochter, das ist ein großes Glück.“ Die 71-Jährige kocht das Mittagessen und kümmert sich um alles, was Ruth Glowinka alleine nicht mehr schafft: um den Papierkram, um die Putzhilfe, um Arzttermine oder darum, dass das Taxi jeden zweiten Tag Ruth Glowinka pünktlich ins nahe gelegene Dialysezentrum fährt.

Die Infrastruktur rund um das Mehrgenerationenhaus ist sehr gut

Vor ein paar Jahren wurde eine Niereninsuffizienz bei der Seniorin festgestellt, die den Umzug in das Betreute Wohnen und in die Nähe der Familie nach Stuttgart-Vaihingen notwendig gemacht hat. Auch das Laufen fällt ihr zunehmend schwer, ohne Rollator oder zumindest einen Gehstock geht es beinahe nicht mehr. Damit zu Recht zu kommen, ist für Ruth Glowinka nicht einfach. Aber sie trägt ihr Schicksal mit Gelassenheit und mit dem unermüdlichen Credo auf den Lippen: „Komm du mal in mein Alter!“ Dann schnappt sie den Rollator, ihren „Mercedes“, und dreht eine Runde durchs benachbarte Einkaufszentrum, die Schwabengalerie, geht dort zum Friseur oder auf ein Eis mit ihrer Enkelin und ihrem Urenkel, der gerade vom Kindergarten kommt. Die Infrastruktur könnte für die Bewohner des Mehrgenerationenzentrums kaum besser sein.

Man kennt sich, man hilft sich aus, man ist nie allein

Auch in der unmittelbaren Umgebung im Haus ist immer etwas los, es treffen sich Nachbarn in den Sitzecken auf den heimeligen Fluren auf einen Schwatz, man kennt sich, man hilft sich aus, man ist nie allein. Es gibt Filmvorführungen im Foyer, Kaffee-Kränzchen oder intergenerative Aktionen mit den Kindergartenkindern wie Geburtstagsfrühstücke oder Back-Nachmittage. Ruth Glowinka hat allerdings nicht so oft das Bedürfnis an diesen sozialen Aktivitäten teilzunehmen. „I brauch‘ mei Ruh‘“, sagt sie dann bestimmt oder „I brauch‘ nimmer so viel schwätza“ und macht es sich lieber in ihrem „Faulenzer“ bequem, einem automatisch verstellbaren Fernsehsessel. Was nicht heißt, dass sie nicht kommunikativ und gesellig wäre. Am liebsten tauscht sie sich – neben ihrer Familie – mit ihrem Lieblingspfleger aus, der wie alle anderen engagierten Pflegekräfte regelmäßig nach ihr schaut, das Frühstück bereitet, ihr beim Anziehen hilft oder die Tabletten bereit stellt. „Wir verstehen uns“, sagt Ruth Glowinka. Sie hat schon immer viel Wert auf ein gepflegtes Äußeres gelegt. Ihr Lieblingspfleger weiß das, beweist Feingefühl und Stilbewusstsein und legt seiner Bewohnerin stets ein passendes Outfit zu recht. Nicht einfach wahllos irgendeine Hose und irgendeine Bluse. Das schätzt die 93-Jährige sehr. Schließlich darf man auch im hohen Alter noch ein bisschen eitel sein.