In Eislingen setzt die BPD-Immobilienentwicklung das Projekt „Solar Living“ um. Mit 28 Wohneinheiten in vier Häusern soll dort bis in gut zwei Jahren eines der ersten Aktiv-plus-Quartiere Deutschlands entstehen.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Eislingen - Der Spatenstich ist gemacht, die Baugrube wird ausgehoben, Lastwagen bringen den Erdaushub weg, bis das Loch fertig ist und die Arbeiten am Fundament beginnen können: Das ist üblich, wenn ein neues Baugebiet entsteht. Und doch ist das, was da in den nächsten beiden Jahren am südlichen Ende der Gerhart-Hauptmann-Straße in Eislingen aus dem Boden wachsen soll, alles andere als gewöhnlich. Die BPD Immobilienentwicklung, die auch in Stuttgart eine Niederlassung hat, erstellt dort eines der ersten, wenn nicht sogar das erste Aktiv-Plus-Wohnquartier dieses Zuschnitts im Land.

 

So wie ein Aktiv-Plus-Haus, um die entsprechende Zertifizierung überhaupt zu bekommen, mehr Energie produzieren muss als seine Bewohner verbrauchen, wird auch der neue vierteilige Komplex mehr Strom und Wärme erzeugen, als seine Gebäude und die Menschen, die in den 28 Eigentumswohnungen leben werden, benötigen. Der Architekt Norbert Böhme, der als ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Solararchitektur gilt, rechnet damit, dass pro Quadratmeter Wohnfläche zwischen fünf und acht Kilowatt Strom für andere Nutzer übrig bleiben. Bei rund 2600 Quadratmetern kommt da ordentlich was zusammen.

Pro Jahr werden 50 Tonnen CO2 eingespart

Der Projektentwickler Sven Ertinger räumt ein, dass das Vorhaben auch für die BPD kein alltägliches Brot sei. „Für uns ist es eine Premiere, ein solches CO2-neutrales Quartier zu errichten und damit Vorgaben zu erfüllen, die verbindlich erst im Jahr 2025 kommen sollen.“ Erreicht würde diese Vorgabe durch eine umfassende Nutzung von Sonnenenergie und Erdwärme sowie durch die Möglichkeit einer effizienten Zwischenspeicherung, die benötigte Kapazitäten dann zur Verfügung stelle, wenn sie gebraucht würden, ergänzt er.

Zu diesem Zweck werden neben einer Vielzahl von Solarmodulen rund 800 Meter an Erdsonden verlegt. Diese verteilen sich auf 20 Bohrlöcher, so dass in kritische Schichten gar nicht erst eingegriffen werden muss. Ausgewählt hat die BPD dafür sogenannte Geokoax-Sonden, die 2017 immerhin mit dem Deutschen Industriepreis in der Kategorie „Energie & Umwelt“ geadelt worden sind. Insgesamt ist das Versorgungssystem der BPD so ausgelegt, dass auf fossile Brennstoffe nicht einmal als Back-up zurückgegriffen werden muss.

Norbert Böhme verdeutlicht den dadurch erzielten CO2-Einspareffekt anhand eines Beispiels: „Das sind etwa 50 Tonnen pro Jahr. Um das anderweitig zu kompensieren braucht es 50 000 Quadratmeter Wald.“ Der Architekt verhehlt indes nicht, dass grüne Energie ihren Preis hat. „Aber die Kohlendioxid-Steuer wird, wie in anderen europäischen Ländern, auch bei uns kommen. Und da haben die Solar-Living-Bewohner von vornherein gute Karten.“

Ende Juni 2020 sollen die Bewohner einziehen können

Dass das Projekt für die BPD eine echte Herausforderung darstellt, macht der Stuttgarter Niederlassungsleiter Antonius Kirsch deutlich: „Keine Frage, wir haben etwas Besonderes und nicht ganz Unkompliziertes vor, mit Anforderungen, die sowohl den Fachingenieuren wie auch den Technikern jede Menge Arbeit machen.“ Aber das sei man nicht nur der Umwelt und der Zukunft schuldig. „Vielmehr sammeln wir Erfahrungen mit Verfahren, die in absehbarer Zeit, nicht zuletzt aufgrund der gesetzlichen Vorgaben, zum Standard werden, fügt Kirch hinzu.

Der Eislinger Baubürgermeister Jürgen Gröger freut sich schon jetzt auf „das erste Wohnquartier ohne Schornsteine in unserer Stadt“, das spätestens Ende Juni 2020 fertig und an die künftigen Bewohner übergeben sein soll. In Sachen Umwelt- und Klimaschutz kämen auf alle Kommunen umfangreiche Entwicklungen zu, deshalb brauche es in ganz Deutschland und damit auch in Eislingen solche Vorhaben, ergänzt er. Der Baubürgermeister ist aber nicht nur voll des Lobes für die BPD, sondern auch für die Gemeinderäte, die den Schritt auf ungewohntes Terrain gewagt hätten. „Es ist ein Novum, dass Häuser sich selbst versorgen und zudem Überschüsse produzieren. „Wenn es nach mir ginge, könnten wir schon bald ein Parallelprojekt auf den Weg bringen“, sagt Jürgen Gröger.

Die Obergrenzen sind festgelegt

Bei Gebäuden gibt es eine ganze Reihe möglicher Energiestandards, deren Erfüllung zu bestimmten Klassifizierungen führen. Definiert ist dabei jeweils die Obergrenze des Energiebedarfs. Die Zielwerte können in aller Regel durch eine entsprechende Dämmung von Wänden, Fenstern und Türen und/oder durch eine Verbesserung der haustechnischen Anlagen erreicht werden.

Festgelegt werden die einzelnen Standards nach unterschiedlichen Kriterien, immer aber nach dem Heizwärmebedarf pro Jahr und Quadratmeter. Dieser liegt beim Niedrigenergiehaus zwischen 40 und 79 Kilowattstunden , beim Dreiliter-Haus zwischen 16 und 39 Kilowattstunden sowie beim Passivhaus bei 15 Kilowattstunden oder weniger. Aktivhäuser, auch Plusenergiehäuser, wie sie jetzt in Eislingen als Wohnquartier gebaut werden, erzeugen mehr Energie als sie verbrauchen.