Obwohl seit Jahren umstritten, ist das geplante Wohngebiet Schafhaus immer noch als kurzfristig realisierbar in der Zeitstufenliste Wohnen markiert. OB Kuhn hat bei der Bürgerversammlung in Mühlhausen das Projekt skeptisch beurteilt. SPD-Fraktionschef Martin Körner sieht darin einen klaren Widerspruch zu dem von Kuhn ausgegebenen Ziel, 1800 neue Wohnungen pro Jahr zu schaffen.

Stuttgart - Dass es in Großstädten wie Stuttgart an bezahlbarem Wohnraum fehlt, ist inzwischen eine Binsenweisheit. Für die SPD im Gemeinderat genießt das Thema Wohnen mittlerweile oberste Priorität. Ihr Fraktionschef Martin Körner regt die Gründung einer regionalen Wohnungsbaugesellschaft an, um den Bau neuer Wohneinheiten im Ballungsraum besser verteilen und koordinieren zu können. Zugleich wirft er dem Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) vor, beim Thema Wohnen mit gespaltener Zunge zu sprechen.

 

Die Forderung nach mehr Anstrengungen beim Wohnungsbau kommen in schöner Regelmäßigkeit aus allen möglichen Richtungen: Die Immobilienbranche, der Hausbesitzerverein Haus & Grund, der Mieterverein, die Freien Wähler und nicht zuletzt die Stuttgarter Sozialdemokraten machen Druck und schrecken auch nicht davor zurück, die Ausweisung neuer Baugebiete auf der grünen Wiese vorzuschlagen. Areale wie etwa das Birkacher Feld, die vor Jahren unter der Ägide der damaligen öko-sozialen Ratsmehrheit aus der sogenannten Zeitstufenliste Wohnen aus klimaschutzpolitischen Gründen herausgenommen worden waren, scheinen nicht mehr sakrosankt zu sein.

Verwaltung verweist auf das Reservoir in der Zeitstufenliste Wohnen

Die großen Fraktionen CDU und Grüne im Kommunalparlament, aber auch Kuhns Parteifreund und Baubürgermeister Peter Pätzold, drücken beim Thema Ausweisung neuer Baugebiete auf die Bremse. Während der CDU-Stadtrat Philipp Hill schon im vergangenen Jahr eine Debatte über die „Grenzen des Wachstums“ der Landeshauptstadt angeregt hatte, sieht Pätzold noch genügend Wohnungsbaureserven in der aktuellen Zeitstufenliste Wohnen. Sie umfasst jene Areale im Stadtgebiet, die relativ kurzfristig bebaubar erscheinen oder aber zumindest mittelfristig Potenzial für neue Quartiere bieten. Insgesamt geht es um knapp 29 Hektar Flächen – darunter auch das Gebiet Schafhaus am Ortsrand von Mühlhausen. Laut dem Papier könnten dort etwa 250 Wohneinheiten neu entstehen.

Doch das Baugebiet ist vor Ort umstritten, auch wegen der verkehrlichen Erschließung. Vor fünf Jahren verwarf eine Mehrheit aus Grünen, SÖS-Linken und SPD aus ökologischen Gründen den Bau einer Erschließungsstraße aus dem Neckartal zum geplanten Quartier quer über die Felder. In der besagten Zeitstufenliste ist das Schafhaus aber weiterhin als eines jener Gebiete aufgelistet, die innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren bebaut werden könnten. Bei der Bürgerversammlung in Mühlhausen im September hatte OB Kuhn nochmals die Erschließungsbedingungen problematisiert und aus seiner Skepsis gegenüber einer Bebauung keinen Hehl gemacht. Für SPD-Fraktionschef Körner ein Unding: „Ein Abrücken von der Zeitstufenliste treibt die Preise auf dem Wohnungsmarkt nur noch mehr in die Höhe.“ Es könne nicht sein, dass die Verwaltung mit Bezug auf die Liste Forderungen nach weiteren Baugebieten eine Absage erteile, zugleich aber die eigenen Planungen nicht ernsthaft verfolge.

Region beurteilt SPD-Idee für regionale Wohnungsbaugesellschaft skeptisch

Baubürgermeister Pätzold widerspricht: „Das Schafhaus ist ein Spezialfall.“ OB und Verwaltung respektierten den seinerzeitigen Beschluss der Ratsmehrheit inklusive der SPD-Fraktion, wonach die Erschließungsstraße nicht gebaut wird. Weil es aber gegen die einzig mögliche Alternative, die Verkehrserschließung über die Straße Am Weidenbrunnen, vor Ort erhebliche Bedenken gebe, müsse Körner den Anliegern sagen, wie er sich Wohnungsbau im Schafhaus vorstelle.

Der SPD-Fraktionschef drückt auch bei einem anderen Thema aufs Tempo. Um die Region vor allem beim geförderten Wohnungsbau mit ins Boot zu holen, kann sich Körner die Gründung einer regionalen Wohnungsbaugesellschaft unter Beteiligung der kommunalen Unternehmen wie etwa der Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) vorstellen, die dann interkommunal tätig werden könnte.

Beim Verband Region Stuttgart (VRS) stößt die Idee allerdings auf Skepsis. „Greift man den Gedanken kurz auf, könnte solch eine Gesellschaft nur dann effektiv agieren, wenn sie in der Lage wäre, Grundstücke zu kaufen, zu bebauen und zu vermarkten. Derart weitreichende Möglichkeiten im Bereich der Regionalplanung sieht der gesetzliche Aufgabenkatalog des Verbands Region Stuttgart derzeit nicht vor“, so eine Sprecherin des VRS. Und auch die SWSG bleibt zurückhaltend. Von dort heißt es: „Da wir die Ausgestaltung des Vorschlages nicht kennen, ist uns eine diesbezügliche Einschätzung leider nicht möglich.“