Die Entscheidung ist gefallen: Die Wiesen am Stammheimer Ostrand werden Bauland. Der Gemeinderat hat sich trotz der Proteste der Anwohner für das umstrittene Wohngebiet Langenäcker-Wiesert entschieden und damit die Versiegelung von Ackerflächen akzeptiert. OB Kuhn wandte sich dabei gegen die Grünen.

Stuttgart - Nachdem am Donnerstag, begleitet vom stummen Protest einiger Anwohner, die Sprecher der Fraktionen im Gemeinderat dargelegt hatten, warum sie nun für oder gegen den Satzungsbeschluss für das Wohngebiet Langenäcker-Wiesert im Stadtbezirk Stammheim stimmen würden, hat Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) das Wort ergriffen. Er hat die 61. Stimme im Gemeinderat. Der Bedarf an einer Erläuterung seiner Position in der Debatte um eine Bebauung der wertvollen Ackerböden rührte in erster Linie daher, dass er gegen die Grünen-Fraktion stimmte. Das war keine Überraschung, schließlich hatte Kuhn in seinem Strategiepapier zum Wohnungsbau jene neun Hektar positiv bewertet. „Ich kann nicht alles aus der Liste rausnehmen“, so Kuhn. Immerhin entstünden 320 Wohneinheiten, davon 90 geförderte Einheiten.

 

Kuhn wägte zwischen ökologischem Sündenfall und sozialer Gerechtigkeit ab und kam in diesem „Zielkonflikt“ zum Schluss, sich für den Wohnungsbau zu entscheiden. Dem OB war wichtig, dass es in solchen Fällen jedes Mal einer neuen Abwägung bedürfe, und dass er auch gegen Wohnen entscheiden werde. So dürfen jene Mühlhausener, die auf eine Aufsiedlung des Gebiets Schafhaus hoffen, nicht mit seiner Stimme rechnen.

Grüne und SÖS unterliegen

Auch ohne Kuhn wäre der Forderung der protestierenden Anwohnern, in Stammheim alles beim Alten zu belassen, keine Mehrheit beschieden gewesen. CDU, SPD, FDP, Freie Wähler, der „Rep“-Stadtrat Rolf Schlierer sowie die Linke-Stadträtin Ulrike Küstler stimmten mit dem OB für den Satzungsbeschluss. Die Grünen und die SÖS versuchten vergeblich, die Bebauung mit dem Verweis auf die Verluste wertvollster Ackerböden zu verhindern. 40:19 hieß es am Ende.

Gabriele Munk (Grüne) hat ihre Gemeinderatskollegen an die vor Jahren getroffene Entscheidung erinnert, der Innenentwicklung Vorrang gegenüber der Versiegelung unbebauter Stadtränder einzuräumen. Es gebe innen viel Potenzial, etwa im Neckarpark in Bad Cannstatt, für den eine Machbarkeitsstudie für bis zu 600 Wohnungen vorgelegt wird, oder auf den Flächen des Olga- und des Bürgerhospitals. Dort würde der Bedarf an günstigem Wohnraum befriedigt, während im Gebiet Langenäcker-Wiesert in erster Linie Einfamilien- und Reihenhäuser gebaut würden. „Das löst die Probleme nicht“, so Munk.

Streit mit scharfen Worten

Das sieht Philipp Hill (CDU) anders. Für ihn zählt jede Wohnung. Er verwies zudem auf die Vorteile der guten Anbindung, etwa an den öffentlichen Nahverkehr. Er erinnerte daran, dass das Gebiet schon von drei Seiten Bebauung eingegrenzt sei und man in den 90-er Jahren dort zehnmal mehr Fläche hatte versiegeln wollen. Er räumte ein, dass es die Union in Stammheim nicht jedem Recht machen könne, dass es mehr Verkehr geben werde, dass Anwohner den freien Blick verlieren würden und die Versiegelung voranschreite. Die CDU sei aber dennoch bereit, dies hinzunehmen, um den Wohnungsbau zu forcieren.

Ins selbe Horn stieß Judith Vowinkel. Die SPD-Stadträtin verwies auf die positive Haltung des Bezirksbeirats – schon 2004 hätten auch die Grünen die Bebauung gutgeheißen – und die wohlwollende Resonanz in Stammheim. Es hätten sich schon 50 Interessenten gemeldet. Die Vorsitzenden der Freien Wähler und der FDP, Jürgen Zeeb und Bernd Klingler, erachten es für notwendig, „etwas für junge Familien zu tun“. Entwicklung oder Stillstand seien die Alternativen, so Klingler. „Wir sind für Entwicklung.“ Zeeb kritisierte den BUND, der vor einer „Rückkehr in die Steinzeit“ gewarnt hatte. Das sei „unterste Schublade“.