Der Stuttgarter OB Fritz Kuhn will mit einem Wohnkonzept für mehr günstigen Wohnraum in Stuttgart sorgen. Doch sein vorgestelltes Papier stößt bei den Gemeinderatsfraktionen nicht nur auf Zustimmung – im Gegenteil.

Stuttgart - Wenn gebaut wird, dann groß. Besonders im Rahmen markanter Bauprojekte werden prestigeträchtige Penthäuser und Luxusapartments geschaffen. Diesen Trend zu stoppen ist eines der erklärten Ziele, das sich Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) mit seinem jüngst präsentierten Wohnkonzept gesteckt hat. Gleichzeitig gehört dieses Unterfangen zu jenen Punkten, die von verschiedenen Fraktionen im Gemeinderat kritisch gesehen werden. Zudem bemängeln die Ratsmitglieder, der OB habe bisher kaum Kontakt zur privaten Wohnungswirtschaft gesucht.

 

„Große Wohnungen haben doch etwas mit Lebensqualität zu tun“, sagt Bernd Klingler, der Fraktionsvorsitzende der FDP im Stuttgarter Gemeinderat. „Das Konzept des OB bringt uns nicht weiter.“ Klingler ist enttäuscht vom Strategiepapier, das der grüne OB vergangene Woche unter dem Titel „Wohnen in Stuttgart“ vorgestellt hat. Der wesentliche Kritikpunkt der FDP: „Die private Wohnungswirtschaft spielt in dem Konzept keine Rolle, dabei sind 77 Prozent der Wohnungen in der Stadt in privater Hand.“ Zudem hält Klingler es für falsch, wenn Kuhn erklärt, er wolle Sozialwohnungen länger in der Mietpreisbindung halten.

Trend zu großen Wohnungen im Stadtgebiet

Das sieht auch der Chef der CDU-Fraktion, Alexander Kotz, so: „Wir wollen keine japanischen Wohnboxen in Stuttgart.“ Fritz Kuhn hatte bei der Präsentation seines Konzepts erklärt, es sei kein Naturgesetz, dass Menschen pro Kopf immer mehr Fläche bewohnen müssen. „Die Verwaltung darf den Bürgern nicht vorschreiben, wer wie viel Platz beanspruchen darf. Das riecht für mich nach Regulierung“, sagt Kotz. Kleinere Wohneinheiten sollen laut Kuhn vor allem bei sogenannten Konzeptvergaben, also bei Bauprojekten, bei denen die Stadt auf eigenem Grund Gestaltungsvorgaben machen kann, zum Tragen kommen.

Der Trend zu großen Wohnungen im Stadtgebiet ist derweil ungebrochen. Die Angebote der Objekte im Rahmen neuer Bauprojekte bestätigen das. Das Luxushochhaus Cloud No. 7 an der Ecke Wolfram- und Heilbronner Straße wirbt mit 120-Quadratmeter-Wohnungen für Paare, die Objekte für Familien sind mehr als doppelt so groß. Die Maisonette-Wohnungen bieten sogar knapp 500 Quadratmeter Platz. Über den beiden Einkaufszentren Gerber und Milaneo entstehen ebenfalls Wohnungen, 415 im neuen Europaviertel, rund 80 zwischen Marien- und Tübinger Straße. Auch an diesen Stellen werden in der Regel großzügige Grundrisse geplant.

Im Gegensatz zu CDU und FDP beurteilen andere Fraktionen das Konzept des OB überwiegend positiv. Roswitha Blind, die Fraktionsvorsitzende der SPD, sagt, das Papier sei ein Schritt in die richtige Richtung. Blind spricht sich allerdings ebenfalls für einen Runden Tisch mit Teilnehmern aus Verwaltung und privater Wohnungswirtschaft aus. Der OB müsse schauen, dass künftig auch auf privaten Grundstücken mehr geförderter Wohnungsbau entsteht. „Da müssen wir noch viele Hemmnisse abbauen.“

Mehr Mittel für Grundstückskäufe gefordert

Silvia Fischer, die Fraktionschefin der Grünen, sagt: „Zum ersten Mal wird deutlich gemacht, dass nur durch vielfältige Aktivitäten und ein ganzes Maßnahmenbündel dem Problem entgegengewirkt werden kann, dass es zu wenig bezahlbaren Wohnraum in Stuttgart gibt.“ Auch die Grünen weisen darauf hin, dass der OB künftig mehr Kontakt zu privaten Wohnungsunternehmen suchen sollte. Die Stadt sei auf ein gutes Zusammenwirken aller Akteure am Wohnungsmarkt angewiesen, sagt Fischer.

Die Freien Wähler fordern, mehr Mittel für den Erwerb von Grundstücken in den Haushalt einzustellen. „Nur wer Boden hat, kann bestimmen, was darauf geschieht“, sagt der Fraktionschef Jürgen Zeeb und fügt an: „Es ist gut, dass der OB unsere Anregung für einen zentralen Ansprechpartner der Bauwirtschaft aufgenommen hat. Auch wenn Manager der bessere Begriff wäre als Kümmerer.“

An dem Konzept sei nichts falsch, es sei aber viel zu wenig, sagt der Fraktionschef von SÖS und Linke, Hannes Rockenbauch, „denn es geht an den Problemen der Wohnungssuchenden vorbei“. In Bezug auf den Auftrag der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft zeigt sich Rockenbauch enttäuscht. „Die SWSG sollte mindestens 50 Prozent echte Sozialwohnungen bauen und sich nicht so sehr mit preiswertem Wohneigentum und ähnlichen Programmen befassen.“ Die Vorschläge des OB bezüglich der SWSG bezeichnet er als unambitioniert. „Man muss eine städtische Gesellschaft nicht wie ein privates Unternehmen führen. Die SWSG muss keinen Gewinn machen.“ In puncto Grundstückskauf stellen SÖS und Linke ähnliche Forderungen wie die Freuen Wähler.„Die Stadt müsste viel mehr Boden kaufen und selbst bebauen.“

Das Stuttgarter Innenentwicklungsmodell

Beschluss Der Gemeinderat hat das Modell am 24. März 2011 beschlossen. Ziel ist, in der Innenstadt günstigen Wohnraum zu schaffen und Brennpunkte durch Sozialsiedlungen zu vermeiden.

Programme Sozialer Mietwohnungsbau (SMW), Mietwohnungen für mittlere Einkommen (MME) und Preiswertes Wohneigentum, kurz PWE, kommen im Rahmen des Modells zum Einsatz.

Projekt SIM wird bei der Entwicklung des neuen Rosensteinviertels zum ersten Mal angewendet. Bauherr ist das katholische Siedlungswerk. Die Arbeiten auf dem Gelände zwischen Nordbahnhofstraße und Pragfriedhof haben bereits begonnen.

Verteilung 20 Prozent der im Wohnungsbau neu geschaffenen Geschossfläche muss nach dem Innenentwicklungsmodell öffentlich gefördert werden – jeweils ein Drittel entfällt auf die Programme PWE, MME und SMW. Das Modell gilt, wenn durch neues Planungsrecht eine höherwertige Nutzung geschaffen wird.

FörderungDer Bau geförderter Wohnungen wird von Stadt und Land unterstützt. Dafür muss sich der Bauherr verpflichten, für bis zu 25 Jahre die Miete auf einem niedrigen Niveau festzuschreiben.

Idee SIM soll dem Trend entgegenwirken, dass Wohnungen aus der sozialen Bindung fallen. Zudem herrscht laut der Stadt ein Mangel an Flächen für familiengerechte Bauvorhaben.