Camping gilt als bodenständige Urlaubsvariante – aber die lässt sich auch auf die High-End-Spitze treiben. Niemand ist darin erfolgreicher als die Firma Morelo, die Wohnmobilträume wahr werden lässt. Ein Besuch zu Saisonbeginn.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Peter Stolterfoht (sto)

Im Jahr 2019 avancierte die belgische Krimiserie „Undercover“ bei Netflix zum Überraschungserfolg. Im Zentrum ein Ermittlerpaar, das verdeckt auf einem Campingplatz observiert. Dorthin hat sich der Pate eines Ecstasy-Kartells zurückgezogen. Obwohl der seinen Lebensabend genauso gut in einer Villa in Saint Tropez genießen könnte, zieht es ihn dorthin, wo er schon als Kind die Ferien mit Freude verbracht hat. Mitten auf dem Jedermann-Zeltplatz hat er sich einen großen Bungalow hinstellen lassen, weil ihm die Grillabende mit den Kumpels und Flaschenbier mehr bedeuten als das Jetset-Ambiente am Mittelmeer.

 

Auf diese Bodenständigkeit eines überzeugten Campers setzt auch Sven Stadthalter – in der Verbindung mit Reichtum. Damit jetzt kein falscher Eindruck entsteht. Anders als in der Krimiserie ist Stadthalters Klientel grundsolide. „Unser typischer Kunde ist 55, Unternehmer, der hart dafür gearbeitet hat, etwas aufzubauen und jetzt sein Leben genießen will“, sagt der junge Gesamtvertriebsleiter von Morelo.

Morelo, was wie ein italienischer Aperitif klingt, ist in Wahrheit ein fränkischer Hersteller von luxuriösen Reisemobilen. Und in diesem Segment ist die erst vor gut zwölf Jahren entstandene Firma mittlerweile die Nummer 1. Deren mediterraner Name erklärt sich dabei aus der Zusammensetzung des Begriffs „Mobil“ in Kombination mit den Anfangsbuchstaben der Gründer: Reimann, Jochen und Löhner, Reinhard.

Alles beginnt in einer kleinen Blechhalle

Schlüsselfeld, dieses knapp 6000 Einwohner zählende Örtchen im Landkreis Bamberg, an der A 3 zwischen Würzburg und Nürnberg gelegen, ist für den anspruchsvollen Reisemobilisten ein Eldorado. Denn nicht nur Morelo ist dort beheimatet, sondern auch noch gleich zwei weitere First-Class-Anbieter von Wohnmobilen: Concorde und Phönix. Kein Zufall, dass dort eins zum anderen gekommen ist. So entstand die Marke Morelo, die inzwischen zur Gruppe der Knaus Tabbert AG gehört, nachdem sich der Concorde-Mitarbeiter Jochen Reimann selbstständig gemacht hatte. Ähnlich hatte es sich auch im Fall Phönix verhalten.

Bei Morelo hat alles in einer kleinen Blechhalle begonnen, wo es im Winter saukalt gewesen ist. Und unter der Sommersonne fast unerträglich heiß. Auf diese lokale Gründungsgeschichte ist man bei Morelo stolz. Darin nimmt das unter schwierigen Bedingungen entstandene Premierenmodell Palace 90 M eine Sonderstellung ein. Das unterstreicht der Ehrenplatz für den Prototypen auf der schicken Ausstellungsfläche, die im Zentrum eines hochmodernen Betriebsgeländes steht. Die Fläche hat sich auf heute 130 000 Quadratmeter ausgeweitet, was in etwa 18 Fußballfeldern entspricht. 450 Mitarbeiter zählt das Unternehmen, der Jahresumsatz betrug zuletzt rund 120 Millionen Euro, Tendenz weiter steigend.

Zusammen fertigen Europas drei führende Hersteller von Premium-Reisemobilen in Schlüsselfeld jährlich 1000 Exemplare. Auf das Morelo-Konto gingen dabei zuletzt 550 Fahrzeuge. Die haben ihren Preis. In diesem Zusammenhang heißt es jetzt erst einmal anschnallen: Das billigste Model, der Loft 79 F, startet bei einem Grundpreis von 223 000 Euro. Wer sich das rollende Flaggschiff aus dem Hause Morelo gönnen will, den Grand Empire 119 GSO, muss rund 850 000 Euro investieren, wenn es denn auch die teuerste Ausstattungslinie sein darf. Damit sind die stolzen Besitzer natürlich King beziehungsweise Queen of Campingplatz – und das garantiert weltweit. Mehr geht in diesem Bereich einfach nicht.

Im Luxusliner findet auch der Sportwagen Platz

Der Blick in dieses Luxusapartment auf Rädern kostet nichts – und lohnt sich. „Hereinspaziert.“ Doch bevor einen Vertriebschef Sven Stadthalter in den Grand Empire bittet, beeindruckt der Koloss bereits von außen – auch wenn im Showroom derzeit gar nicht einmal die größtmögliche Ausführung mit einer Länge von zwölf Metern steht. Da findet dann auch ganz standesgemäß der Porsche oder Maserati Platz – in der „im Heck integrierten Garage mit elektrischer Entriegelung und LED-Beleuchtung“, wie es im ebenfalls aufwendig hergestellten Katalog heißt. So kann der Luxusliner-Pilot am Urlaubsort auch wieder Sportwagenfahrer sein. Bei Regen geht es für das Begleitfahrzeug zurück ins Reisemobil. Unter dessen Vordach passt dann auch noch problemlos die gesamte Campingplatz-Nachbarschaft.

Jetzt aber die Stufen hoch und eintauchen in die Welt des Glamping. Der Begriff für glamouröses Camping muss im Inneren des Grand Empire entstanden sein – in dieser rollenden 30-Quadratmeter-Luxusferienwohnung. Hier lässt es sich aushalten, das garantieren der Wohn-Ess-Bereich mit edler Küchenzeile und allen technischen Schikanen. Daneben die „Luxus-Lounge-Sitzgruppe mit ergonomisch geformter Royal-Lederpolsterung, Sitzheizung und Massagefunktion“, wie es in der Beschreibung heißt. An der Bar nimmt man auf lederbezogenen Pilotensitzen Platz, die auch für Fahrer und Beifahrer bereitstehen. Auch im Schlafzimmer, über der Zweitfahrzeuggarage, keine Spur von beengten Verhältnissen, die eigentlich typisch sind fürs Campen. Selbst Toilette und Dusche haben ein Format, dass sich dort auch große Menschen keineswegs verbiegen müssen.

In diesem Ambiente lässt sich aber nicht nur die Freizeit genießen, sondern auch der Job versüßen – mit einer Premiumunterkunft, die direkt neben dem Arbeitsplatz abgestellt werden kann. „Zu unseren Kunden gehören Profis aus den Bereichen Golf-, Motor- und Reitsport“, sagt Morelo-Vertriebschef Sven Stadthalter, der aber keine Namen verraten will. Diskretion gehört auch zum Geschäft, wie er sagt.

An Himmelfahrt wird Schlüsselfeld zum Pilgerort

Nur eine Tür trennt die Ausstellungshalle von der sogenannten Hauptlinie, auf der innerhalb von zehn Tagen aus einem nackten Lkw-Sattelzug mit bis zu 550 PS ein Morelo-Liner entsteht, der im Höchstfall 18 Tonnen wiegt. Das Fahrwerk stammt entweder von Iveco oder von Mercedes-Benz. Im Drei-Stunden-Takt wird aus dem Chassis in Handarbeit Station für Station ein besonderes Wohnmobil gefertigt. Erst werden die Böden eingesetzt, es folgen die Seitenwände. Den Innenausbau erledigen die eigenen Abteilungen für Schreinerarbeiten, Gas-Wasser-Installationen, Elektronik und Wand-Decken-Verkleidungen. Auf diesem Weg kommt man derzeit jährlich auf die Produktionszahl von 550 Morelos. „Das deckt aber nicht die Nachfrage“, sagt Sven Stadthalter. Dabei entfallen 50 Prozent der Verkäufe auf den Palace. Sven Stadthalter nennt es „unser Brot-und-Butter-Modell“. Der Allrounder aus dem mittleren Preissegment kann bei Bedarf aber auch über 500 000 Euro kosten. Die Auslieferungszeit beträgt derzeit rund ein Jahr. Darauf kommt es dann aber auch nicht mehr an, schließlich reift der Kaufentschluss teilweise über Jahrzehnte.

Es geht um den großen Camping-Traum, der Jahr für Jahr im Frühling aufblüht. Morelo begleitet diesen Vorgang geschickt, zum Beispiel mit dem Angebot „In neun Tagen zum Lkw-Führerschein“, der für die größeren Modelle notwendig ist. Außerdem werden rund um Himmelfahrt zusammen mit der örtlichen Konkurrenz Tage der offenen Tür veranstaltet, die eine Pilgerfahrt auslösen. Nach Schlüsselfeld, ins Mekka des anspruchsvollen Wohnmobilisten.