In London sollen selbst Luxusbauten Raum für Sozialwohnungen bereit stellen. Die Vorschrift führt dazu, dass immer mehr Häuser in der britischen Hauptstadt zwei Eingänge haben: einen schicken für die Reichen und einen schnöden Hintereingang für die weniger gut Betuchten.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

London - Wer Geld hat, darf den Vordereingang benutzen. Marmorkacheln, Kristall-leuchter, weiche Polstergruppen in der Eingangshalle gehören dazu. Wohlhabenden Londonern soll es an nichts fehlen. Sie haben schließlich Millionen für ihre Appartements bezahlt. Die „arme Verwandtschaft“, die im gleichen Haus wohnt, hat ihre separaten Seiten- oder Hintereingänge, ohne allen Komfort. Oft sind Beobachtungskameras angebracht worden. Schilder warnen vor Sachbeschädigungen. Zwei verschiedene Welten im selben Gebäude – und die eine trifft die andere nicht.

 

„Posh doors“ und „poor doors“

Dem reichen London soll der Armutsanblick erspart werden. Darum werden viele der luxuriösen Wohnblocks an der Themse mit zwei verschiedenen Eingängen gebaut: „posh doors“ für die Wohlhabenden und „poor doors“ für die Mittellosen. Eine Londoner Zeitung konstatiert, dass sich die Menschen mit den schmucklosen Eingängen zurückgesetzt und als Bürger zweiter Klasse behandelt fühlen. Der Grünen-Stadtrat Darren Johnson warnt vor „krasser Verachtung für Normalbürger“. Der Labour-Abgeordnete für Tottenham, David Lammy, verlangt ein „Ende dieser Praxis“. Die Zweitürigkeit gehöre „eher in einen Dickens-Roman als in eine Weltstadt des 21. Jahrhunderts“.

Neue Vorschriften für Baulöwen

Ungewöhnlich ist es nicht, dass Arm und Reich in London Seite an Seite leben. Dass sie im selben Haus wohnen, ist aber relativ neu. Der Grund dafür ist eine Vorschrift des letzten Labour-Bürgermeisters Ken Livingstone, derzufolge Baulöwen bei größeren Neubauten einen gewissen Prozentsatz an „erschwinglichen“ Wohnungen – auch für Sozialhilfeempfänger – bereitstellen müssen. Bauherren und Hausverwaltungen sehen die separaten Türen als logische Konsequenz. Man könne den Leuten auf den billigen Plätzen ja nicht astronomische Nebenkosten abverlangen. Also müssten beide Seiten getrennt behandelt werden. Dem Tory-Bürgermeister Londons, Boris Johnson, ist die Sache mit den zwei Türen auch nicht lieb. Andererseits sieht er nicht, was er daran ändern könne. So werden die „poor doors“ aus London vorerst nicht verschwinden. Stattdessen werden sie, als Ausdruck einer alten Malaise, die Londoner stets an die sich weitende Kluft zwischen Arm und Reich in ihrer Stadt erinnern.