Nach der aktuellen Prognose der Stadtverwaltung leben in zwölf Jahren knapp 47 000 Menschen in Fellbach. Mit einer neuen Wohnbaukoordinatorin und der neuen Wohn- und Dienstleistungsgesellschaft will man dem Nachfragedruck begegnen.

Fellbach - Noch deutlich stärker als noch bis vor kurzem prognostiziert wird die Stadt Fellbach in den nächsten gut zehn Jahren wachsen. Die Stadtverwaltung kalkuliert im Vergleich zum heutigen Stand bis zum Jahr 2030 mit einer Zunahme um rund 620 Personen auf dann 46 890 Einwohner. Um dem heftigen Nachfragedruck auf dem Wohnungsmarkt in der gesamten Region Stuttgart zu begegnen, forciert Fellbach weiter die von OB Gabriele Zull angestoßene Wohnbauoffensive.

 

Fellbach gilt als „Schwarmstadt“ – bietet also eine hohe Attraktivität für Menschen, die hier herziehen wollen. „In unserer Stadt wird gerne gewohnt, denn unser Standard ist ja auch sehr hoch“, erläuterte Gabriele Zull am Dienstagnachmittag in einem Pressegespräch. Andererseits jedoch hat die Stadt erheblichen Nachholbedarf. Jährlich hätten zuletzt 125 neue Wohneinheiten gebaut werden sollen. Doch in der Realität „sind wir hinter diesem Ziel zurückgeblieben“, so Zull. Bei stagnierender Wohnungszahl wächst jedoch die Bevölkerung durchaus – was sich nur durch die erhöhte Belegungsdichte erklären lässt, dass also mehr Menschen in einem Haushalt leben.

Fehlende Fachkräfte seien eben leichter zu gewinnen, wenn diese auch am Ort leben können

Dazu passt auch die ernüchternde Analyse einer im Gemeinderat im vergangenen Jahr vorgestellten Studie: Familien müssen immer enger zusammenrücken, junge Paare und Fachkräfte suchen oft vergeblich eine Wohnung in der Kernstadt, im Lindle, in Schmiden oder Oeffingen. Familien auch aus dem Mittelstand, „ganz normale Menschen, Polizeibeamte oder Krankenschwestern oder auch Erzieherinnen wie bei uns in der Stadtverwaltung finden keinen bezahlbaren Wohnraum“, so Zull. Und auch die Fellbacher Firmenchefs drängten in Gesprächen mit der Rathauschefin auf verstärkte kommunale Aktivitäten, da fehlender Wohnraum „ein deutlicher Wettbewerbsnachteil ist“. Fehlende Fachkräfte seien eben leichter zu gewinnen, wenn diese auch am Ort leben können. Ganz davon abgesehen, dass mehr Pendler auch erheblich mehr Verkehr bedeuten.

Deshalb gilt es, hier wirksam gegenzusteuern. Wobei in der Gesamtkonzeption weiterhin die Devise gilt, wie Gabriele Zull betonte: „Innenentwicklung vor Außenentwicklung.“ Allerdings: „Während sich die einen über neuen Wohnraum freuen, ist Bauen im Bestand für die bisherigen Bürger immer schwierig“, kommentiert Baudezernentin Beatrice Soltys die widerstrebenden Bedürfnisse. Gabriele Zull ergänzt: „Grün in und um die Stadt hat einen zentralen Stellenwert; wir werden neben dem Ausbau des Stadtgrüns auch wieder das Konzept des grünen Rings um Fellbach neu denken.“

So sollen bis zum Jahr 2021 rund 920 weitere Wohnungen entstehen

Das gesamte Stadtgebiet habe man in den vergangenen eineinhalb Jahren „durchgescreent“ und „nach Bauplätzen durchkämmt“, erläutert Soltys. Erstellt wurde dadurch eine „Ad-hoc-Liste“ mit zügig zu realisierenden Arealen und „Bauplätzen, die in der Pipeline sind“. Etliche Gebiete, kleinere Flächen wie größere Brachen, wurden in den vergangenen Monaten gezielt in die Entwicklung genommen. So sollen bis zum Jahr 2021 rund 920 weitere Wohnungen entstehen, etwa auf dem Hallenbad-Areal, im Schwabenlandtower, entlang der Siemensstraße (Rubrik „Wohnen für alle“) oder ganz in der Nähe auf dem Areal der früheren Gärtnerei Schönemann an der Fellbacher Straße. In den Folgejahren stehen noch das Freibad-Areal sowie die Kühegärten am Apfelweg westlich der Esslinger Straße auf dem Programm, sodass bis zum Jahr 2030 insgesamt rund 1800 weitere Wohneinheiten angepeilt und wohl auch realistisch sind, wodurch sich „die derzeitige relativ hohe Belegungsdichte deutlich entschärfen wird“.

Diese entsprechende Prognose gab am Dienstag Bettina Röder ab. Die Architektin und Wirtschaftsingenieurin, zuvor Projektsteuerin in Stuttgart, ist seit gut 14 Monaten im Fellbacher Rathaus als Wohnbaukoordinatorin aktiv. Ihre Aufgabe ist es, die Wohnbauoffensive „zu pushen“, wie sie selbst sagt, und der Initiative „ein Gesicht nach innen und außen“ zu geben, wie die Rathauschefin betont. Röder vernetzt die Akteure etwa durch den „Runden Tisch Wohnen“, stellt die neu ausgewiesenen Bauflächen vor und übernimmt die Abstimmung der Ausschreibungen und Wettbewerbe.

Ein weiterer Baustein ist die vor gut einem Jahr gegründete und seit Mai 2018 tatsächlich umfassend aktive Wohn- und Dienstleistungsgesellschaft Fellbach (WDF) mit den Geschäftsführern Gerhard Ammon (zugleich Chef der Stadtwerke) und Jacqueline Möller. Insgesamt 700 Wohnungen, darunter 530 eigene, verwaltet die WDF, die vor allem die sozial Schwächeren im Blick hat und auch für die Flüchtlings- und Obdachlosenunterkünfte zuständig ist.