In der Vormerkdatei der Stadt sind Ende 2016 fast 4000 Wohnungssuchende vermerkt gewesen, davon 2400 Not- und Dringlichkeitsfälle – deutlich mehr als 2015. Trotzdem sollen beim geförderten Wohnungsbau dieses Jahr erstmals die Ziele erreicht werden.

Stuttgart - Die Kommunalpolitik beschäftigt sich einmal mehr mit Chancen und Herausforderungen beim Wohnungsbau. Am Dienstag hat die Stadt nicht öffentlich Bilanzen und Analysen präsentiert. Fazit: Die Stadt hat Flächen für 24 000 neue Wohnungen. Derweil steigt der Druck vor allem im sozialen Bereich: In der Vormerkdatei der Stadt sind Ende 2016 fast 4000 Wohnungssuchende vermerkt gewesen, davon 2400 Not- und Dringlichkeitsfälle – deutlich mehr als 2015.

 

Zeitstufenliste Wohnen

Diese seit 2002 regelmäßig fortgeschriebene Liste dient der Stadt als Steuerungsinstrument für die Planung und Förderung. Nachdem seit 2014 ein Rückgang von etwa elf Prozent an verwertbaren Arealen registriert wurde – es wurden mehr Grundstücke bebaut als neue hinzukamen –, hatte man im vorigen Jahr ein Plus von 2580 Wohneinheiten. Neu erfasst wurden 37 Gebiete, mit einem Potenzial von insgesamt 2505 Wohnungen, davon 760 für Studierende. Für die meisten kann wohl kurzfristig Planungs- und Baurecht geschaffen werden. Mehr als ein Drittel der Flächen befindet sich in den fünf Innenstadtbezirken.

Einmal unterstellt, alle Gebiete könnten aktiviert werden, stünden auf 250 Hektar insgesamt 183 Gebiete mit 23 995 Einheiten zur Bebauung bereit – das ist der höchste Wert seit 2002 und würde neuen Wohnraum für etwa 50 000 Menschen bieten. 13 000 Wohnungen auf 117 Grundstücken ließen sich sehr schnell bauen. Anderswo dauert es länger. So bergen das Europa- und das Rosensteinviertel mit 2700 und 3400 Einheiten enormes Potenzial – aber erst vom Jahr 2025 an.

Aktuell sind 34 Gebiete im Bau (3000 Einheiten). Die Verwaltung meint, bis 2020 gebe es ausreichend Flächen (117 Gebiete für 12 920 Einheiten). Die Konzentration auf die Innenentwicklung, einst in der Ära von OB Wolfgang Schuster (CDU) als Konsequenz aus der Nachhaltigkeitsdebatte in Rio beschlossen, führt zu einer höheren Verdichtung. Sie liegt mittlerweile bei 90 Wohnungen pro Hektar. Zum Vergleich: Die vorgeschriebene sogenannte qualifizierte Mindestdichte besagt, dass es je Hektar mindestens 75 Einheiten geben soll.

Die Potenziale

Die Stadt setzt unter anderem auf den Abriss und einen verdichteten Neubau. Dachausbauten und das Umwandeln „nicht marktfähiger Geschossflächen in Bestandsgebäuden zu Wohnzwecken“ böten Potenzial. Kriegs- und Nachkriegssiedlungen, wie etwa in Zuffenhausen, Bad Cannstatt und Mühlhausen würden ebenfalls auf Umstrukturierungen überprüft. Nennenswerte Chancen böten öffentliche Flächen wie etwa Bauhöfe. Auch durch den Umbau von Handels-, Verwaltungs- und Vertriebsstandorten wie von EnBW, Württembergischer Lebensversicherung und Allianz würden sich Freiflächen ergeben. Interessant sind zudem gemischte Bauflächen, die sich für ein verträgliches Nebeneinander von Wohnen und Arbeiten eigneten. Genannt werden das Gebiet Hospitalviertel/Jägerstraße beiderseits des Stadtgartens, die Wolfram-, Tübinger und Neckarstraße.

Geförderter Wohnungsbau

Der Bestand an Sozialwohnungen ist seit Jahren rückläufig. Zählten 1992 noch knapp 22 000 Einheiten zum städtischen Vermögen, sind es heute nur noch 14 540. Vorausgesetzt OB Fritz Kuhn (Grüne) kann die Zusage von jährlich 300 neuen Sozialwohnungen einhalten, bliebe die Zahl bis 2024 annähernd konstant. 2016 fielen 862 Einheiten aus der Bindung. Die seit 2013 angekündigte Verbesserung lässt aber auf sich warten, obwohl der Gemeinderat neun Millionen Euro für Wohnbauförderung zur Verfügung stellt und sich das Gesamtfördervolumen (inklusive vergünstigte Erbbaurechte und Grundstücksverbilligungen) gar auf 90 Millionen beläuft. Das kritisieren SPD sowie SÖS/Linke-plus ständig.

In der Vormerkdatei waren Ende 2016 exakt 3965 Wohnungssuchende registriert, davon 2428 Not- und Dringlichkeitsfälle, das ist ein Plus von 5,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 265 Vormerkungen betrafen Flüchtlinge. Vermittelt wurden gerade einmal 832 Mietwohnungen (27 mehr als 2015), davon 25 an Flüchtlinge.

Mit dem Konzept „Wohnen in Stuttgart“ von 2013 wurden 1800 neue Wohnungen pro Jahr festgeschrieben, davon 600 im geförderten Wohnungsbau. Im „Bündnis Wohnen in Stuttgart“ wurde das Ziel 2016 dann fest vereinbart. Die Stadt erklärt, seit 2014 habe man das Gesamtziel selbst dann überschritten, wenn man die Wohnungen in Flüchtlingsunterkünften unberücksichtigt lasse. Klar verfehlt wurde aber das Ziel bei den geförderten Wohnungen. 2016 wurden nur 107 Sozialmietwohnungen, 86 Einheiten für mittlere Einkommensbezieher und 28 Einheiten im preiswerten Wohneigentum fertiggestellt. Für dieses Jahr stehen aber 549 geförderte Einheiten „in konkreter Aussicht“. Mit 417 Sozialwohnungen liege man über der Messlatte, ebenso bei den Wohnungen für mittlere Einkommensbezieher (108 Einheiten statt 100). Nur bei der Hilfe beim Eigentumserwerb (24 statt 100) unterschreite man das Ziel deutlich.

Bei den städtischen Belegungsrechten ist der Trend ebenfalls negativ. 22 000 waren es 2001, Ende 2016 waren es 2700 weniger. Im Bündnis haben sich die Wohnungsunternehmen gegenüber der Stadt bereit erklärt, jährlich 150 neue Belegungsrechte an freien Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Im zweiten Halbjahr 2016 erhielt die Stadt 83 Belegungsrechte. Insgesamt sind für 2016 und für dieses Jahr 225 in Aussicht gestellt.