Der Wohnungsmarkt in Stuttgart bleibt angespannt. Die Einschätzung der Entwicklung geht bei den Kommunalpolitikern allerdings weit auseinander – von Trendwende bis zu Totalversagen.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Die Lage auf dem Stuttgarter Wohnungsmarkt bleibt sehr angespannt. Das zeigt auch der jüngste Bericht zum Thema Wohnen in der Landeshauptstadt, der im Wirtschaftsausschuss des Rats vorgestellt wurde. Ein Indikator dafür, dass insbesondere günstige Wohnungen fehlen, ist die Vormerkdatei des Liegenschaftsamts. Dort waren Ende 2018 insgesamt 4688 Wohnungssuchende registriert, neun Prozent mehr als im Vorjahr und fast 30 Prozent mehr als vor fünf Jahren. Bei den Not- oder Dringlichkeitsfällen, die zwei Drittel ausmachen, lag das Plus bei elf Prozent gegenüber dem Vorjahr und bei fast 50 Prozent innerhalb von fünf Jahren. Als Dringlichkeitsfälle gelten Menschen, die etwa in Wohnheimen oder Sozialhotels untergebracht sind.

 

Diese Entwicklung sei in allen „prosperierenden Großstädten“ Deutschlands so, erklärte Alexander Pazerat, der Abteilungsleiter Wohnungswesen bei der Stadt. Fast die Hälfte der Wohnungssuchenden warten auf eine Einzimmerwohnung, fast 30 Prozent suchen eine Bleibe für vier oder mehr Personen. Die Wartezeiten für Bewerber sind nochmals angestiegen, sie liegen für ganz kleine und für die großen Wohnungen im Schnitt bei zwei Jahren. Wegen der Wohnungsknappheit sei die Fluktuation „extrem gering“, so Pazerat. Mit der Folge, dass die Vermittlungen von Wohnungsgesellschaften wie der SWSG und anderen in den Vorjahren merklich zurückgegangen ist. Diese lagen 2018 nur noch bei insgesamt 809.

Die Mietpreise zeigen deutlich nach oben

Ein Grund für diese Entwicklung ist die Bevölkerungszunahme. Innerhalb von zehn Jahren hat Stuttgart um rund 53 000 Einwohner zugelegt. Der Hauptgrund dafür sei der Zuzug, erklärte Ansgar Schmitz-Veltin vom Statistischen Amt. Seit 2010 kamen dadurch rund 46 000 Personen dazu. Dies zeigt sich auch in der Vormerkdatei, wo inzwischen 15 Prozent der Bewerber aus anderen EU-Staaten und 39 Prozent aus Ländern außerhalb der Europäischen Union stammen.

Deutlich nach oben zeigen seit Jahren auch die Mietpreise, die seit 2009 um fast 53 Prozent gestiegen seien, so Schmitz-Veltin. Stuttgart habe damit weiter nach München und Frankfurt die höchsten Mieten in der Republik. Unerfreulich ist die Tatsache, dass das Wohnungsangebot im günstigen Mietpreissegmet zurückgeht, im hochpreisigen aber zunimmt. Im Schnitt geben die Haushalte inzwischen 32 Prozent ihres Nettoeinkommens für die Kaltmiete aus, 23 Prozent mit geringerem Einkommen sogar mehr als 40 Prozent.

Konnte die Politik die Entwicklung positiv beeinflussen?

Kontrovers wurde diskutiert, ob es der Politik gelungen ist, den Gang der Dinge positiv zu beeinflussen. Man gehe davon aus, „dass die Kehrtwende langsam erreicht ist“, sagte Alexander Pazerat. So seien die Belegungsrechte der Stadt für Wohnungen mit Mietpreisbindung nur noch um ein Prozent gesunken, der Bestand an Sozialwohnungen liege bei knapp 14 380. Bis 2024 sollen es 14 680 sein, also 300 mehr. Die Neubezüge von geförderten Wohnungen stiegen von 94 im Jahr 2015 auf geplante 509 dieses Jahr.

Joachim Rudolf (CDU) sagte, „die Tendenz ist richtig“. Man müsse aber noch mehr Bauflächen ausweisen. Silvia Fischer (Grüne) erklärte, das Bündnis für Wohnen wirke, das zeige die Entwicklung der Belegungsrechte, das „Tal der Tränen“ sei durchschritten. Udo Lutz (SPD) sprach von einem „sehr traurigen Bericht“, die SWSG müsse schneller bis zu 30 000 Wohnungen bauen. Michael Conz (FDP) sagte, der Mangel sei „ein gutes Stück selbst gemacht“, man müsse endlich mehr Bauland ausweisen. Thomas Adler (SÖS/Linke-plus) warf der Stadt „Totalversagen“ vor. Nur 300 zusätzliche Sozialwohnungen bis 2024 seien „eine Schande“.