Marbach möchte attraktivere und mehr Stellplätze anbieten. Auch in Vaihingen/Enz steht das Thema auf der Agenda. Allerdings: der Eindruck von Engpässen kann auch trügen.

Während der Pandemie samt all ihrer Einschränkungen für die konventionelle Reisebranche gönnten sich viele Deutsche ein Wohnmobil. Damit war man unabhängiger, musste keine lästigen Auflagen in Hotels erfüllen oder sich durch Verordnungen kämpfen, in denen geregelt war, ob die Beherbergungsbetriebe überhaupt öffnen durften. Alle Segmente des Campings seien auch weiter im Wachstum begriffen, berichtet Christian Günther, der Geschäftsführer des Bundesverbands der Campingwirtschaft. „Der Trend hält schon mehrere Jahre an, und Corona wirkte wie ein Booster“, betont er. Diese Zeichen der Zeit hat auch die Stadt Marbach erkannt, die vor allem im Hinblick auf die Gartenschau 2033 die Wohnmobil-Infrastruktur verbessern will.

 

Trostloser Ausblick

Der Status quo aber ist eher mager. „Wir haben nur fünf Plätze“, konstatiert Julia Essig-Grabnar von der Tourismusgemeinschaft Marbach-Bottwartal. Und die sind zudem nicht unbedingt idyllisch gelegen. Besucher müssen Stühle und Tischchen auf einem schnöden Parkplatz vor dem Hermann-Mayer-Sportplatz aufbauen, starren dabei wahlweise auf eine Hecke, einen Rasen oder einen Wohnkomplex. Davon abgesehen, setzt die Stadt mangels Personal, das vor Ort abkassieren oder kontrollieren könnte, auf ein Abrechnungssystem ohne Steuerungsfunktion: Die Wohnmobilisten zahlen via Automat pro verbrauchtem Strom, entrichten also keine Grundgebühr, können somit die Plätze aber auch nicht reservieren. Es kann also passieren, dass jemand müde von einer langen Fahrt in Marbach eintrifft, aber dann mit seinem Camper ein anderes Ziel ansteuern muss.

Angedacht ist deshalb, perspektivisch sowohl die Zahl der Stellplätze zu erhöhen, als auch deren Komfort zu steigern. „Zur Gartenschau reisen bestimmt viele mit dem Wohnmobil an“, sagt Julia Essig-Grabnar. Ein Standort, dem sie viel abgewinnen könnte, wäre am Neckarufer auf Tuchfühlung zum dortigen Biergarten. „Das ist aber nicht realistisch“,sagt sie sogleich. Es handele sich um ein potenzielles Überschwemmungsgebiet. Aber vielleicht lasse sich rund um den heutigen Standort etwas machen, hofft sie. Schließlich solle die Schillerhöhe für die Gartenschau umgestaltet werden.

In Vaihingen/Enz steht das Thema ebenfalls auf der Agenda. Die Zeit sitzt den Verantwortlichen dort sogar noch etwas stärker im Nacken, geht doch die Gartenschau in der Kommune bereits 2029 über die Bühne. Und die Ausgangssituation ist in der Großen Kreisstadt sogar noch dürftiger als in Marbach. Es gebe lediglich zwei offizielle Stellplätze in der Walter-de-Pay-Straße auf Höhe des Verkehrsübungsplatzes, berichtet Sprecher Mario Steigleder. „Diese verfügen auch über keinerlei Infrastruktur“, sagt er. Heißt: Wasser- oder Stromanschlüsse sind Fehlanzeige. Konkret befasst habe man sich aber noch nicht damit, wie die Situation verbessert werden könnte. Man befinde sich in Sachen Gartenschau in einem frühen Planungsstadium. „Parkplätze hingegen sind aber schon thematisiert worden, und aufbauend darauf wird es in der weiteren Planung natürlich auch um Wohnmobilstellplätze – die für uns ein wichtiger Baustein sind - gehen“, vermeldet Steigleder.

Wobei es auch ohne zu gehen scheint, wie das Beispiel Remseck zeigt. Die Kommune war bei der Remstal-Gartenschau 2019 mit im Boot, hatte aber keine Stellplätze für Camper in petto. Man habe sich schon die Frage gestellt, ob das Anklang finden könnte, sagt Sprecher Philipp Weber. Aus Kostengründen habe sich der Gemeinderat aber letztlich dagegen entschieden, Plätze anlegen zu lassen.

Lieferschwierigkeiten treffen auf Konsumflaute

Dabei handelt es sich freilich um eine Entscheidung aus der Zeit vor der Coronapandemie, als der ganz große Camping-Hype noch nicht abzusehen war. Der ist zwar zuletzt etwas abgeflaut, wie Christian Günther vom Bundesverband feststellt. Allerdings „auf einem enorm hohen Niveau“. Zudem liege die momentane Beruhigung des Markts „eher an Lieferschwierigkeiten und einer generellen Konsumflaute“. Auch „gehen wir davon aus, dass während Corona viele Personen ihre Kaufentscheidung vorgezogen haben, sodass es sich künftig etwas glätten wird. Das Niveau der Neuzulassungen wird aber weiter hoch bleiben“, prognostiziert Günther.

Plätze unterschiedlich stark ausgelastet

Folglich rät er Kommunen generell, sich mit dem Thema Camping zu befassen. Wichtig sei es bei der Planung jedoch, die regionale Entwicklung genau zu analysieren. Denn der Eindruck, dass bei den Stellplätzen ein Mangel vorherrscht, könne im Einzelfall auch trügen. Die Plätze seien unterschiedlich stark ausgelastet. Günther kann diese These auch mit Zahlen untermauern. „Im August 2021 wurde mit 9,5 Millionen Übernachtungen auf den hiesigen Campingplätzen ein neuer Monatsrekord aufgestellt. Potenziell wären aber rund 20 Millionen Übernachtungen möglich, Deutschland ist in der Spitze also halb voll“, sagt der Geschäftsführer.

Engpässe im Großraum Stuttgart

Im Großraum Stuttgart mit seinen mehr als 70 Standorten für die fahrbaren Heime scheint aber auf alle Fälle noch Potenzial brachzuliegen. „Die Plätze werden sehr gut angenommen, in der Hochsaison können gelegentlich an manchen Orten Engpasssituationen entstehen, so dass die Nutzenden auf umliegende ausweichen müssen“, erklärt Alexandra Aufmuth, Sprecherin des Verbands Region Stuttgart. Es gebe sowohl eine Nachfrage nach größeren, zentralen Plätzen als auch nach Flächen, wo nur eine kleine Zahl an Abstellmöglichkeiten bereitsteht. „Beide Stellplatzarten sind notwendig und ergänzen sich“, hebt Aufmuth hervor.

Eine Branche im Aufwind

Trend
Wohnmobile und Caravans stehen nach wie vor hoch im Trend, wenngleich die Absatzzahlen zuletzt nicht mehr ganz das Niveau der Coronajahre 2020 und 2021 erreichten. Laut dem Caravaning Industrie Verband wurden zwischen Januar und November vergangenen Jahres 63 828 Reisemobile neu zugelassen, was einem Minus von 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht. Allerdings sind das immer noch rund 11 000 Fahrzeuge mehr als 2019.

Rekord
Mit rund 39,2 Millionen Übernachtungen, und das Stand Oktober 2022, vermeldet die Campingbranche schon jetzt einen neuen Jahresrekord. Etwa 90 Prozent der Besucher kamen aus Deutschland selbst, der Rest vornehmlich aus den Niederlanden, der Schweiz und Belgien.