Nach einer Räumungsklage findet eine Frau keine Wohnung mehr. Mehrere Jahre lebt sie in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe. Schließlich kommt sie in einem neuen Caritas-Projekt in Feuerbach unter. Mehr als 4000 Menschen in Stuttgart haben dieses Glück nicht.

Feuerbach - Maria Schäfer ist keine Alkoholikerin, sie ist nicht drogenabhängig und hat keine Rotlichtvergangenheit. Sie rannte auch nicht vor einem prügelnden Partner davon – und doch ist sie wohnungslos geworden. Rund sechs Jahre ist das nun her. In dieser Zeit hatte Schäfer, die eigentlich anders heißt, viel Kontakt mit Frauen aus diesen Milieus, denn mit dem Verlust ihrer Wohnung begann für sie ein Spießrutenlauf durch soziale Wohneinrichtungen.

 

Schäfer hatte einst eine Zweizimmerwohnung, jedoch keine Arbeit. „Ich bezog Hartz IV, bekam dann Probleme mit dem Amt und habe irgendwann den Kopf in den Sand gesteckt“, erzählt sie. Um welche Probleme es sich gehandelt habe, sagt sie nicht, doch ließ sie Fristen verstreichen und plötzlich ging alles ganz schnell. „Dann kam die Räumungsklage.“ Bett, Schrank, Fernseher – alles war weg.

Erste Station: Frauenpension

Hilfe oder Halt von Seiten der Familie habe sie nicht gehabt. „Das war eher so, dass die ihre Probleme bei mir abgeladen haben“, sagt sie. Also führte sie ihr Weg zum Sozialamt, dieses schickte sie weiter zur Frauenberatung. „Dort sagte man mir, alle Unterkünfte seien voll.“ Da hatte sie noch eine Woche bis zur Räumung. In letzter Minute vermittelte man ihr ein Zimmer im Neefhaus, einer Frauenpension der Caritas im Stadtzentrum. Ein Schock für Schäfer. „Das Zimmer war klein. Es hatte ein Bett, Tisch, Stuhl und Schrank. Es fühlte sich nach Knastzelle an“, sagt sie. Viele der Frauen seien aus dem Rotlichtmilieu gekommen oder hätten Drogen- oder Alkoholprobleme gehabt. „Ich habe anfangs mein Zimmer nicht verlassen“, sagt die 41-Jährige.

Von nun an war Schäfer eine von aktuell 4226 wohnungslosen Menschen in Stuttgart, die laut dem Sozialamt in betreuten Angeboten der Wohnungsnotfallhilfe und in der ordnungsrechtlichen Unterbringung von Wohnungslosen leben. „Diese Zahl setzt sich aus 1996 Plätzen in Wohnangeboten der Wohnungsnotfallhilfe und 2230 Personen in der ordnungsrechtlichen Unterbringung, wie Notübernachtung, Erfrierungsschutz, Fürsorgeunterkünfte und Sozialunterkünfte zusammen“, sagt Martin Thronberens, Pressesprecher bei der Stadt. Rund ein Viertel davon sind Frauen.

Ein neues Caritas-Projekt bietet 16 Menschen Sicherheit

Schäfer versuchte alles, um nicht auf der Straße zu enden. Doch die kommenden Jahre wurden zur psychischen Belastungsprobe. Da die meisten Unterkünfte zeitlich begrenzt waren, zog sie von der Frauenpension in eine betreute Wohngemeinschaft, dann wieder in eine Frauenpension. Jeder Umzug war mit einem Einschnitt verbunden, der sie verunsichert habe, sagt sie. Wieder in eine Frauenpension zu ziehen, sei ein Rückschritt gewesen. „Für Leute, die nicht viel Geld haben, gibt es aber nichts auf dem freien Wohnungsmarkt in Stuttgart.“

Dass sie heute in einer neuen Zweizimmerwohnung in Feuerbach sitzt, verdankt sie ihrem Durchhaltevermögen, einer ordentlichen Prise Glück und der Caritas. Der Verband hat gemeinsam mit der Caritas Stiftung und der Stadt Stuttgart vergangenen Herbst an der Gernotstraße ein Wohnhaus errichtet, in dem 16 Menschen, die bislang in Caritas-Einrichtungen betreut wurden, eine Wohnung erhalten haben. „Das ist ein besonderes Projekt und für den Caritasverband das erste in dieser Form“, sagt Peter Grau, Immobilienbeauftragter bei der Caritas Stiftung Stuttgart. „Die Menschen besitzen einen eigenen Mietvertrag. Der Vermieter ist der Caritasverband“, ergänzt Harald Wohlmann, Fachdienstleiter für Offene Hilfen bei der Caritas Stuttgart. Direkte Mietverträge seien unüblich.

800 Menschen könnten alleine leben

Mit dem Wohnprojekt wurde Wohnraum geschaffen für Menschen, die auf dem freien Wohnungsmarkt kaum eine Chance haben. Manche haben Schulden, andere eine Suchtvergangenheit. „Wir haben derzeit rund 800 Menschen in der Wohnungslosenhilfe, die eigentlich allein leben könnten“, sagt Wohlmann. Laut der Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg steigt die Zahl der Wohnungslosen im Land. Als Hauptgrund führt der Verein den angespannten Wohnungsmarkt an. „Die Stadt muss schauen, dass sie Wohnungen baut, um dem Problem der Stadtgesellschaft Herr zu werden“, mahnt Wohlmann. Für ihn macht Wohnraum einen hohen Teil der Menschenwürde aus. „Herr seiner Räume zu sein, ist wichtig. Man hat auch festgestellt, dass Menschen dann offener werden für Therapien“, betont er.

Das trifft auch auf Maria Schäfer zu. Sie fand einen Job in einem Sozialkaufhaus. „Ich war lange eine Einzelkämpferin und hatte Startschwierigkeiten. Meine Chefin hat mir gesagt, dass ich offener geworden bin.“ Über den Job sei sie sehr glücklich. „Heute freue ich mich wieder auf das Nachhausekommen, das hatte ich lange nicht mehr“, sagt sie.