Seltene Vögel mit atemberaubenden Flugmanövern leben auf dem ansonsten leerstehenden Fellbacher Wohnturm. Sie werden künftig selbst in ihrem Nest kameraüberwacht. Der Naturschutzbund Nabu installiert erfolgreich zwei Nistkasten-Kameras.

Fellbach - Als seltener Vogel hat man selten eine Privatsphäre. Vogelkundler erspähen mit ihren optischen Hochleistungsfernrohren allerhand Aspekte des Lebens eines gefiederten Tiers. Ihnen bleibt kaum etwas verborgen. Mit High-Tech und Ausdauer werden in Fellbach Zaunammern entdeckt, Käuze kartiert und Rebhühner gezählt – jedes einzeln. Warum soll es da den Wanderfalken auf dem Schwabenlandtower besser ergehen als all den anderen Piepmätzen in der Kappelbergstadt? Künftig sollen die Fellbacher Wanderfalken nämlich rund um die Uhr überwacht werden.

 

Brut geplant auf dem höchsten Wohngebäude Baden-Württembergs

Die Vögel haben sich mit dem Schwabenlandtower das mit 107 Metern höchste Wohngebäude Baden-Württembergs als Brutstätte ausgesucht, und so darf man sie in Fellbach ausnahmsweise auch als Tower-Falken bezeichnen. Sie sind aber nicht zu verwechseln mit den Turmfalken, eine ganz andere Vogelart, die tatsächlich auch in der Nachbarschaft wohnt.

Die Wanderfalken, deren Anwesenheit vor zwei Jahren den aufmerksamen Ornithologen mit ihren stets griffbereiten Ferngläsern nicht entgangen war, siedelten sich erfolgreich in einem eigens für sie bereitgestellten Nistkasten an. Seither sind sie Beobachtungsobjekt zahlreicher Vogelfreunde. Doch bisher gab es eine echte Überwachungslücke: das Innere des Kastens. Während die fliegenden Falken mit ihren spektakulären Sturzflügen oft über den Dächern der Stadt zu sehen sind und sich auch an allen Ecken des Schwabenlandtowers beim Sitzen, Ausruhen oder der Gefiederpflege blicken lassen, gab es eben den „toten Winkel“ der Nestbox.

Überwachungslücke: Die Nistbox ist vom Boden her nicht einsehbar

„Vom Boden aus ist der Kasten wegen der Höhe des Gebäudes nicht einsehbar“, erklärt Herbert Kugel von der Nabu-Projektgruppe Falken. „Man muss schon über einen Kilometer weit weg gehen, damit man überhaupt etwas sehen kann. Dann flimmert aber meistens die Luft so sehr, dass man nicht scharf erkennt, was drinnen genau vor sich geht.“

Schnell war für die Vogelfreunde also klar, dass eine Falken-Webcam installiert werden muss. Der Nistkasten ist im vergangenen Jahr allerdings sehr kurzfristig eingerichtet worden, um zu vermeiden, dass sich die seltenen Vögel an anderer Stelle im Gebäude einnisten. Daher gab es keine Gelegenheit, die Überwachungstechnik miteinzubauen. Die Falken hatten schon mit der Brut begonnen. In diesem Jahr hat das Team des Nabu Fellbach nachgelegt und rechtzeitig gehandelt, bevor die Falken damit beginnen, ihre Eier zu legen.

Mehrfache Überspannungssicherungen sollen vor Blitzschlag schützen

Dank der Vorbereitung von Friedemann Tewald, der im Vorfeld akribisch alle technischen Probleme gelöst hatte, konnte vor wenigen Tagen das Überwachungssystem installiert werden. Zusammen mit seinem Bruder, seines Zeichens studierter Elektrotechniker, tüftelte der Mediziner in seiner Freizeit ein anspruchsvolles System aus, das den ersten Test gleich mit Bravour bestanden hat. „Darüber bin ich einigermaßen froh“, gab Tewald bescheiden zu, nachdem die allerersten Bilder erfolgreich übertragen wurden. „Nun macht mir nur noch ein möglicher Blitzschlag Sorgen. Der könnte die ganze Elektronik zerstören.“ Die Anlage wurde daher von einem Elektriker gleich mit mehreren Überspannungssicherungen versehen. Denn Blitzeinschläge bei Gewittern dürften an einem 107 Meter hohen Gebäude eher die Regel als die Ausnahme sein.

Sogar nachts haben die Wanderfalken keine Privatsphäre mehr

Bestens abgesichert senden die beiden Kameras inzwischen rund um die Uhr Bilder auf die Computer und Smartphones der hiesigen Ornithologen. Diese bekommen so endlich auch das Geschehen im Innern des Kastens mit. Sogar nachts wird mithilfe von Infrarottechnik gefilmt. Mit der Falken-Privatsphäre ist es also wirklich vorbei.

Die ersten Aufnahmen der Webcams sind von beeindruckender Qualität und lassen auf eine spannende Beobachtung der nahenden Brutsaison hoffen. Das Falkenweibchen mit Namen Perenelle hält sich mittlerweile verdächtig oft in der Nestbox auf. „Mit einer baldigen Eiablage ist also zu rechnen“, sagen die Fellbacher Falken-Fans, die sich schon auf den Nachwuchs freuen.

Noch ist der Zugang zu den Überwachungsvideos einem kleinen internen Kreis vorbehalten. Ob und wann der Live-stream dann für die Allgemeinheit online einsehbar ist, wird sich demnächst entscheiden. Der Nabu steht darüber zurzeit noch in Abstimmung mit der CG-Gruppe, die den Schwabenlandtower gekauft hat und baldmöglichst fertigstellen möchte. Die Nistkasten-Kamera ist hierfür ein wichtiges Hilfsmittel. Sie soll auch die Bautätigkeiten zeitlich auf das Brutgeschehen der Falken abstimmen.

In der Zwischenzeit sind auf der Internetseite des Nabu Fellbach einige ausgewählte Schnappschüsse zu sehen. Außerdem können auf der Online-Seite unserer Zeitung weitere Aufnahmen in einer Bildergalerie bestaunt werden.