Die syrische Familie Kathou lebt in einer kleinen Wohnung in einer früheren Gemeinschaftsunterkunft im Rems-Murr-Kreis. Der Vater hat einen Job als Maler in Aussicht – doch ausgerechnet das könnte wohntechnisch zum Problem werden.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Plüderhausen - Bis vor kurzem haben sich Achmad Kathou, seine Frau Amna, die Töchter Hiba und Zelekah und die Söhne Daoud und Heidar noch ein einziges Zimmer geteilt. Mittlerweile sind sie innerhalb des etwas heruntergekommenen Wohnblocks am Rande der Innenstadt von Plüderhausen im Rems-Murr-Kreis umgezogen – in eine Wohnküche mit zwei Nebenzimmern. Viel Platz für persönliche Dinge gibt es nach wie vor nicht. Aber immerhin: Die Eltern und die Kinder haben jetzt einen getrennten Schlafbereich.

 

Das Gebäude war bisher vom Landkreis als Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete angemietet worden. Nun hat den Vertrag die Gemeinde übernommen und nutzt das große Haus für die sogenannte Anschlussunterbringung. Das hat dem 46-jährigen Achmad Kathou und seiner Familie die größere Wohnung beschert. Doch diese droht für ihn jetzt zu einer nicht mehr zu stemmenden finanziellen Belastung zu werden – obwohl oder gerade weil er jetzt eine Arbeitsstelle in Aussicht hat.

Das Heimatdorf liegt in der Provinz Afrin

Die Familie ist vor rund zweieinhalb aus Syrien nach Deutschland geflüchtet. Über Details der gefährlichen Reise, die über das Mittelmeer, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien und Österreich zunächst nach Sigmaringen, Heidelberg und dann nach Plüderhausen im Rems-Murr-Kreis geführt hat, möchte der Vater nicht gerne reden. Auch Fragen nach den Gründen für seine Flucht nehmen ihn sichtlich mit. Achmad Kathou ist Kurde. Sein Heimatdorf Aben in der Provinz Afrin im Nordwesten von Syrien liege mitten im „arabischen Grenzgebiet“. Schon zu Friedenszeiten habe man es als Kurde dort nicht leicht gehabt. Trotz einer Ausbildung als Banker habe er sich von klein auf als Maler durchgeschlagen. Arbeit zu bekommen, sei schwer gewesen. Dann kam der Krieg und machte das Leben nicht nur hart sondern gefährlich.

Er sei sehr froh, in Plüderhausen gelandet zu sein, sagt Achmad Kathou immer wieder. Er habe dort viele nette und hilfsbereite Menschen kennengelernt. Zum Beispiel jenen älteren Mann aus dem örtlichen Arbeitskreis Asyl, der sich in Plüderhausen sehr rege um die knapp 200 Geflüchteten dort bemüht. Achmad Kathou spricht von ihm als „mein Freund“. Dieser habe auch den Kontakt zu einem Malerbetrieb in Schwäbisch Gmünd hergestellt. „Nächste Woche habe ich da einen Termin“, sagt Kathou und kramt aus einem Ordner mit sorgsam abgehefteten Dokumenten stolz das Schreiben der Firma hervor.

Die Zwölfjährige möchte Ärztin werden

In dem Multi-Kulti-Haus, in dem neben Griechen, Syrern, Irakern und Türken auch eine deutsche Familie lebt, fühle er sich eigentlich sehr wohl. Man unterstütze sich gegenseitig in verschiedenen Dingen, das menschliche Klima sei gut. Natürlich wäre ein bisschen mehr Platz für die große Familie schön. Auch die zwölfjährige Tochter Hiba lässt zaghaft durchblicken, dass es manchmal nicht leicht sei, sich beim Lernen zu konzentrieren, wenn die anderen Geschwister um sie herumwuseln. Wie ihre ein Jahr jüngere Schwester Zelekah und der neunjährige Bruder Daoud geht Hiba in die örtliche Schule. Heidar, mit drei Jahren der Jüngste, hat gerade seine ersten Tage im Kindergarten hinter sich.

Hiba sagt, dass sie schon viele Freundinnen gefunden habe, dass die meisten Mitschüler sehr nett zu ihr seien und dass sie sich in Deutschland gerne als Ärztin ausbilden lassen würde. Auf ihr früheres Leben angesprochen, füllen sich die dunklen Augen mit Tränen. Nein, dorthin möchte sie nie wieder zurückkehren, sagt sie mit brüchiger Stimme. „Ich habe so viele Tote gesehen, Frauen und Kinder . . .“

„Zurück? Wo ist denn Syrien?“, fragt Achmad Kathou, und in dem Gesicht des bedächtigen Mannes blitzt zum ersten Mal etwas von der Verzweiflung auf, die ihn zur Flucht getrieben hat und die er offenkundig tief in sich verborgen hält. „Wir bekommen zwar nur über das Fernsehen mit, was in unserem früheren Land passiert, aber selbst wenn ein Wunder geschehen und Frieden einkehren würde – es würde Jahrzehnte dauern, bis unsere Kinder dort wieder leben könnten“, sagt Kathou – und, dass Deutschland jetzt seine Heimat sei.

Ein Umzug ist nur mit behördlicher Erlaubnis möglich

Eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis haben er und die seinen freilich nicht. Man genießt einen sogenannten subsidiären Schutz, der laut Asylgesetz gewährt wird, wenn Menschen „stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass ihnen in ihrem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht“. Das muss demnächst allerdings neu auf den Prüfstand gestellt werden, weil der Schutz zuletzt auf ein Jahr befristet wurde.

Die Familie würde gerne in Plüderhausen bleiben. Sie fühlt sich dort willkommen und ist qua Wohnsitzauflage eigentlich sogar dazu verpflichtet. Ein Umzug ist nur erlaubt, wenn mehrere behördliche Instanzen dem zustimmen: die aufnehmende Ausländerbehörde, das zuständige Jobcenter und die abgebende Ausländerbehörde.

Letzteres ist in weiten Gebieten des Rems-Murr-Kreises zwar wohl eher unproblematisch, weil das Landratsamt bis auf ein paar Große Kreisstädte für die Kommunen die zuständige Ausländerbehörde stellt. Doch in der Praxis sieht die Sache ganz anders aus. Mehr als ein Dutzend Anläufe hat Achmad Kathou schon unternommen, sich auf Zeitungs- und Internetannoncen gemeldet und dabei nur Absagen kassiert. Bisher ist der Mann, der rege an Integrationskursen teilgenommen hat und sich sehr gut auf Deutsch verständigen kann, noch zu keiner einzigen Wohnungsbesichtigung eingeladen worden. Weil er Ausländer ist? Nein, nein, das will Kathou so nicht sagen. „Manche haben vielleicht die Befürchtung, wir seien zu laut. Die meisten aber fragen, ob ich eine Arbeit habe.“

Tatsächlich sei der Status als Hartz-IV-Empfänger der wohl gewichtigste Ablehnungsgrund, sagt Alexandra Wiedmann, die sich zusammen mit einer weiteren Teilzeitkollegin in Diensten des Kreisdiakonieverbandes als Integrationsmanagerin um knapp 100 Personen in der Remstalkommune kümmert. „Eigentlich ist das widersinnig, denn gerade das garantiert, dass die Miete regelmäßig gezahlt wird“, sagt sie, „aber das Argument zieht irgendwie nicht.“ Hinzu kämen aber durchaus auch Vorurteile gegenüber den Menschen aus den unbekannten Kulturkreisen: Die halten sich nicht an die Hausordnung, machen die Wohnung kaputt oder haben zig lärmende Kinder, sei zumindest hinter vorgehaltener Hand immer wieder zu hören.

Bei eigenem Verdienst wird die Wohnung zu teuer

Für den Besitzer des Wohnblocks, in dem außer den Kathous noch zehn weitere Familien untergebracht sind, ist das Vermieten indes durchaus ein lukratives Geschäft, denn die Miete orientiert sich nicht an ortsüblichen Sätzen und Kriterien wie Wohnungsgröße oder -zustand, sondern wird bei den Geflüchteten pro Kopf geleistet. In Plüderhausen liegt dieser Satz bei 210 Euro pro Monat. So fallen für die kleine Behausung der Kathous stolze 1260 Euro an, demnächst sogar 1470, denn die Eltern erwarten erneut Nachwuchs.

Das könnte Achmad Kathou allerdings in ein großes Dilemma stürzen – das paradoxerweise dann droht, wenn es mit der dauerhaften Arbeitsstelle klappen sollte. Dann nämlich müsste er selbst für die Miete aufkommen, die bisher der Staat übernimmt – und könnte sich die aktuelle Wohnung von seinem Malergehalt wohl kaum mehr leisten. Und so muss er seine Suche nach einer erschwinglichen Wohnung mit Hochdruck vorantreiben – und Hiba ihren Traum von einem eigenen Zimmer zum Lernen vermutlich hinten anstellen. Die Sorge um einen endgültig beschiedenen Asylantrag, beziehungsweise eine Verlängerung der demnächst auslaufenden Aufenthaltserlaubnis erscheint vor diesem Hintergrund fast als nebensächlich. Unter den gegebenen Zuständen in der Heimat, die für die Kathous längst gar keine mehr ist, dürfte das nur eine Formsache sein

Direkte Hilfe wilkommen

Wer der Familie Kathou eine erschwingliche Wohnung zur Miete anbieten kann, darf sich an unser Waiblinger Außenbüro wenden (E-Mail: redaktion.waiblingen@stzn.de). Wir leiten die Kontaktdaten gerne weiter.