Das Landratsamt Böblingen will einen Vermittler einstellen, der Eigentümer überzeugen und damit kurzfristig für bezahlbaren Wohnraum sorgen soll. Damit verfolgt der Kreis Böblingen ein regionalweit einzigartiges Vorhaben.

Böblingen - „Unser Kreis ist wirtschaftsstark. Doch das hat seine Schattenseiten“, stellt der Landrat Roland Bernhard bei einer Ausschusssitzung im Kreistag fest. Dazu gehöre auch der Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Die Bevölkerung ist mittlerweile auf 392 000 Einwohner (Stand November 2018) angestiegen, der Wohnungsmarkt ist angespannt. Der Verband Region Stuttgart hat bis 2030 berechnet, dass weitere 14 600 Wohneinheiten nötig sein werden.

 

Nicht nur im Kreis Böblingen suchen die Menschen händeringend nach Wohnungen. Das Problem betrifft die gesamte Region. Doch während man in anderen Städten wie beispielsweise Stuttgart gegen unbegründeten Leerstand notfalls mit Bußgeldern vorgehen will, versucht man es im Kreis Böblingen im Guten. „Wir wollen einen Kümmerer einstellen, der kurzfristig für bezahlbaren Wohnraum sorgen soll“, kündigt Bernhard an. Dadurch sollen vor allem sozial Schwächere unterstützt werden. Laut der letzten Zensus-Befragung stehen kreisweit rund 6000 Wohnungen leer – Wohnraum also, der dringend benötigt wird und eigentlich verfügbar wäre.

Wenn Landkreis oder Kommunen als Mieter auftreten, finden sich eher Vermieter

Das Landratsamt nimmt sich den Stadtkreis Karlsruhe zum Vorbild, wo sich bereits seit zehn Jahren ein Vermittler um die Akquise von leer stehenden Wohnungen kümmert – mit Erfolg. „Als Wohnraum für Flüchtlinge geschaffen werden musste, sind wir ein ähnliches Programm gefahren“, erinnert sich Bernhard. In den Jahren 2015 und 2016 waren der Landkreis, Kommunen und staatliche Organisationen als Mieter aufgetreten. Dadurch gab es laut Bernhard eine größere Bereitschaft zum Vermieten. „Da muss erst eine Flüchtlingskrise ausbrechen, damit man das Problem erkennt“, ereifert sich die SPD-Kreisrätin Elke Döbele. Sie habe bereits vor 25 Jahren Anträge gestellt, um bei der Wohnungsnot Abhilfe zu schaffen. „Die Politik hat bei diesem Thema versagt, es ist unglaublich, dass das so verschleppt wurde.“

Dem Landrat kann es nun offenbar nicht mehr schnell genug gehen. Eine Stellenausschreibung für den Kümmerer ist schon geschrieben. Während sich die vier Großen Kreisstädte selbst um Wohnraum kümmern werden, unterstützt das Landratsamt künftig die 22 anderen Städte und Gemeinden im Kreis. Die Fäden sollen aber bei dem Kümmerer zusammenlaufen.

Mit einer öffentlichen Kampagne zum Auftakt will man bei den Eigentümern das Bewusstsein wecken. Diese können sich nach wie vor an ihre jeweiligen Kommunen wenden. Die Daten werden dann zentral an die Vermittlungsstelle weitergeleitet. Bei Fragen rund um die Vermietung soll der Kümmerer dann unterstützen und Probleme lösen. Möglich ist aber auch, dass Landkreis oder Kreisstädte selbst als Zwischenmieter in Erscheinung treten, wie das während der Flüchtlingskrise bereits häufig der Fall war.

Kreis Böblingen unterscheidet sich von anderen Landkreisen

Mit diesem Vorhaben unterscheidet sich der Kreis von anderen Landkreisen in der Region. Auch der Rems-Murr-Kreis verfügt mit seiner Kreisbaugesellschaft als Tochterunternehmen über eine Besonderheit. Diese wurde nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, um dem damaligen Wohnraummangel zu begegnen. Im Jahr 2017 hatte der Kreistag beschlossen, mit einem Investitionsprogramm für bezahlbaren Wohnraum über die Kreisbaugesellschaft in den kommenden zehn Jahren 500 neue bezahlbare Wohnungen zu bauen. „Wir verfolgen damit einen anderen Ansatz“, sagt die Pressesprecherin des Landratsamtes Martina Keck. Auch als Vermittler hat der Rems-Murr-Kreis bereits Erfahrungen: Während der Flüchtlingskrise richtete man ein Wohnungsportal ein, das sich an alle Bedürftige richtete. „Wir haben es nach einem Jahr wieder aufgegeben, weil es kein einziges Angebot gab“, berichtet Keck.

Auch im Kreis Esslingen gibt es keinen zentralen Kümmerer, der den Wohnungsleerstand beseitigen soll. Ein Mangel an Wohnungen herrscht zwar auch im Kreis Göppingen, eine zentrale Anlaufstelle gibt es jedoch nicht. Im Kreis Ludwigsburg sieht man die Aufgabe eher bei den Kommunen angesiedelt. „Wir haben eine Allianz für bezahlbares Wohnen gegründet“, sagt Andreas Fritz, der Sprecher des Landratsamtes. Einen gesonderten Kümmerer gebe es jedoch nicht.