Das Freizeitangebot liegt auf Eis. Mit vielen Einzelgesprächen wollen die Mitarbeiter im Hilde und Eugen Krempel-Männerwohnheim die Bewohner aufmuntern.

Stuttgar-Nord - Wohnsitzlose, die auf der Straße auf Almosen hoffen: Sonst ist das ein häufiges Bild in der Innenstadt und vor allem auf der und rund um die Königstraße. Jetzt sind sie verschwunden, die Menschen mit Pappbecher vor sich. Es hätte derzeit auch wenig Sinn, auf Kleingeld zu hoffen. Die Straßen sind fast menschenleer. Auch viele Wohnsitzlose bleiben nun in Unterkünften. Für die Mitarbeiter der Einrichtungen, in denen wohnsitzlose Menschen leben, bedeutet das eine Herausforderung.

 

In den 13 voll- und teilstationären städtischen Wohnheimen leben derzeit rund 800 Menschen. Im ambulanten betreuten Wohnen sind es rund 1000 Männer und Frauen. Es gibt insgesamt 52 Plätze für Notübernachtungen. Elf sind regulär belegt. Die anderen Notübernachtungsplätze sollen nach Auskunft der Pressestelle der Stadt als Notbetten bei Verdacht auf Infektionen mit dem Corona-Virus frei gehalten werden. Das heißt: Es wird niemand mehr aufgenommen.

Auch das neu gebaute Hilde und Eugen Krempel-Männerwohnheim an der Friedhofstraße im Stuttgarter Norden verfügt über Betten für Notübernachtungen.Die Einrichtung ersetzt das abgerissene Männerwohnheim am Nordbahnhof. Dort gibt es laut Micha Klahn, Leiter des Sozialdiensts, 60 Einzelzimmern. In den zehn Zimmern für die Notübernachtung werden jedoch zwei Personen untergebracht. In Corona-Zeiten ein Risiko. „Deshalb haben wir die Zimmer auf fünf reduziert und wollen auch die so schnell wie möglich leer bekommen“, sagt Klahn.

Nach Angaben der Pressestelle der Stadtverwaltung sollen im Hilde und Eugen Krempel-Wohnheim drei Zimmer zur Isolation von Verdachtsfällen eingerichtet und in keinem Heim mehr Wohnsitzlose in der Notübernachtung aufgenommen werden. Wie in Pflegeheimen ist auch in den Wohnsitzloseneinrichtungen Besuchsverbot angesagt. Und in den gemeinsam genutzten Räumen steht außer Seife auch genügend Desinfektionsmittel zur Verfügung.

Das Problem: Die älteren Bewohner, die im stationären Bereich leben und zum Teil bereits dement sind, verstehen nicht mehr, wie gefährlich das Corona-Virus ist und warum sie sich schützen müssen. Klahn: „Manche sitzen auf den Zimmern trotz aller Warnungen zusammen. Raus gehen sie zum Glück nicht, höchsten mal zum Einkaufsladen in der Nähe.“

Klahn ist froh, dass es „keine komplette Ausgangssperre“ gibt. Denn das würde die Menschen, die gewohnt sind, auf der Straße zu leben und oft psychisch angeschlagen sind, völlig stressen und das Zusammenleben im Heim stark belasten. „Es ist ein Spagat, darauf hinzuwirken und darauf zu achten, dass die Vorschriften, auch in Sachen Hygiene, eingehalten werden“, sagt Micha Klahn.

Das Freizeit- und Unterhaltungsangebot für die Bewohner liegt auf Grund von Covid-19 völlig auf Eis. Klahn: „Veranstaltungen wie Spielnachmittage, Filmabende oder gemeinsames Grillen sind komplett gestrichen.“ Das Essen muss auf dem Zimmer eingenommen werden. Er und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter versuchen jetzt noch mehr als sonst die Männer in Einzelgesprächen aufzumuntern, zu motivieren und ihnen Perspektiven aufzuzeigen. Das ganze allerdings mit halber Personalstärke: Von zwei Krankenschwestern bleibt derzeit eine zu Hause. Und von dem Dutzend Sozialbetreuern, die sonst im in Hilde und Eugen Krempel-Männerwohnheim arbeiten, sind nur sechs bis sieben im Wohnheim. „Wir wechseln ab, wer zu Hause und wer am Arbeitsplatz ist“, sagt Klahn. Dadurch soll der Betrieb auch im Notfall sichergestellt sein. In den anderen Wohnheimen der Stadt wird ähnlich verfahren.

Verdachtsfälle im Hilde und Eugen Krempel-Männerwohnheim gab es bislang noch nicht. Würde ein Covid-19 Fall auftreten, würde sofort das städtische Gesundheitsamt informiert, das Heim geschlossen und die Bewohner mit zwei Mitarbeitern im Heim unter Quarantäne gestellt. Die anderen Mitarbeiter würden nach Hause in Quarantäne geschickt.